Jens Graefe (AEP) zur Rabattfixierung im Großhandel

„Heilberuflich orientierte Apotheken müssen die Zeche zahlen“

Berlin - 04.09.2018, 07:00 Uhr

AEP-CEO Jens Graefe im Interview mit DAZ.online: Der Großhandelschef meint, dass insbesondere heilberuflich orientierte Apotheken leiden werden, wenn die Skonto-Möglichkeiten der Großhändler eingeschränkt werden. (Foto: AEP)

AEP-CEO Jens Graefe im Interview mit DAZ.online: Der Großhandelschef meint, dass insbesondere heilberuflich orientierte Apotheken leiden werden, wenn die Skonto-Möglichkeiten der Großhändler eingeschränkt werden. (Foto: AEP)


Was plant das Bundesgesundheitsministerium in Sachen Großhandelsrabatte und -skonti? Im Terminservice- und Versorgungsgesetz ist als Reaktion auf das Skonti-Urteil eine Rabattsperre für das 70-Cent-Fixum der Großhändler vorgesehen. In der Begründung wird sogar eine Begrenzung von Rabatten UND Skonti in Aussicht gestellt. Besonders hart treffen dürfte das den „jungen“ Großhändler AEP, der das Preisgefüge im Großhandelsgeschäft seit Jahren aufmischt. DAZ.online hat bei AEP-Chef Jens Graefe nachgefragt, was eine Skonto-Begrenzung für sein Unternehmen und die Apotheker bedeuten würde.

DAZ.online: Herr Graefe, das sogenannte Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) enthält einige Stellen, die Ihnen nicht gefallen dürften. Fest steht wohl, dass das 70-Cent-Fixum der Großhändler fixiert wird. Zuletzt wurde aber auch darüber spekuliert, ob das Ministerium mit dem Gesetz nicht nur Rabatte sondern auch Skonti einschränken will. Ein Satz in der Gesetzesbegründung lässt diese Lesart zu. Wie lesen Sie den Referentenentwurf?

Graefe: Aus unserer Sicht lässt der Entwurf zwei Lesarten zu. Erstens könnte es sein, dass die 70 Cent bei einer Skontoberechnung nicht mitberechnet werden sollen. Den Skonto dürfte es dann nur noch auf den Gesamtpreis minus 70 Cent geben. Das ist heute schon gelebte Praxis. Die zweite Lesart ist wesentlich extremer und würde bedeuten, dass Rabatte und Skonti in Summe die 3,15 Prozent, also den variablen Anteil des Honorars der Großhändler, nicht übersteigen dürfen. Und das wäre eine Regelung, gegen die aus unserer Sicht gleich mehrere juristische und wettbewerbspolitische Gründe sprechen.

DAZ.online: Fangen wir mal bei den juristischen Zweifeln an…

Graefe: Gegen die einseitige Einbeziehung des Skontos sprechen verfassungsrechtliche Gründe. Durch Skonti unterscheiden sich Großhändler in ihrer Angebotsgestaltung. Großhändler haben mehrere Möglichkeiten zu differenzieren, von denen viele auch geldwert sind, wie etwa Mengenboni, Investitionskredite, Mehrfachbelieferungen, Dividenden etc. Greift man sich nur den Skonto dort heraus, ist das ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Sie müssen auch sehen, dass die Industrie bei der Direktabgabe laut augenblicklicher Gesetzeslage weiterhin Skonti geben dürfte – alleine das wäre ein klarer Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes.

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DAZ.online: Sie meinen also, dass den Großhändlern ein wichtiges Wettbewerbsinstrument genommen würde?

Graefe: Ein wichtiges, und noch viel wichtiger: nur eines von vielen. AEP hat ja den Wettbewerb in einem oligopolistisch organsierten Markt gestärkt. Würden Skonti und Rabatte nun gleichgestellt und beschränkt werden, würde der transparente Wettbewerb auf ein Minimum reduziert, da die dem Großhandel zur Verfügung stehende Marge unverändert bliebe, und auch bei unseren Wettbewerbern die Rx-Rabatte inklusive Skonto im Durchschnitt deutlich über den 3,15 Prozent liegen. Im Übrigen bekommt der Großhandel ja auch Skonti von der Industrie. Unsere Konkurrenten sind teils globale Konzerne, deren Unternehmenswert im hohen zweistelligen Milliardenbereich liegt. Wenn diese Konzerne davon sprechen, dass man im Markt bei den Margen nichts mehr verdienen kann, dann liegt das an deren Preisgestaltung – niemand zwingt diese Konzerne dazu, Rabatte zu geben. Aber wenn ich die Reaktion des Phagro in der Anhörung in der letzten Woche richtig verstanden habe, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass es der feste Wille des Phagro ist, den Wettbewerb zu begrenzen.

DAZ.online: Harter Vorwurf. Was meinen Sie konkret?

Graefe: Der Markt ist ja ohnehin schon unter kartellrechtlicher Beobachtung. Und natürlich haben die großen Player ein besonderes Interesse daran, sich den Markt und die Kunden untereinander aufzuteilen und den Wettbewerb auf ein Minimum zu begrenzen, inklusive einer Verhinderung des Aufkommens neuer Wettbewerber. Genau darum ging es in der letzten Untersuchung des Kartellamtes. Der dann eingeschränkte Wettbewerb könnte für die großen Player im Markt ein Zurück in gute alte Zeiten bedeuten. Um es zu verbildlichen, könnte man sagen: Wenn sich auf der Autobahn alle auf das Tempo 130 einigen, kommen alle gleichzeitig an und keiner kann schneller fahren.

Graefe: Der Phagro argumentiert unehrlich

DAZ.online: Im Worst-Case-Szenario gilt also künftig eine Obergrenze für Rabatte UND Skonti. Was würde das für Ihr Unternehmen bedeuten? Können Sie das schon beziffern?

Graefe: Nein, das ist viel zu früh und ja auch noch Spekulation, weil das Vorhaben noch durch den Bundestag und den Bundesrat muss. Da wir aber eben nicht ein Großkonzern mit Milliarden-Summen in der Hinterhand sind, sind wir aus Liquiditäts- und Risikogesichtspunkten auf einen schnellen Zahlungsverkehr angewiesen. Diese schnelle Bezahlung müssen wir im Wettbewerb natürlich adäquat vergüten, weshalb attraktive Skonti wichtig für uns sind. Fest steht aber, dass es selbst bei einer Skonto-Begrenzung noch Möglichkeiten gäbe, die der AEP und ihren Kunden zur Verfügung stünden und die übrigens auch jetzt schon gang und gäbe sind.

DAZ.online: Damit deuten Sie an, dass Sie nicht der einzige Marktteilnehmer sind, der den Apothekern Boni, Rabatte und Vorteile verschafft, die insgesamt über die 3,15 Prozent hinausgehen?

Graefe: Zuerst einmal: Unsere maximalen Rabatte sind 3 Prozent – und völlig transparent. Wenn der Phagro aber behauptet, dass seine Mitglieder sich in der Vergangenheit ausnahmelos an die Fixierung der 70 Cent gehalten haben, dann ist das ganz einfach unehrlich. Schon heute gibt es beispielsweise Marketing- und Datenliefervereinbarungen, Bonuszahlungen, Kredite, Geldanlagemöglichkeiten,  komplexe Kooperationsmodelle und bei den Genossenschaften Dividendenzahlungen. Das alles sind Wettbewerbsinstrumente, die heute schon weit verbreitet sind.

Zur Person

Jens Graefe ist Diplom-Volkswirt. Seine ersten Stationen absolovierte er beim Industriekonzern MG Technologies (heute GEA Group) und beim Beratungsunternehmen AT Kearney. Anfag der 2000er-Jahre wechselte Graefe zum Beratungsunternehmen Angerman International, wo er Projektleiter war. Zwischen 2003 und 2006 war er Bereichsleiter bei der HSH Nordbank. 2006 wechselte er dann in die Pharmabranche zum Celesio-Konzern, wo er unter dem damaligen CEO Fritz Oesterle für die Bereiche Unternehmensentwicklung und Zukäufe verantwortlich war. In diesen Jahren expandierte Celesio in viele Länder der Welt, Graefe lernte also viel über die Funktionsweisen des Großhandels und der internationalen Apothekenmärkte. Zwischen 2010 und 2012 war er dann Chef einer brasilianischen Celesio-Tochter. Kurz nachdem Fritz Oesterle den Konzern im Juni 2012 verließ, ging aber auch Graefe. Heute ist bekannt: Gemeinsam mit anderen Akteuren bauten beide in der zweiten Jahreshälfte 2012 und Anfang 2013 den Großhändler AEP auf, dessen CEO Graefe seit Januar 2013 ist.

DAZ.online: Kommen wir zu den Apothekern. Was würde dieses Worst-Case-Szenario für den Rohertrag der Pharmazeuten bedeuten? Wie man hört, sollen der BVDAK und die ABDA bei der Fachanhörung dazu im BMG heftig protestiert haben…

Graefe: Auch das lässt sich jetzt noch nicht genau beziffern. An den Kommentaren der Apotheker dazu in der Fachpresse sieht man aber, dass das Thema für die Apotheken eine sehr hohe Relevanz hat. Ich glaube, dass es aber gerade heilberuflich orientierte Apotheker treffen dürfte, die ihren Fokus nicht auf betriebswirtschaftliche Verhandlungen legen.

„Heilberuflich orientierte Apotheker zahlen die Zeche“

DAZ.online: Wie kommen Sie zu dieser Aussage?

Graefe: Ich meine, dass betriebswirtschaftlich orientierte Apotheker, die geschickt verhandeln, Vorteile haben, wenn es um die Frage geht, welche Vorteile man mit dem Außendienst des Großhandels noch heraushandeln kann. Wenn auch Skonti nur noch begrenzt möglich sind, werden sich die Verhandlungen auf andere Felder erstrecken – dann profitieren kaufmännisch versierte  Apotheker wieder, und das sind nicht nur große. Die heilberuflich orientierten Apotheker zahlen dann die Zeche.

DAZ.online: Heißt das nicht auch im Umkehrschluss, dass kleine Apotheken, die nicht in großen Kooperationen sind, zuerst benachteiligt werden?

Graefe: Die Unterteilung zwischen kleinen und großen oder Land- und Stadtapotheken ist nicht zielführend. Wir haben in den vergangenen Jahren knapp 3000 Rechnungen analysiert, die klar zeigen: Die Linie zwischen guten und schlechten Konditionen läuft nicht zwischen großen und kleinen Apotheken. Es gibt sehr große Apotheken mit miserablen Konditionen – gerade im genossenschaftlichen Sektor – und kleine mit Top-Konditionen. Entscheidend ist die kaufmännische Orientierung.

DAZ.online: Zum Abschluss: Was werden Sie also gegen eine mögliche Skonto-Begrenzung unternehmen? Streben Sie eine Verfassungsklage an?

Graefe: Das ist ja noch reine Zukunftsmusik und ich gehe davon aus, dass es nicht zu einer Einbeziehung der Skonti in eine mögliche Rabattgrenze kommt. Im Gesetzestext ist das ja im bisherigen Entwurf auch so nicht vorgesehen. Im Fall der Fälle müssten wir bei der einseitigen Einbeziehung des Skontos dies aber prüfen. Das war ja auch Teil unserer Argumentation im sogenannten Skonto-Prozess. Unser Ansatz ist und bleibt: Bei uns muss man nicht verhandeln. Die Konditionen, die der Apotheker transparent einsehen kann, erhält er auch. Wenn die Skontogewährung eingeschränkt wird, dann würde das unser Geschäftsmodell natürlich treffen. Persönlich glaube ich aber nicht daran, weil ein Skonto unter Kaufleuten gang und gäbe ist – wieso sollte man auf die Idee kommen, das einzuschränken?



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Alles richtig

von Peter Lahr am 04.09.2018 um 11:48 Uhr

Wie will es uns der Gesetzgeber verkaufen, dass der GH 70 Cent verdienen soll, diese sich aus dem HAP plus GH Aufschlag ergeben, dem GH aber weiterhin gestatten weniger als den HAP zu bezahlen wenn er beim Hersteller einkauft. Dann werden aus den gewollt fixierten 70 Cent und einem Maximalrabatt von weiterzugebenden 3,15% nämlich ganz schnell 70 Cent plus Skonto beim Hersteller plus Rabatt beim Hersteller.
Aus der Erfahrung heraus gehe ich aber im Falle einer Änderung des Gesetzes davon aus, dass der GH ebenfalls sämtliche Konditionen gestrichen bekommen MUSS aber den Herstellern dann pauschal von den Kassen der Rabatt den sie dem GH gegeben haben abgezogen wird. Sprich die drei kaufmännischen Stufen bekommen noch mehr eine Planwirtschaft oktroyiert und der Teilnehmer der eigentlich keine kaufmännischen Rechte hat ausser von dem Geld der Versicherten die Rechnungen zu bezahlen, bekommt den Herstellerrabatt, den Zwangsabschlag von uns und in Zukunft noch den vormals gegeben Rabatt der Hersteller an den GH. Wahrscheinlich unterstellt man dann, weil es zu kompliziert ist zu rechnen, pauschal 6-7% was bei 33,66 Mrd Ausgaben abzgl 5 Mrd Honorar und 3% 27,8 Mrd rabattfähigen Umsatz macht, zack und wieder 1,6 -1,9 Mrd pro Jahr an die Kassen. 25,8-Zuzahlung-Rabattverträge-Herstellerabschlag, was bleibt da an wirklichen Kosten über? Bei mir ist der Herstellerabschlag immer so 30% weniger als meine Zuzahlung, also 25,8-4-2-1,4=18,45 Mrd anstatt 33,66 die kolportiert werden, und irgendeiner wundert sich über zweistellige Milliardenreserven der Kassen und wo die wohl herkommen wenn jeder Teilnehmer ausser den Herstellern, dem GH und uns jährlich Erhöhungen zugestanden bekommt, eigentlich zum totlachen wenn es nicht so erbärmlich wäre.

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