Retax nach Belieferung mit Fertigspritzensets

Apotheke muss Verordnungsausschluss erkennen können

Berlin - 05.09.2018, 16:15 Uhr

Was sagt die Lauertaxe? Grundsätzlich darf die Apotheke davon ausgehen: Was hier gelistet und nicht als „nicht abgabefähig“ gekennzeichnet ist, kann zulasten der Kassen abgegeben werden. (c / Foto: WavebreakMediaMicro/ stock.adobe.com)

Was sagt die Lauertaxe? Grundsätzlich darf die Apotheke davon ausgehen: Was hier gelistet und nicht als „nicht abgabefähig“ gekennzeichnet ist, kann zulasten der Kassen abgegeben werden. (c / Foto: WavebreakMediaMicro/ stock.adobe.com)


LSG: Information der Lauertaxe entscheidet

Gegen das Urteil ging die Kasse in Berufung. Doch auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschied zugunsten der Apothekerin: „Eine Retaxierung durfte nicht erfolgen“, heißt es im Urteil. In allen Fällen hätten ordnungsgemäße ärztliche Verordnungen vorgelegen. Und der Arzneilieferungsvertrag stehe dem Vergütungsanspruch nicht entgegen.

Konkret verweist das Gericht auf § 4 Abs. 5 ALV.

§ 4 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 ALV lauten:

Die Apotheken sind zur Nachprüfung der Zugehörigkeit des Versicherten zu der auf der Verordnung angegebenen Ersatzkasse nicht verpflichtet; die angegebene Ersatzkasse ist zur Zahlung verpflichtet, maßgeblich ist das auf dem Verordnungsblatt angegebene Institutionskennzeichen der Ersatzkasse. Verordnungen von

 1. Fertigarzneimitteln, die nach § 34 Abs. 3 SGB V von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen sind,

2. bis 8. (...)

dürfen nicht zu Lasten der Ersatzkassen beliefert werden, es sei denn, sie sind bei bestimmten Indikationsstellungen verordnungs- und erstattungsfähig.

Satz 2 gilt nur, wenn das verordnete Produkt zum Zeitpunkt der Belieferung der Verordnung in der großen deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe) als ein nach den Ziffern 1 bis 7 nicht abgabefähiges Produkt gekennzeichnet ist.

Demnach sei eine Reihe von Fertigarzneimitteln, Pflegemitteln für Kontaktlinsen und Medizinprodukten von der Belieferung zulasten der Ersatzkassen ausgenommen, es sei denn, sie sind bei bestimmten Indikationsstellungen verordnungs- und erstattungsfähig. Dies gelte aber nur dann, wenn das verordnete Produkt zum Zeitpunkt der Belieferung der Verordnung in der Lauer-Taxe als nicht abgabefähiges Produkt gekennzeichnet ist. Die Oxybutynin-Fertigspritzen seien unstreitig in der Lauer-Taxe nicht als nicht abgabefähiges Produkt gekennzeichnet gewesen. Die Apotheke habe damit der von der Kasse angenommenen Verordnungsausschluss nicht erkennen können. Und eine weitergehende Prüfpflicht zur Verordnungsfähigkeit treffe die Apotheke nach dem ALV nicht. Das Gericht verweist darauf, dass dies selbst bei gefälschten Verordnungen oder missbräuchlich verwendeten Rezepten der Fall sei: Auch diese seien nur dann nicht belieferungsfähig, wenn die Apotheke die Fälschung oder den Missbrauch erkennt oder hätte erkennen müssen.

Das Gericht weist überdies darauf hin, dass Fertigarzneimittel, die sich – wie das vorliegende – am 5. September 2005 im Verkehr befunden haben und nach dem 6. September 2005 erstmals der der Zulassungspflicht (§ 21 AMG) unterliegen, weiter in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn für sie bis zum 1. September 2008 ein Antrag auf Zulassung gestellt worden ist (§ 141 Abs. 4 AMG). Dies sei hier geschehen.

Ganz zu Ende ist der Rechtsstreit allerdings noch nicht. Auch wenn das Berufungsgericht die Revision nicht zugelasen hat: Die Krankenkasse hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Urteil des Landessozialgerichts Berlin Brandenburg vom 22. Februar 2018, Az.:
L 1 KR 365/16



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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