Sebastian Czaja

Berliner FDP-Politiker: Spahn soll sich um Lunapharm-Skandal kümmern

Berlin - 16.08.2018, 12:15 Uhr

Sebastian Czaja (FDP): Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) muss in der Lunapharm-Affäre aktiv werden. (c / Foto: FDP Berlin)

Sebastian Czaja (FDP): Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) muss in der Lunapharm-Affäre aktiv werden. (c / Foto: FDP Berlin)


Sebastian Czaja, Chef der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht nach der Aufdeckung des Skandals um gestohlene Krebsarzneimittel und deren Vertrieb durch den brandenburgischen Pharmahändler Lunapharm Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefordert. Dieser müsse jetzt einen Runden Tisch mit allen Gesundheitsministern der Länder einberufen. Neuen Erkenntnissen zufolge sollen allein in Berlin und Brandenburg mindestens 220 Patienten die zweifelhaften Arzneimittel von Lunapharm erhalten haben.

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Sebastian Czaja, hat bei der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit eine Anfrage zu den Folgen des Lunapharm-Skandals für Berlin gestellt.

Das brandenburgische Unternehmen Lunapharm, das bis vor Kurzem als Großhändler sowie als Hersteller (Importe) aktiv war, soll jahrelang in Griechenland – und offenbar auch in Italien – gestohlene Krebsarzneimittel bezogen und an deutsche Apotheken ausgeliefert haben. Das ARD-Magazin-Kontraste hatte recherchiert und aufgedeckt, dass die teilweise temperaturempfindlichen Arzneimittel nicht ordnungsgemäß transportiert und gelagert worden waren, weshalb fraglich ist, wie wirksam sie noch waren, als sie zum Patienten gelangten.

Czaja wollte nun wissen, wie viele Apotheken, Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen – und letztlich auch Patienten – mit den mittlerweile zurückgerufenen Arzneimitteln beliefert wurden. Wie aus der Antwort der Senatsverwaltung vom 10. August hervorgeht, war eine Apotheke in Marzahn-Hellersdorf und eine in Mitte betroffen. Diese lieferten die fraglichen Arzneimittel (Herceptin, Mabthera, Velcade, Xgeva) wiederum an neun Arztpraxen in Berlin und an vier in Brandenburg sowie an eine Reha-Klinik in Brandenburg. In der Antwort summiert sich die Zahl der betroffenen Patienten in den beiden Bundesländern auf 174. Doch mittlerweile sind es mindestens 220 Patienten, da ein dritte Berliner Apotheke betroffen ist.

Zahl der betroffenen Patienten könnte sich noch weiter erhöhen

Wie der Sprecher der Berliner Senatsverwaltung gegenüber DAZ.online erklärte, ist vergangene Woche zeitgleich mit dem Ausgang der Antwort an die FDP-Fraktion ein weiterer Verdachtsfall eingegangen. Diesmal handelt es sich um eine Apotheke, die Herceptin aus Italien bezogen hat. Da in Italien eine Ausfuhrsperre für Herceptin bestehe, vermuten die dortigen Behörden stets einen Diebstahl, wenn italienisches Herceptin in einem anderen Land auftaucht. Damit sind es nunmehr 14 Berliner Arztpraxen, die mit mutmaßlich gestohlenen Arzneimitteln beliefert worden sind. Der Sprecher will angesichts der Erfahrungen der vergangenen Wochen keine Aussage darüber treffen, ob noch weitere Apotheken betroffen sein könnten. „Der letzte Stand muss das nicht sein", sagte er.

Die FDP-Fraktion hakte außerdem nach, welche Vorsorge Berlin für Patienten treffe, die mit den betroffenen Arzneimitteln versorgt wurden. Dazu heißt es in der Antwort, das Land Berlin habe durch die zwei Apotheken die behandelnden Ärzte über die betroffenen Patienten informieren lassen. Es liege nun im Ermessen der behandelnden Ärzte, entsprechende Gespräche zu führen. Und zwar sowohl mit den betroffenen Patienten, aber auch mit denen, die nicht betroffen sind und durch diese Information eine große Entlastung erfahren könnten.

Czaja: Absolute Transparenz und Aufklärung ist oberste Maxime

Eine weitere Frage war, welche Konsequenzen der Senat aus dem Lunapharm-Skandal im Umgang mit Arzneimittelimporteuren und Qualitätskontrollen für Krebsmedikamente zieht. Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), das die Arzneimittelherstellung in Pharmafirmen des Landes und Zulieferfirmen weltweit und den Arzneimittelvertrieb überwacht sowie die Apothekenaufsicht innehat, führe in Berlin bereits entsprechende Qualitätskontrollen durch, heißt es in der Antwort. Und weiter: „Für weiterführende Konsequenzen ist es erforderlich, in einem ersten Schritt die Ereignisse und Verfahren in Brandenburg gemeinsam mit den anderen Bundesländern auf fachlicher Ebene auszuwerten. Es wird davon ausgegangen, dass dies im Herbst 2018 geschehen wird“.

Czaja sieht nun aber auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Pflicht: „Mehr als 220 Menschen in Berlin und Brandenburg wurden mit den wirkungslosen Krebsmedikamenten behandelt – die Dunkelziffer könnte noch weitaus höher liegen. Obwohl das gesamte Bundesgebiet betroffen sein könnte, hört man von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bisher überhaupt nichts. Herr Spahn muss jetzt einen Runden Tisch mit allen Gesundheitsministern der Länder einberufen und die Sorgen der betroffenen Patienten ausräumen“. Die Aufklärung dieses Skandals müsse von oberster Stelle geleitet werden, so Czaja. „Alles andere ist unterlassene Hilfeleistung“. Hier dürfe nur eine Maxime gelten: absolute Transparenz und Aufklärung.

Lunapharm darf indessen weiterhin nicht geschäftlich aktiv werden. Das Brandenburger Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) hatte am 6. August einen neuen Bescheid erlassen, demzufolge das Unternehmen seine Herstellungs- und Großhandelserlaubnis sechs Monate ruhen lassen muss. Auch die sofortige Vollziehbarkeit wurde angeordnet, sodass ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Während Lunapharm gegen einen ersten Bescheid gerichtlich vorgegangen ist, akzeptiert das Unternehmen den zweiten Anlauf offenbar. Beim Verwaltungsgericht Potsdam ist jedenfalls kein erneuter Antrag gegen den Bescheid eingegangen.


Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde am 16. August 2018 um 13:00 aktualisiert um die Information der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, dass eine dritte Berliner Apotheke betroffen ist.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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