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Michael Hennrich (CDU) zu den Arzneimittelskandalen
„Warum können die Kassen nicht für die Arzneimittelversorgung haften?“
In den vergangenen Jahren gab es wohl keine politische Sommerpause, die so viel arzneimittelpolitische Brisanz zu bieten hatte: Innerhalb weniger Wochen wurden mit der Valsartan-Krise, der Lunapharm-Affäre und dem chinesischen Impfstoff-Skandal drei Arzneimittelskandale publik. In der Unionsfraktion im Bundestag ist Michael Hennrich (CDU) für Arzneimittel zuständig. Im Interview mit DAZ.online erklärt er, an welcher Stelle er die Rabattverträge korrigieren würde, wie er die Situation betroffener Patienten verbessern möchte und warum er einer Abschaffung der Importquote aus dem Weg gehen möchte.
DAZ.online: Aus China kommen teils krebserregende Generika, zeitgleich kursieren illegale Zytostatika. Sie sind in der Unionsfraktion für Arzneimittelthemen zuständig. Können wir uns auf größere Gesetzesvorhaben einstellen, um diese Missstände zu beheben?
Hennrich: Nur bedingt. Ich meine, dass man nur einen Teil der zugrunde liegenden Probleme gesetzlich lösen kann. Wir haben einen guten gesetzlichen Rahmen auf europäischer und nationaler Ebene. Beim Vollzug dagegen hakt es meines Erachtens. Was die Valsartan-Krise betrifft, müssen wir uns aber noch einmal genauer anschauen, ob wir bei den Rabattverträgen gesetzlich nachjustieren müssen.
DAZ.online: Wo denn genau?
Hennrich: Wir müssen in die Verträge einen obligatorischen Qualitätsmechanismus einbauen. Konkret sollten die herstellenden Unternehmen – übrigens auch die in Fernost – regelmäßig und vor Ort, also in den Werken bei der Arbeit kontrolliert werden. Entweder durch den abnehmenden Hersteller oder die Zulassungsbehörden, da bin ich mir noch nicht ganz sicher. Die Vorlage von Zertifikaten oder Bescheinigungen allein reicht da nicht aus. Um einen Rabattvertrag zu bekommen, müssen die Hersteller die Nachweise der Kontrollen bei der Kasse vorlegen.
Hennrich: Initiative der EU ist gefordert
DAZ.online: Könnte man die Hersteller nicht auch verpflichten, einen Teil der Arzneimittel, die sie über Rabattverträge anbieten wollen, in Europa herzustellen – und dies auch auf den Packungen sichtbar aufzudrucken?
Hennrich: Ich muss zugeben, dieses Thema treibt mich seit Jahren um. Ich finde es sehr schade, dass man in der EU bislang noch keine Initiative zu der Frage gestartet hat. Denn ich bin der Meinung, dass wir uns in Europa – bei Beibehaltung des freien Warenverkehrs in der Welt – wieder unabhängiger machen müssen in der Arzneimittelversorgung. Die Qualität unserer Gesundheitsversorgung kann nicht von den Vorgängen in einem einzigen chinesischen Werk abhängen. Nationalstaatlich können wir das Thema nicht lösen, wir brauchen hier eine europäische, von allen Mitgliedstaaten getragene Lösung. Es wäre aus meiner Sicht europarechtlich wahrscheinlich schwierig, die Hersteller zu verpflichten, Teile ihrer Produktion in bestimmte Länder zu verlagern.
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DAZ.online: Die ABDA sieht ein Teil des Problems in den niedrigen Generika-Preisen. Ist die Preisuntergrenze nicht langsam erreicht bei den Rabattverträgen? Muss die Politik da nicht mal den Riegel vorschieben und Preisuntergrenzen oder Ähnliches festlegen?
Hennrich: Zunächst möchte ich festhalten, dass ich mich absolut zum System der Rabattverträge bekenne. Es gibt kein effizienteres Sparinstrument bei den Arzneimitteln. Hinzu kommt, dass ich auch nicht daran glaube, dass die Hersteller ihre Produktion bei höheren Preisen nach Europa verlagern würden. Diese Preise entstehen nun einmal, so ist das Wesen einer Ausschreibung. Und ich glaube, dass die Preise hierzulande trotz der Rabattverträge noch okay sind.
DAZ.online: Sie meinen im internationalen Vergleich?
Hennrich: Ja, die Rabatte sind geheim. Allerdings höre ich, dass für Generika in anderen Ländern vergleichbare Preise gezahlt werden.
Pharmadialog soll Lösungen bringen
DAZ.online: Kommen wir zum anderen Ende der Preisskala: Stichwort Lunapharm. Auch hier meint die ABDA, eine Ursache in der nicht vorhandenen Preisregulierung zu sehen. Entsteht so ein Schwarz- oder Graumarkt nicht erst recht, wenn so hohe Preise gezahlt werden? Oder: Würden niedrigere Preise diesen Markt ausdürren?
Hennrich: Ich gebe zu, diesem Thema müssen wir uns in dieser Legislaturperiode nochmals verstärkt widmen, das wird im Rahmen des Pharmadialogs auch passieren. Es ist schon bemerkenswert, dass knapp 80 Prozent der abgegebenen Arzneimittel nur 20 Prozent der Kosten ausmachen, wohingegen knapp über 20 Prozent der verordneten Medikamente 80 Prozent der Gesamtausgaben verursachen.
DAZ.online: In der vergangenen Legislaturperiode kam, zumindest was die Preisfreiheit im ersten Jahr nach Markteintritt betrifft, nicht viel heraus. Welche Maßnahmen sind denkbar?
Hennrich: Das möchte ich jetzt nicht konkretisieren und da auch den Pharmadialog abwarten. Aber ich sage offen, dass ich persönlich dafür bin, dass der Erstattungsbetrag bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen rückwirkend nach Beschluss des G-BA gelten sollte. Es gibt keinen Grund höhere Preise zu bezahlen, wenn der G-BA festgestellt hat, dass ein neuer Wirkstoff keinen Zusatznutzen hat. Das würde Produkte mit Zusatznutzen, für die diese Rückwirkung nicht gelten soll, privilegieren und wäre dann auch so etwas wie eine Innovationsprämie.
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Nach Arzneimittel-Skandalen
AOK und Reimporteure zanken weiter über Reimportquote
Hennrich: Reimportquote über Rahmenvertrag regeln
DAZ.online: Nach Bekanntwerden der Lunapharm-Affäre ging ja auch erneut der Streit um die Importquote los. Abschaffen oder behalten: Was meinen Sie?
Hennrich: Bei dieser Frage ist für mich wiederum klar, dass der Gesetzgeber hier nicht unbedingt eingreifen muss. Die Krankenkassen und Apotheker können dieses Problem jederzeit im Rahmenvertrag angehen. Warum einigt man sich dort nicht darauf, die Quote auf null zu senken? Alles möglich!
DAZ.online: Das Wichtigste zum Schluss: Was sagen Sie als zuständiger Unionspolitiker den betroffenen Patienten? Wie kann sich die Situation für sie verbessern?
Hennrich: Was mich mit Blick auf die Patienten am meisten stört, ist, dass sie mit der Haftungsfrage alleine gelassen werden. Wer ist gegenüber dem Patienten haftbar, wenn er ein geklautes oder krebserregendes Arzneimittel bekommt?
DAZ.online: Kann man das gesetzgeberisch angehen?
Hennrich: Die Kassen haften derzeit jedenfalls nicht für solche Fälle. Ich glaube, wir bekämen auch in die Qualitätsfrage eine ganz andere Musik, wenn die Kassen haften würden. Wobei es nicht ganz einfach ist, das gesetzlich sauber zu regeln.
DAZ.online: Viel diskutiert wird auch über die Transparenz. Die einzige Informationsquelle für die meisten Patienten waren die Apotheker. Und selbst die fühlten sich schlecht informiert. Wie kann das verbessert werden?
Hennrich: Auch das können wir eigentlich nicht länger zulassen. Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet derzeit immer noch am sogenannten Arztinformationssystem, bei dem die Ärzte im Moment der Verordnung über die jeweiligen Arzneimittel informiert werden sollen. Ein Projekt, das uns unglaublich viele Chancen eröffnet beim Verschmelzen von Digitalisierung und Arzneimittelversorgung. Warum kann man hier keine Informationen über den Ort und den Prozess der Herstellung einbauen? Und: Auch bei der Etablierung des geplanten Nationalen Gesundheitsportals wäre es eine Überlegung wert, sich mit der Frage zu befassen, wie man hier mehr Transparenz sowie eine bessere Informationsbasis für die Patienten schaffen kann.
7 Kommentare
Heinrich
von Alexander Zeitler am 17.08.2018 um 2:27 Uhr
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Kontrolle
von Ratatosk am 16.08.2018 um 9:46 Uhr
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Qualitätsverlust
von Reinhard Rodiger am 15.08.2018 um 22:29 Uhr
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Realistische Betrachtung:
von Kritiker am 15.08.2018 um 13:42 Uhr
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Hennrich
von Conny am 15.08.2018 um 12:54 Uhr
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verbindlich unverbindlich
von Ulrich Ströh am 15.08.2018 um 11:06 Uhr
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klare Antwort auf die Frage in der Überschrift
von Jan-Uwe Kreuschner am 15.08.2018 um 10:04 Uhr
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