Videoüberwachung in der Apotheke

Wann darf eine Videoaufzeichnung zur Kündigung genutzt werden?

Berlin - 31.08.2018, 09:00 Uhr


                                
                                        


                                        Auch Apothekeninhaber setzen auf Videoüberwachung. Aber wann können ihre Bilder verwertet werden? ( r / Foto: jayzynism / stock.adobe.com)

Auch Apothekeninhaber setzen auf Videoüberwachung. Aber wann können ihre Bilder verwertet werden? ( r / Foto: jayzynism / stock.adobe.com)


Immer mehr Geschäftsinhaber, auch Apothekenleiter, wollen mit einer Videoüberwachung Diebstählen in ihren Geschäftsräumen vorbeugen beziehungsweise die Aufklärung von Straftaten erleichtern. Doch Videoaufzeichnungen greifen in Persönlichkeitsrechte ein und sind daher nur unter strengen Voraussetzungen zulässig und verwertbar. Nun hat sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage befasst, ob ein Arbeitgeber Aufnahmen auch noch Monate nach ihrer Aufzeichnung auswerten darf, wenn ihn der Verdacht beschleicht, ein Mitarbeiter habe gestohlen.

Wie lange darf ein Arbeitgeber Aufnahmen einer Videoüberwachung speichern und sie als Beweis in ein arbeitsrechtliches Verfahren gegen einen Mitarbeiter einbringen? Dazu hat jetzt das Bundesarbeitsgericht ein Urteil gesprochen, das auch für Apotheken von Interesse sein kann. Demnach können Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die zeigen, wie ein Arbeitnehmer etwas stiehlt, auch ein paar Monate später noch zulässigerweise ausgewertet und als Rechtfertigung für eine außerordentliche Kündigung herangezogen werden. Allein der Zeitablauf mache eine solche Speicherung nicht unverhältnismäßig, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Im konkreten Fall hatte eine Frau geklagt, die in einem Tabak- und Zeitschriftenladen mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig gewesen war. Dort hatte der ihr Arbeitgeber – der Beklagte – eine offene Videoüberwachung installiert. Er wollte damit sein Eigentum vor Straftaten von Kunden und Mitarbeitern schützen.

Tatsächlich stellte der beklagte Kioskbetreiber nach seinem eigenen Vorbringen im dritten Quartal 2016 fest, dass ihm Tabakwaren fehlten. Als er im August 2016 seine Videoaufzeichnungen auswertete, habe sich zudem gezeigt, dass die klagende Mitarbeiterin an zwei Tagen im Februar 2016 eingenommenes Geld nicht in die Kasse gelegt habe. Das hatte für die Beschäftigte eine außerordentliche und fristlose Kündigung zur Folge.

Dagegen wehrte sich die Frau mit einer Kündigungsschutzklage. Für die Gerichte galt es bei der Frage, ob die Aufzeichnungen als Beweis genutzt werden dürfen oder nicht, abzuwägen zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an Aufklärung und den persönlichkeitsrechtlichen Belangen der Angestellten. In beiden Vorinstanzen ging es zugunsten der Klägerin aus. Das Landesarbeitsgericht Hamm, die Berufungsinstanz, meinte, die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen könnten nicht verwertet werden. Die Aufnahmen hätten entsprechend datenschutzrechtlicher Vorgaben zum Zeitpunkt der Auswertung bereits gelöscht sein müssen – nämlich „unverzüglich“ und damit jedenfalls deutlich vor dem 1. August 2016.

DSGVO steht Verwertung bei rechtmäßiger Überwachung nicht entgegen 

Der Kioskbetreiber ging daraufhin in Revision. Möglicherweise geht das Kündigungsschutzverfahren nun doch noch zu seinen Gunsten aus. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Klar ist aber schon, dass das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen hat. Hintergrund ist, dass die Revisionsinstanz sich nur noch mit Rechtsfragen, nicht aber mehr mit der Feststellung von Tatsachen befasst. Doch für eine letztgültige Beurteilung des Falls bedarf es nach Ansicht der Bundesrichter noch Feststellungen: Sollte sich danach zeigen, dass es sich im gegebenen Fall um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt hat, dann wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach den Vorgaben des alten Bundesdatenschutzgesetzes zulässig gewesen. Dementsprechend wäre das durch das Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht verletzt.

§ 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG in der bis zum 25. Mai 2018 geltenden Fassung (aF) lautet:

„Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.“

Das Bundesarbeitsgericht führt in seiner Pressemitteilung weiterhin aus, dass der Beklagte das Bildmaterial nicht sofort auswerten musste. „Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah“. Im Hinblick auf das neue Datenschutzrecht, das seit dem 25. Mai gilt, stellt das Gericht zudem klar: Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin im weiteren Verfahren nicht entgegen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2018, Az.: 2 AZR 133/18  



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.