Streit um Importarzneimittel

Importeure: Lunapharm-Taskforce von ABDA instrumentalisiert

Berlin - 29.08.2018, 14:55 Uhr

Die Arzneimittelimporteure stehen zunehmend unter Druck. (c / Foto: VAD)

Die Arzneimittelimporteure stehen zunehmend unter Druck. (c / Foto: VAD)


Die gesetzlich vorgesehene Importförderung sowie die Importquote sind nach dem Lunapharm-Skandal erneut in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Die Lunapharm-Taskforce empfiehlt in ihrem Bericht unter anderem die Streichung dieser Instrumente und regt an, ein Verbot des Parallelimports von Arzneimitteln in die Diskussion einzubringen. Der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands meint: Damit zieht das Gremium die falschen Schlüsse aus dem Skandal. Es habe sich von der apothekerlichen Standesführung instrumentalisieren lassen.

Am gestrigen Dienstag hat die Lunapharm-Taskforce ihren vorläufigen Untersuchungsbericht vorgelegt. Der Bericht kommt unter anderem zu dem Schluss, dass der Aufsichtsbehörde spätestens im März 2017 ausreichend Erkenntnisse vorgelegen haben, um Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Patienten einzuleiten. Wirklich durchgegriffen hat die Aufsicht allerdings nicht. Neben einer Aufarbeitung der Geschehnisse rund um Lunapharm seit Mai 2015 enthält der Bericht auch Handlungsempfehlungen, wie derartige Fälle künftig vermieden werden können. Und zwar nicht nur für das Ministerium und die Aufsichtsbehörden selbst, sondern auch zur Änderung von Rahmenbedingungen auf nationaler und EU-Ebene.

Konkret empfiehlt die Taskforce für letzteren Bereich, § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V zu streichen. In dieser Vorschrift findet sich die 15/15-Regel zur bevorzugten Abgabe von Importarzneimitteln und die Rechtsgrundlage für weitere Regelungen im Rahmenvertrag, die zusätzliche Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen sollen – so wie die vereinbarte Importquote. Ferner befürwortet die Taskforce ein Verbot des Parallelvertriebs von Arzneimitteln in der EU sowie der Vermittler- und Mitvertreiber-Tätigkeit. Zudem regt sie an, ein Verbot des Parallelimportes von Arzneimitteln in die fachliche und politische Diskussion einzubringen.

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Der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands (VAD), in dem unter anderem Kohlpharma Mitglied ist, reagierte hierauf „mit großer Verwunderung". In einer Pressemitteilung des Verbands heißt es: „In der vorläufigen Aufarbeitung um das offensichtlich kriminelle Handeln eines Kleinsthändlers und dem eklatanten Versagen der Arzneimittelaufsicht im Kontext von illegal gehandelter Arzneimittel aus Diebstählen zieht die Taskforce teilweise die falschen Schlüsse“.

VAD: Taskforce-Bericht und DAV-Forderung fast wortgleich

Aus dem gesamten Bericht lasse sich in keiner Weise die Forderungen nach Streichung des §129 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V sowie die Befürwortung für ein generelles Verbot des Parallelvertriebes von Arzneimitteln in der EU begründet ableiten, so der VAD. Der Verband vermutet, dass die ABDA im Hintergrund auf den Bericht eingewirkt hat. Denn die Forderungen seien „fast wortgleich“ zu denen der ABDA beziehungsweise des DAV. „Dies verwundert kaum, da mit Prof. Dr. Martin Schulz der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) sitzt, der gleichzeitig als Geschäftsführer Pharmazie der ABDA die übergeordnete Instanz der AMK bildet“, sagt der VAD.

Der Verband verweist auf Berichte der AMK, wonach es in der legalen Vertriebskette nur vergleichsweise wenige Fälschungen gibt. Auch im Faktenblatt Arzneimittelfälschungen der ABDA (Stand 6. März 2018) heiße es, dass dem Bundeskriminalamt zwischen 1996 bis Anfang 2008 insgesamt 49 Fälle von Arzneimittelfälschungen in der legalen Verteilerkette bekannt waren, davon elf Totalfälschungen. Von 38 dieser Fälle sei (auch) Deutschland betroffen gewesen. Weitere oder neuere Daten werden in dem Faktenblatt nicht erwähnt. Es heißt nur, in Apotheken und pharmazeutischen Großhandlungen seien „in den vergangenen Jahren mehrere Einzelfälle von gefälschten Arzneimitteln aufgetaucht, darunter Medikamente gegen Magenerkrankungen und Hepatitis sowie verschiedene Re- bzeziehungsweise Parallelimporte gegen diverse Indikationen“ – Fußnoten verweisen auf einzelne AMK-Meldungen.

Mehrere Fälschungsfälle in den vergangenen Jahren

Tatsächlich gab es seit 2009 einige weitere Fälschungsfälle in der legalen Vertriebskette: 2011 etwa importiertes Botox, 2013 waren es Sutent und Pegasys. Ebenfalls 2013 sorgten überdies Omeprazol-Fälschungen für Schlagzeilen. 2014 und 2015 kamen aus italienischen Kliniken gestohlene Arzneimittel über den Import nach Deutschland. Und das sind noch nicht alle Fälle. Sie bleiben auch vom VAD unerwähnt.

Eine Forderung zur Abschaffung der Importförderung oder Streichung der Importquote oder gar ein komplettes Handelsverbot von Arzneimitteln in der EU findet sich im Faktenblatt allerdings nicht. Und so meint der VAD nun, dass sich die AMK beziehungsweise der anerkannte Pharmakologe Schulz „offenkundig von Teilen der Standesführung für deren standespolitischen Ziele instrumentalisieren lassen“. Dass die Apotheker ihre Probleme mit den Importregelungen haben, zeigte zuletzt etwa die Stellungnahme der ABDA zum Terminservice- und Versorgungsgesetz, in der sie die Abschaffung der Importklausel fordert.

In der gleichen Logik, so der VAD weiter, müssten AMK und ABDA mit Blick auf Fälschungsfälle (zum Beispiel Omeprazol) und systematische Verunreinigungen beim Produktionsprozess (Valsartan) auch die Abschaffung der Rabattverträge für Generika sowie ein grundsätzliches Vertriebsverbot fordern.

Bessere Kontrollen statt Importverbote

Der VAD bleibt der Meinung, dass der Fall Lunapharm nichts mit dem legalen und politisch gewollten Handel mit Arzneimitteln innerhalb der EU zu tun hat. Der Skandal liege hier in den „offenkundig illegalen Aktivitäten eines Kleinsthändlers und der mangelhaften Koordination und Kooperation der zuständigen Ermittlungs- beziehungsweise Aufsichtsbehörden“. Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität und die Absicherung der regulären Lieferkette für Arzneimittel sei eine Gemeinschaftsaufgabe aller Marktakteure – in Verbindung mit einem klaren und problemorientierten Rechtsrahmen sowie wachsamer und durchsetzungsstarker Aufsichtsbehörden. Für den VAD steht fest: „Die legale Lieferkette in Deutschland ist grundsätzlich sicher“. Vor kriminellen Angriffen sei jedoch kein Versorgungssystem per se immun, sodass die Sicherungssysteme und Kontrollmechanismen funktionieren müssten.

Die EU müsse auch dafür sorgen, dass es bei der Zulassung und Kontrolle von Großhändlern, Parallelhändlern und Apotheken mit Großhandelserlaubnis keine Qualitätsunterschiede in den Mitgliedstaaten gibt. Nicht zuletzt verweist der Verband auf das Fälschungsschutzsystem Securpharm, an dem die Importeure bereits beteiligt seien. Dass die ab dem kommenden Jahr greifenden Regelungen zum Fälschungsschutz zumindest in der Anfangszeit an ihre Grenzen stoßen werden, wenn es um in Griechenland oder Italien gestohlene Ware geht, ist allerdings schon jetzt klar.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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