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Proteine: Was bedeutet die biologische Wertigkeit?

Stuttgart - 31.08.2018, 07:00 Uhr

Auf Proteinprodukten ist die biologische Wertigkeit angegeben. ( r / Foto: Syda Productions / stock.adobe.com)               

Auf Proteinprodukten ist die biologische Wertigkeit angegeben. ( r / Foto: Syda Productions / stock.adobe.com)               


Wenn Sportler nach einem Eiweißpräparat fragen – gelegentlich tun sie das auch in der Apotheke–, legen Sie in der Regel Wert auf eine gute biologische Wertigkeit. Aber auch für nierenkranke Patienten spielt sie bei ihrer täglichen Gratwanderung zwischen Mangelernährung und zu hohen Serumharnstoffspiegeln eine Rolle. Was hat es also damit auf sich? 

Wer Muskeln aufbauen will, braucht Eiweiß. Deswegen greifen Sportler nicht selten zu entsprechenden Eiweißpräparaten, die in Form von Shakes (zum Beispiel Megamax oder Isostar) oder Riegeln zum Teil auch in Apotheken vertrieben werden. Auf diesen findet sich zumeist eine Zahl – zum Beispiel 90 oder 100. Was hat es damit auf sich? Die Zahl beschreibt die biologische Wertigkeit von Eiweiß, ein Wert, der zur Abschätzung der Qualität von Proteinen dient. Damit lässt sich quantifizieren, in welchem Ausmaß ein aufgenommenes Nahrungsprotein in körpereigenes Protein umgewandelt werden kann. 

„Mischung aus persönlichen Empfehlungen und pharmazeutischem Wissen“

Was erwarten Sportler von der Apotheke?

Die Höhe hängt vor allem von der Aminosäurezusammensetzung eines Proteins ab: je höher der Gehalt an proteinogenen und essenziellen Aminosäuren, desto höherwertig gilt Eiweiß. Und je höherwertig ein Protein ist, desto weniger braucht man um den täglichen Bedarf zu decken. Das Konzept der biologischen Wertigkeit wurde von dem deutschen Ernährungswissenschaftler Karl Thomas (1883–1969) entwickelt. 

Berechnet wird die biologische Wertigkeit nach folgender Formel:

BW = retinierter Stickstoff / aufgenommener Stickstoff * 100

Hühnerei als Referenz 

Als Referenz gilt mit 100 das Hühnervollei, das heißt die Wertigkeit aller anderen Proteine wird darauf bezogen. Wie geht es dann, dass manche Proteinpulver eine Wertigkeit über 100 aufweisen? Das liegt daran, dass der Wert 100 keiner einhundertprozentigen Umsetzung entspricht, wie man leicht glauben könnte. Daher kann insbesondere mit Kombinationen dieser Wert übertroffen werden. Der Klassiker ist hier Ei und Kartoffeln, die zusammen auf eine biologische Wertigkeit von 136 kommen. Durch geschickte Kombination können Nahrungsmittel mit einer relativ geringen biologischen Wertigkeit zu einer biologisch hochwertigen Mahlzeit werden, da sich die Aminosäurezusammensetzungen der jeweiligen Proteine ergänzen und es somit zu einer Aufwertung kommt. Aber auch Molkeprotein zum Beispiel liegt mit einem Wert von 104 über 100.

Was hat das mit den Nieren zu tun?

Warum ist das für Menschen mit Niereninsuffizienz wichtig? Proteine bestehen, wie gesagt, aus Aminosäuren und diese enthalten, wie jeder Apotheker weiß, Stickstoff. Aus dem überschüssigen Stickstoff entsteht in der Leber Harnstoff, der bei Nierengesunden von den Nieren ausgeschieden wird. Klappt das nicht, reichert sich Blut an, man spricht dann von einer Urämie, dem vermehrten Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut. Harnstoff ist eines von mehreren Urämietoxinen. Der bei Niereninsuffizienz ansteigende Serumharnstoffspiegel trägt damit wesentlich zu Urämiesymptomen wie Haut- und Schleimhautveränderungen, Juckreiz und Polyneuropathien bei. Hinzu kommen Appetitverlust und Übelkeit, die langfristig zu einer Malnutrition führen und Lebensqualität und Lebenserwartung massiv beeinträchtigen.

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Ist weniger Eiweiß essen die Lösung? 

Auf den ersten Blick erscheint es logisch, einfach weniger Proteine zuzuführen, sodass weniger Harnstoff entsteht. Dies jedoch bringt das Risiko einer Eiweißmangelernährung mit sich, die ebenso wie die Urämie die Lebenserwartung verkürzt. Wie viel Protein pro Kilogramm Körpergewicht im Einzelfall zugeführt werden darf, hängt vom Ausmaß der Funktionseinschränkung ab. Wichtig ist, dass bei Verschärfung der Proteinrestriktion, damit diese nicht zu einer Mangelernährung führt, gleichzeitig der Anteil essenzieller Aminosäuren, also die Wertigkeit des Eiweißes, erhöht wird. Die Aufgabe der Ernährungsberatung besteht dann darin, eine Brücke von den theoretischen Ernährungsempfehlungen zur praktischen Umsetzung zu schlagen.

Biologische Wertigkeit verschiedener Proteinquellen
Lebensmittel Biologische Wertigkeit
Vollei (Referenzwert) 100
Kartoffeln  76
Rindfleisch  92
Thunfisch  92
Kuhmilch  88
Edamer Käse  85
Soja  84–86
Reis  81
35% Vollei und 65% Kartoffeln 137
77% Rindfleisch und 23% Kartoffeln 114

 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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