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Der Lunapharm-Skandal zieht seine Bahnen, die Ministerin tritt zurück, die Taskforce zur Aufklärung des Falls veröffentlicht pikante Details und fordert: weg mit der Importförderung. Auch für Big Pharma ist die Importförderung ein Relikt von gestern, also weg damit – Herr Spahn, warum steht die Abschaffung der Importförderung noch nicht in Ihrem High-Speed-Gesetzentwurf (TSVG)? Aufreger der Woche: Die böse Janssen-Company wälzt Preissenkungen auf Apotheken ab und hält nichts von Apothekendienstleistungen. Und das BMG traut den Apotheken keinen alleinigen Verkauf von HIV-Selbsttests zu. Lichtblick: Das Schwabenländle wird offiziell E-Rezept-Testregion.
27. August 2018
Merke, mein liebes Tagebuch, die wirklich wichtigen Themen auf einem Deutschen Apothekertag (DAT) kommen über Anträge ins Programm – nicht über die Programmplanung der ABDA. Das wird auch in diesem Jahr wieder so sein, beispielsweise die Themen Digitalisierung und Honorierung. Bei der Durchsicht des vorliegenden Antragskatalogs zeigt sich, dass zum Punkt Digitalisierung sogar ein eigenes Antragskapitel eingefügt werden musste. Die Anträge zeigen, es gibt zum E-Rezept und anderen digitalen Anwendungen noch viele offene Fragen! Es ist ein Mega-Thema! Und das Honorar stellt die Saarländische Apothekerkammer mit zwei Anträgen ins Blickfeld des DAT. Sie fordert einen höheren Festzuschlag auf Rx-Arzneimittel und ein Gegengutachten zum Honorargutachten. Auch weitere Anträge anderer Mitgliedsorganisationen befassen sich mit Teilaspekten des Honorars. Mein liebes Tagebuch, der Apothekertag verspricht spannend zu werden. Da freut man sich doch auf muntere Diskussionen im Plenum, die dem Podium kein Ausweichen erlauben.
Es muss sichtlich immer erst etwas passieren, damit etwas passiert. Stichwort Valsartan-Krise. Sie legte deutliche Schwächen in der Überwachung und Kontrolle der Wirkstoffherstellung offen, und zeigte auch, wie schwerfällig Arzneimittelrückrufe in Deutschland laufen: Sie liegen in der Hand der Länder. Jedes Bundesland muss den Rückruf starten, auf Bundesebene kann hier nichts veranlasst werden, erklärte der Bundesgesundheitsminister. Und das kann’s in der Tat nicht sein, mein liebes Tagebuch. Spahn will nun prüfen, inwieweit das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) künftig schneller agieren kann. Gut so. Mein liebes Tagebuch, bei aller Liebe zum bundesdeutschen Flickerlteppich – da stößt der Föderalismus eindeutig an seine Grenzen: Entscheidungen wie beispielsweise Arzneimittelrückrufe, aber auch Verbote von dubiosen Arzneimitteln, wie wir sie in der Vergangenheit immer wieder erlebten, müssen bundesweit von Berlin aus möglich sein.
28. August 2018
Da räumt eine bayerische Apothekerin ein paar Globuli-Fläschchen aus dem Sichtwahlregal, weil sie als „ehrliche Apothekerin“ nichts von diesem Hokuspokus hält. Ihre Aktion schafft es in einige bayerische Tageszeitungen, löst wilde Diskussionen aus. Shitstorms im Netz gehen über sie nieder. Einige Kolleginnen und Kollegen drohten sogar, sie bei der Kammer anzuzeigen oder den Pharmazierat auf sie zu hetzen. Mein liebes Tagebuch, unglaublich, welche Emotionalität in Zuckerkügelchen steckt – wie in allen Religionen und Glaubenssachen. Dabei hat die Apothekerin nichts Böses, Unanständiges oder Verbotenes gemacht – sie hat ihre Überzeugung nur publik gemacht. Die überwiegende Zahl an Apotheken in Deutschland dürfte vermutlich ebenfalls kein Sichtwahlregal mit Homöopathika haben, der Platz ist einfach zu kostbar, um Saccharosekügelchen mit lustigen Namen auszustellen. Aber, mein liebes Tagebuch, spitzen wir’s mal zu: Wie weit ist es gekommen, dass eine Apothekerin um ihr Leben bangen muss, wenn sie öffentlich zugibt, von Homöopathie nichts zu halten?
Der Rücktritt der brandenburgischen Gesundheitsministerin Golze war konsequent. Wie der Bericht der Taskforce zeigt, sind in ihrem Ministerium schwere Fehler passiert, es liegen „strukturelle und organisatorische Mängel“ vor. Der Bericht soll zudem schwere Vorwürfe gegen das Ministerium und die Aufsichtsbehörden in Brandenburg erheben. Aber aus dem Bericht gehen weitere pikante Details hervor. So soll bereits 2017 das Bundesgesundheitsministerium von den Vorwürfen gegen Lunapharm erfahren haben. Freilich, zuständig für die Überwachung ist nicht das BMG, aber vielleicht hätte das Ministerium nachfragen können, warum Lunapharm weiterhin trotz bekannter Mängel und fehlender Dokumente weiter mit Arzneimitteln handeln durfte.
Mein liebes Tagebuch, solche Erkenntnisse und der Rücktritt der Ministerin ist das eine. Im Raum stehen allerdings noch viele offene Fragen zum Lunapharm-Skandal: Wie groß ist der gesundheitliche Schaden, der den Patienten durch diesen Arzneimittel-Skandal entstanden ist? Wurden die in Griechenland gestohlenen Arzneimittel auf dem Transport ausreichend gekühlt? Wie viele Patienten haben überhaupt diese Arzneimittel erhalten? Fragen über Fragen – was letztlich zu der Frage führt: Soll es in Zukunft weiterhin möglich sein, dass solche Ex- und Importfirmen im Arzneimittelhandel tätig sein dürfen? Wie schön und sicher wäre es, wenn es nur einen Weg gäbe: Hersteller – Großhandel – Apotheke.
Ok, Pharmafirmen sind umsatz- und gewinnorientierte Unternehmen. Dennoch, sollte man von einem pharmazeutischen Unternehmen nicht auch ethisches Verhalten erwarten können? Schließlich geht es um die Gesundheit von Menschen. Janssen, eine pharmaceutical company von Johnson+Johnson, hält sichtlich nicht viel von solchen Werten. Die Company bekam für ihr HIV-Kombipräparat Symtuza keinen Zusatznutzen attestiert und musste demzufolge ihren Preis senken. Auf dem Lagerwertverlust, 1285 Euro pro 90er-Packung, bleiben nun Apotheken sitzen – Janssen hat entschieden „Preisanpassungen, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben wie dem AMNOG-Prozess notwendig sind, nicht zu erstatten“. Mein liebes Tagebuch, ein starkes Stück, oder? Janssen will zwar vor der Preissenkung informiert haben, aber für manche Apotheken kam dies dann doch zu spät, vor allem, da sie für ihre Patienten zeitnah lieferfähig sein wollten. Eine Stellungnahme von Janssen-Chefin Zemzoum, einer Ärztin, lässt erkennen, dass das Unternehmen von solchen apothekerlichen Dienstleistungen nichts hält. Und überhaupt, Janssen schlägt sogar vor, Apotheken sollten nicht mehr für die Lagerhaltung einkaufen. Die Arbeitsgemeinschaft der HIV-kompetenten Apotheker spricht von menschenverachtendem Verhalten, wenn Janssen in Kauf nimmt, dass Versorgungslücken entstehen, wenn Apotheken ihre Bestände vor dem Stichtag der Preissenkung auf Null reduzieren. Auf seiner Homepage schwafelt Janssen von hohen Zielen, die man sich setzt, von nachhaltigen, effektiven Gesundheitslösungen – mein liebes Tagebuch, Worthülsen, leeres Ethikgeschwätz. Man sollte Firmen, die ihre ethische Verantwortung nicht ernst nehmen, auf eine schwarze Liste setzen. Auch Ärzte können das Verhalten von Janssen nicht verstehen und haben schon ihre Bereitschaft signalisiert, falls möglich therapeutisch gleichwertige Alternativen anderer Hersteller bevorzugt zu verordnen. Übrigens, sämtliche Mitbewerber von Janssen bekommen Preissenkungen ohne Probleme geregelt und wälzen sie nicht auf die Apotheken ab.
29. August 2018
Nochmal Lunapharm-Skandal: Eine vom BfArM gebildete Taskforce, besetzt mit Ärzten und Apothekern der Arzneimittelkommissionen sowie Vertretern von Behörden und Landesregierung empfiehlt in ihrem Untersuchungsbericht über die Vorgänge um Lunapharm, die Importförderung und die Importquote zu streichen und über ein Verbot des Parallelimports von Arzneimitteln nachzudenken. Mein liebes Tagebuch, deutlicher kann man es nicht sagen. Schluss mit dem Importgedöns bei Arzneimitteln, es passt nicht mehr in unsere Zeit und bringt nur zusätzliche Gefahren! Klar, solche Forderungen gefallen dem Verband der Importeure nicht. Er vermutet, dass im Hintergrund die ABDA die Fäden gezogen und die Taskforce instrumentalisiert haben soll – immerhin sitzt mit Martin Schulz von der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker ein ABDA-Mitglied in der Taskforce. Mein liebes Tagebuch, was heißt hier instrumentalisieren! Die hochrangigen Mitglieder der Taskforce haben sich eben den Argumenten von Schulz angeschlossen oder sie sind selbst der Auffassung, dass Importförderung und -quote angesichts der potenziellen Gefahren nichts bringt. Wie formulierte es doch Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, unlängst: „Gäbe es die Importzwänge nicht, gäbe es kein Lunagate.“ Den Taskforce-Bericht sollten sich die Gesundheitspolitiker zu Herzen nehmen und die Quote abschaffen. Das ist überfällig! Auch nach Ansicht des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) kann der Parallelimport die Sicherheit von Arzneimitteln gefährden. Und er führt zu Versorgungsengpässen in den Ländern, aus denen Arzneimittel parallelexportiert werden. Auch für den vfa ist es klar: Weg mit der Importförderklausel, sie ist ein Relikt aus alten Zeiten. Wie wahr, mein liebes Tagebuch.
Sie ist eine der Großen in der Berufspolitik der Apotheker: Magdalene Linz, seit 2000 Kammerpräsidentin von Niedersachsen. Von 2005 bis 2006 war sie auch Präsidentin der Bundesapothekerkammer. Jetzt hat sie ihren Rückzug von der Berufspolitik angekündigt: bei der nächsten Kammerwahl 2019 werde sie nicht mehr antreten: „Es reicht jetzt einfach.“ Und das Leben biete noch andere schöne Seiten als die Berufspolitik. Mein liebes Tagebuch, es sei ihr gegönnt. Dennoch schade, denn sie ist eine äußerst engagierte, kämpferische, pragmatische, praxisorientierte und mit gesundem Menschenverstand ausgestattete Berufspolitikerin, zudem hervorragend vernetzt bis hinein in die Landes- und Bundespolitik. Und was die ABDA betrifft, so ist sie genug geerdet und sieht durchaus, was dort gut und was weniger gut läuft – und sagt es auch. Zu ihrem Credo gehört: „Der Apotheker muss als der Arzneimittelfachmann in der Gesellschaft wahrgenommen werden.“ Mein liebes Tagebuch, es wird für die niedersächsische Kammer nicht leicht werden, einen Nachfolger oder, noch besser, eine Nachfolgerin zu finden. Die Messlatte liegt hoch.
30. August 2018
Schwierig, ganz schwierig: Sollen HIV-Selbsttests demnächst für Laien zugänglich sein, beispielsweise in Drogeriemärkten, übers Internet? Das Bundesgesundheitsministerium sagt ja, die ABDA fordert dagegen die Apothekenpflicht. Mein liebes Tagebuch, für beide Standpunkte gibt es mehr oder weniger gute Gründe. Das BMG möchte mit dem freien Zugang zu den Selbsttests einen möglichst niedrigschwelligen Zugang. Es geht vermutlich davon aus, dass sich bei einem freien Zugang mehr Personen trauen, einen Test zu machen, was dem Präventionsgedanken entgegenkommt – das Ministerium sieht in der Abgabe über die Apotheke demnach eine Hürde. Klar, übers Internet lässt sich ein HIV-Selbsttests natürlich weitgehend anonym, ohne persönlichen Kontakt zu einer Person bestellen, ohne Nachfragen, ohne Hinweise und ohne Beratung. Aber auch mit allen Gefahren und Nachteilen: schlechte Qualität mancher Tests aus dem Internet, keine Hinweise zur richtigen Durchführung und zur Interpretation der Testergebnisse – die Betroffenen werden mit einem positiven Test, der vielleicht auch nur ein falsch-positiver Test ist, alleine gelassen: Das kann für diese Menschen verheerende Folgen haben. Bei allen liberalen Zugangsszenarien – das BMG könnte mit der Apothekenpflicht für den HIV-Selbsttest ein Zeichen setzen: Den Test kann jeder frei in einer Apotheke kaufen, der sich testen will, und es gibt mit dem Apotheker eine kompetente Person, mit der man darüber reden kann, über die richtige Anwendung und die Interpretation von Ergebnissen. Das BMG scheint dies den Apothekern nicht zuzutrauen. Was für ein Zeichen!
31. August 2018
Jetzt steht der Zeitplan für das sogenannte Terminservice-Versorgungsgesetz (TSVG) des Bundesgesundheitsministeriums: Es geht ratzfatz, schon Anfang 2019 könnte es in Kraft treten. Und damit u.a. auch die Rabattsperre für das Großhandelsfixum – das heißt: der Großhandel darf sein Honorarfixum von 70 Cent nicht für Rabatte oder Skonti einsetzen. Aus die Maus. Rabatte und Skonti darf der Großhandel nur aus seinem Zuschlag von 3,15 Prozent (höchstens 37,80 Euro) geben. Für so manche Apotheke wäre das in der Tat bitter, die ABDA hat bereits gegen diesen Passus im Gesetz Stellung bezogen. Noch ist nichts endgültig, der Gesetzentwurf kann durch Anträge aus den Fraktionen geändert werden. Mein liebes Tagebuch, was das TSVG allerdings auch zeigt: Wie hurtig Spahn ein Gesetz aufgleisen und durchpeitschen kann. Sein vielzitiertes Vorhaben zum Rx-Versandverbot dümpelt dagegen vor sich hin, konkret: Es tut sich nichts.
Im Ländle geht’s bald rund: Baden-Württemberg wird zur Testregion für das E-Rezept, das haben Landesgesundheitsministerium Kammer und Verband bekanntgegeben. Nachdem die Ärztekammer Baden-Württembergs bereits ihren Modellversuch zur Fernbehandlung („Docdirekt“) auf den Weg gebracht hat, ist mehr als schlüssig, dass hier auch die E-Rezepte getestet werden. Das Land will den E-Rezept-Test mit einer Million Euro fördern. Mein liebes Tagebuch, es ist jedem klar, dass sich das E-Rezept nicht mehr aufhalten lässt, umso besser ist es, dass wir Apothekers selbst an vorderster Front mitmachen und mitbestimmen können. Erste Tests soll es bereits Anfang des zweiten Quartals geben. Hoffen wir, dass keine falschen Weichen gestellt werden.
16 Kommentare
In wiefern besser?
von Christian Becker am 03.09.2018 um 11:13 Uhr
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hat schon mal einer überlegt,
von Karl Friedrich Müller am 03.09.2018 um 8:55 Uhr
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AW: Zusammengefasst:
von Wolfgang Müller am 03.09.2018 um 12:25 Uhr
Vertrauen
von Reinhard Rodiger am 02.09.2018 um 15:56 Uhr
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Was Herr Spahn/das BMG verkennt...
von Christiane Patzelt am 02.09.2018 um 13:32 Uhr
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AW: Köstlich ...
von Reinhard Herzog am 02.09.2018 um 15:06 Uhr
AW: Was Herr Spahn/das BMG verkennt
von Christiane Patzelt am 02.09.2018 um 17:10 Uhr
AW: Was Herr Spahn/das BMG verpennt
von Bernd Jas am 02.09.2018 um 18:21 Uhr
AW: Was Herr Spahn/das BMG verkennt
von Christiane Patzelt am 02.09.2018 um 20:26 Uhr
AW: Bin etwas erschrocken, liebe Frau Patzelt ...
von Reinhard Herzog am 03.09.2018 um 0:21 Uhr
Phobie
von Karl Friedrich Müller am 02.09.2018 um 10:22 Uhr
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AW: Phobie
von Christian Becker am 03.09.2018 um 10:55 Uhr
Einkaufsvorteile
von Dr.Diefenbach am 02.09.2018 um 10:05 Uhr
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AW: Einkaufsnachteile und anderer Trübsinn
von Bernd Jas am 02.09.2018 um 15:00 Uhr
Der Rabatt verdünnt sich bald!
von Ulrich Ströh am 02.09.2018 um 8:57 Uhr
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....um Ihr Leben bangen muss
von Conny am 02.09.2018 um 8:22 Uhr
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