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Ein fairer Wettbewerb steht für Spahn ganz vorne. Und sollte der nicht machbar sein, erst dann nimmt man ein Rx-Versandverbot mal in den Blick. Wir haben verstanden. Immerhin, der Apotheker ist „Teil von Heimat“ und unverzichtbar. Hört man auch bei sächsischen Gesundheitspolitikern: Die Apotheke bleibt im Dorf. Aber wie lange noch? Und: DocMorris eilt von Umsatzplus zu Umsatzplus, auch bei Rx. Konsequent will eine oberbayerische Apothekerin agieren und wirft die Homöopathie raus – ganz im Spiegel-Trend: esoterische Zauberkügelchen. Hauptsache, die Apotheke hat einen Datenschutzbeauftragten!
13. August 2018
Erst schließt die Post, dann die Sparkasse, dann geht der Arzt und schließlich macht die Apotheke zu – die Regionen, in denen die Gesundheitsversorgung der Landbevölkerung gefährdet ist, nehmen zu. Lasst die Apotheke im Dorf – mit diesem Appell wandten sich Kammer und Verband von Sachsen an die Politik. Zum Gespräch waren Apothekerinnen und Apotheker Sachsens eingeladen. Ein löblicher Austausch, man hatte den Eindruck, die Politik hat verstanden, worum es geht, und sie bekannte sich dazu: Wir wollen die Apotheke im Dorf lassen. Man kann nur hoffen, dass es nicht bei den Lippenbekenntnissen bleibt. Immerhin, der sächsische CDU-Gesundheitspolitiker Krauß glaubt noch an ein Rx-Versandverbot. Und die sächsische Staatssekretärin Kraushaar zeigte sich erfrischend offen für Modellversuche, beispielsweise für Telemedizin und Telepharmazie vergleichbar dem Schweizer Netcare-Modell, bei dem in einem Nebenraum der Apotheke eine Telesprechstunde mit einem Arzt stattfindet. Und Friedemann Schmidt, sächsischer Kammerpräsident und ABDA-Präsident, mahnte bei der Politik an, die Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass Apotheker und Krankenkassen Verträge schließen können, mit denen Apotheker honorierte Dienstleistungen erbringen können. Mein liebes Tagebuch, das könnte auch die Position einer Apotheke auf dem Land stärken. Und wenn doch eine Apotheke schließen muss, dann funktioniert die Versorgung dennoch – über Botendienste und Rezeptsammelstellen (auch in Sachsen soll bald eine elektronische Sammelstelle eingerichtet werden). Dennoch, wie Wortmeldungen von Apothekerinnen und Apothekern zeigten, wünscht sich der eine oder andere Landapotheker, der allein mit einer PKA und PTA in seiner Apo steht, mehr, z. B. eine kurzzeitige Vertretungsbefugnis durch die PTA oder eine zeitlich begrenzte Schließung der Apotheke, um mal Urlaub machen zu können. Mein liebes Tagebuch, solche Fragen kommen auf. Während eine temporäre Schließung vielleicht regelbar wäre, muss man die Vertretung durch eine PTA allerdings kritisch sehen. Eine PTA hat kein Pharmaziestudium absolviert, sie hat keine Approbation. Und wo sollte eine Vertretungsbefugnis beginnen? Für ein, zwei Stunden? Für einen Tag, für eine Nacht? Eine Woche? Man sieht, mein liebes Tagebuch, das ist nicht machbar, nicht verhandelbar. Das führt, konsequent zu Ende gedacht, zu einem anderen System, das wir nicht wollen. Mein liebes Tagebuch, ich möchte auch in einer ärztlichen Praxis nicht von einer MTA statt vom Arzt behandelt werden.
14. August 2018
Unser neues Apothekerhäuschen in der Berliner Heidestraße steht schon prächtig da – jetzt hat die ABDA auch noch ein Mega-Werbebanner als Hingucker anbringen lassen. Auf dem Riesenposter ist zu lesen: „Gesundheitsberatung? Will ich Face-to-Face – deshalb gehe ich in meine Apotheke“ – gut gemeint, auch wenn der Slogan ein bisschen schräg klingt. Mein liebes Tagebuch, mal abgesehen davon, wäre interessant zu wissen, wie der Neubau in der Öffentlichkeit ankommt. Da schließen jährlich über 200 Apotheken, da jammern die Apothekers über den Versandhandel, der ihnen die Butter vom Brot nimmt, aber ein schmuckes 35 Mio.-Häuschen können sie sich leisten – das könnte so manchem Zeitgenossen aus Politik und Wirtschaft beim Anblick des Immobilien-Statussymbol in den Sinn kommen. Die Frage stellt sich: Passt so ein Symbol noch in unsere Zeit?
15. August 2018
Valsartan-Krise, Lunapharm-Affäre, chinesischer Impfstoff-Skandal – zurzeit ist einiges geboten. Und die Politik meldet sich besorgt zu Wort. Aber mein liebes Tagebuch, wird das Folgen haben? Schaut man sich das Interview mit dem CDU-Gesundheitspolitiker Hennrich an, dann ist bis jetzt alles noch recht halbherzig und nebulös. Wo man genau ansetzen will, bleibt offen. Ja, es hakt beim Vollzug, bei den Behörden, und ja, man müsste bei den Rabattverträgen nachjustieren, z. B. irgendwie einen obligatorischen Qualitätsmechanismus einbauen: mehr Kontrollen bei den Herstellern. Mein liebes Tagebuch, da beißt sich doch die Katze in den Schwanz – mehr Kontrollen würde wieder eine bessere Aufstellung und Besetzung der Behörden nach sich ziehen und dafür mangelt es wiederum an Geld. Was Hennrich durchaus sieht: Wir müssten uns vom chinesischen Markt unabhängiger machen, aber das ginge nur mit einer europäischen Lösung, meint er. Europäische Ebene – ich vermute, da wird sich so schnell nichts tun. Und zur Frage, wer bei Krisen, wie sie Valsartan offenlegt, haftet, da sieht Henrich die Kassen in der Pflicht. Allerdings, wie kann man das sauber regeln? Vermutlich gar nicht, mein liebes Tagebuch, denn die Kassen würden es auf die Leistungserbringer und Hersteller abwälzen. Enttäuschend waren Hennrichs Anmerkungen zur Importquote – für ihn ist klar, dass der Gesetzgeber nicht eingreifen muss, denn Krankenkassen und Apotheker könnten das jederzeit im Rahmenvertrag regeln und die Quote auf Null senken. Formal richtig, aber da macht er es sich zu einfach. Die Quote ist ja schließlich auf politischem Weg ins Gesetz gekommen und nicht durch einen Rahmenvertrag. Dann sollte sich die Politik dazu bekennen und sie politisch abschaffen. Aber das macht wohl Arbeit.
16. August 2018
Werbung, Posts, Influencer – die aggressive Werbung auf allen Kanälen unserer liebsten Versandapo an der niederländischen Grenze trägt reichlich Früchte: Der Umsatz wächst und wächst und wächst, auch mit Rx. Auch Zukäufe von anderen Versandapos wie Eurapon und Vitalsana und die Übernahme des Versandhandelsgeschäfts von apo-rot mögen dazu beitragen. Nach eigenen Angaben erreichte der Päckchenpacker DocMorris im ersten Halbjahr einen Umsatz von 291 Mio. Euro, was auf ein Umsatzplus von 38,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückzuführen ist. Zur Rose, der Mutter-Konzern von DocMorris, meldet stolz, man habe die OTC-Marktführerschaft in Deutschland übernommen. Und auch bei Rx brauchen wir uns um das ach so benachteiligte Versandhandelsgeschäft keine Sorgen zu machen: Ein Umsatzplus von 10 Prozent erwirtschaftete der Versender allein in dieser Sparte. Und damit schon bald noch mehr Päckchen verschickt werden können, wird der Standort Heerlen mit einem neuen Logisitikgebäude erweitert: Wenn heute rund 7,2 Mio. Arzneipäckchen das Haus verlassen, dann sollen es 2020 wohl 30 Mio. sein. Angestrebt werden 50 Mio. Päckchen. So sieht’s aus – dies auch zur Information unserer lieben Gesundheitspolitiker(innen), die gerne mal bei DocMo vorbei schauen oder glauben, den ausländischen Versandhandel nach Deutschland mit ihrem Segen und ihrer Fürsprache unterstützen zu müssen.
Auch Gesundheitsminister Jens Spahn will die Apotheke im Dorf lassen: In einem Interview mit der Apotheken-Umschau bekennt er sich dazu: Ebenso wie der Hausarzt sei der Apotheker vor Ort „Teil von Heimat“, auf den man nicht verzichten könne. Schön gesagt, voll im warmen CSU-Mainstream, mein liebes Tagebuch, nur allein mir fehlen die Taten, dass das auch in Zukunft so bleibt. Immerhin, es gibt Spahn-Sätze wie diese: „Ich möchte alles versuchen, um einen fairen Wettbewerb herzustellen. Wenn das nicht gelingt, nehmen wir ein generelles Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Medikamente in den Blick.“ Und damit, mein liebes Tagebuch, ist doch eigentlich alles gesagt. Im Klartext: Erst mal versucht man irgendwie einen fairen Wettbewerb herzustellen und sollte das nicht fruchten, dann schaut man sich das Rx-Versandhandelsverbot an. Enthusiasmus fürs Rx-Versandverbot sieht anders aus. Das Spannende wird sein: Wie werden die Versuche für einen fairen Wettbewerb aussehen? Mehr dazu gibt’s von Spahn vermutlich in seiner Rede auf dem Deutschen Apothekertag.
17. August 2018
Oh je, jetzt geht’s dahin mit der Homöopathie, die Globokalypse naht, der Untergang und das Ende von Globuli und Co. Die erste Apotheke hat, nach ärztlicher Beratung, Hilfe und Konsultation, die Homöopathika aus der Sichtwahl verbannt. Ein Donnerschlag, der alle Gobuli-Liebhaberinnen und -Liebhaber ins Mark getroffen haben muss. „Hier Homöopathie-freie Zone“ steht zwar außen nicht auf dem Schaufenster, aber drinnen wird es so gelebt. Fast, denn es gibt sie noch, die Kügelchen, aber nur auf Rezept oder auf insistierende Nachfrage von Kunden („Ham se auch was Hämobadisches?“) und erst, wenn sich der Kunde zuvor einen Leitlinienvortrag anhört. Apothekerin Hundertmark im oberbayerischen Weilheim will wissenschaftlich sein, und konsequent. Und vor allem ehrlich. Und Ehrlichkeit kostet, nämlich Umsatz. Nun, mein liebes Tagebuch, das alles ist ehrenhaft und von bewunderswerter Konsequenz. Aber, wird die Realität gnadenlos zurückschlagen? Werden dm und Rossmann schon bald einen Antrag stellen, Homöopathika führen zu dürfen? Wird die Weilheimer Bahnhof Apotheke ihren harten Kurs durchhalten können? Werden die Homöopathie-Gegner Dankesbriefe schreiben? Oder werden Homöopathie-Gläubige diese Apotheke ächten? Und werden in dieser Apotheke auch weiterhin Contramutan, Meditonsin und Traumeel verkauft? Wir wissen es nicht. Meinem lieben Tagebuch fällt dazu nur ein, ganz frei nach Loriot: „Ein Leben ohne Homöopathie ist möglich, aber sinnlos.“
Übrigens, der aktuelle Spiegel hat seine Titelgeschichte „den esoterischen Therapien wie der Homöopathie“ gewidmet. Die Autorin Veronika Hackenbroch hat dazu ihre Meinung: Hokuspokus, eine der absurdesten aller Heilmethoden, Globuli helfen keinen Deut besser als Zuckerkügelchen, wenn überhaupt, haben die homöopathischen Zauberkügelchen einen Placeboeffekt. So gesehen, mein liebes Tagebuch, liegt die oberbayerische Apotheke voll im Trend – von Spiegel & Co.
Braucht eine Apotheke nun einen Datenschutzbeauftragten oder braucht sie keinen? Wenn’s nach der bayerischen Interpretation geht, dann braucht sie angeblich keinen. Das bayerische Innenministerium interpretiert einfach die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein bisschen hin und her und um, es möchte eine „sachgerechte“ Anwendung „mit Augenmaß“. Das Seehofer-Heimat-Land gibt sich wie immer gern bürgernah und mittelstandsfreundlich. Oder tut zumindest so. Und damit steht Bayern im Widerspruch zu den Landesdatenschutzbehörden und der Bundesregierung. Mein liebes Tagebuch, bei aller Liebe fürs Augenmaß und für mittelstandsfreundliche Regelungen: Zur Kerntätigkeit einer Apotheke gehört doch eine umfangreiche Verarbeitung von Gesundheitsdaten. Jedes Rezept, ja sogar jeder Kundenwunsch, der im Kundenkonto gespeichert wird, betrifft personenbezogene Gesundheitsdaten. Da muss der Datenschutz gewährleistet sein, auch unabhängig davon, ob in der Apotheke weniger als zehn Personen damit beschäftigt sind. Ich vermute mal, mein liebes Tagebuch, Bayern wird mit seiner individuellen Auslegung nicht weit kommen. Der oberste bayerische Datenschützer, Thomas Kranig, Präsident der bayerischen Landesdatenschutzbehörde, stellt sich gegen das Innenministerium und stellt bereits klar: Einen bayerischen Weg kann es bei der DSGVO nicht geben. Es müsse ein Datenschutzbeauftragter benannt werden, wenn mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Übrigens, auch der hessische Datenschutzbeauftragte hat sich schon zu Wort gemeldet. Er sieht’s sogar noch strenger: Jede Apotheke braucht einen Datenschutzbeauftragten, zumindest für die Dauer von zwei Jahren. Also, auch wenn’s vielleicht Umstände macht: Ein mögliches Bußgeld vermeidet wohl nur die Apotheke, die einen Datenschutzbeauftragten hat.
11 Kommentare
Wettbewerb?
von Heiko Barz am 19.08.2018 um 19:12 Uhr
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AW: Aw.:Wettbewerb
von Bernd Jas am 19.08.2018 um 21:02 Uhr
Richtungsweisend?
von Reinhard Rodiger am 19.08.2018 um 19:11 Uhr
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Vertretungsbefugnis auf Zeit für PTA
von Anke am 19.08.2018 um 12:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Vertretungsbefugnis auf Zeit für PTA
von Reinhard Rodiger am 19.08.2018 um 13:35 Uhr
AW: Vertretungsbefugnis auf Zeit für PTA
von M. Müller am 19.08.2018 um 17:56 Uhr
AW: Vertretungsbefugnis auf Zeit für PTA
von Anke am 19.08.2018 um 22:36 Uhr
Versandhandelsverbot? Wer will denn so was?
von Bernd Jas am 19.08.2018 um 10:37 Uhr
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die Woche aus Endkundensicht
von Kritiker am 19.08.2018 um 10:20 Uhr
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AW: Aw: die Woche aus Endkundensicht
von Bernd Jas am 19.08.2018 um 11:02 Uhr
Nachbarn?
von Ulrich Ströh am 19.08.2018 um 8:55 Uhr
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