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BAH-Diskussionsrunde
Impfende Apotheker, Folgerezepte, Notfallversorgung – Kritik an der ABDA
Sollten Apotheker impfen? Sollten sie in Notfällen Rx-Medikamente abgeben dürfen? Und sollten Apotheker Folgerezepte ausstellen dürfen? Leistungen, die in anderen europäischen Ländern schon gelebte Realität sind. Bei der heutigen Diskussionsrunde auf der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sprachen sich Politiker und andere Experten für mehr Leistungen in der Apotheke aus. Die ABDA wurde teils heftig kritisiert – weil die Apotheker von einer solchen Erweiterung des Leistungsspektrums nicht überzeugt sind.
Am heutigen Donnerstag findet in Berlin die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) statt. Zu der Veranstaltung gehört – wie schon in den Vorjahren – eine prominent besetzte Diskussionsrunde. Geladen waren die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche, der Vize-Chef des GKV-Spitzenverbandes Johann Magnus von Stackelberg, Thomas Müller, seines Zeichens Leiter der Arzneimittel-Abteilung im Bundesgesundheitsministerium sowie Dr. Ralf Mayr-Stein, Vorstandsmitglied beim BAH und bei Meda Pharma tätig.
Wer dachte, die Runde wird sich hauptsächlich mit den aktuellen arzneimittelpolitischen Fragstellungen und dem kommenden Pharmadialog beschäftigen, der hatte sich getäuscht. Denn die meiste Diskussionszeit wurde darauf verwendet, über die Bedeutung der Apotheke vor Ort für die Vor-Ort-Versorgung und über die aktuellen apothekenpolitischen Fragen zu sprechen. Sehr prominent wurde beispielsweise diskutiert, ob die Apotheker nicht einen größeren Stellenwert in der Primärversorgung einnehmen könnten. Der Moderator Dr. Hermann Kortland, Vize-Chef beim BAH, stellte drei Szenarien zur Diskussion: das Impfen in der Apotheke, Folgerezepte ausgestellt von der Apotheke sowie die Notfallversorgung mit Rx-Präparaten ohne ärztliche Verordnung.
Maag: Wir haben viele Szenarien angesprochen
Erstaunlicherweise zeigten sich alle Diskussionsteilnehmer offen und begrüßten große Teile dieser Versorgungsszenarien. Die CDU-Politikerin Karin Maag erklärte beispielsweise, sie hätte nichts dagegen, wenn Apotheker impfen – schließlich könne das Impfungen niedrigschwelliger verfügbar machen. Aus Haftungsgründen sollten ihrer Ansicht nach Folgerezepte aber ausschließlich vom Arzt ausgegeben werden. Bei der Notfall-Versorgung ist Maag aber offen für Diskussionen: Sie habe mit den Apothekern beispielsweise schon über Notfallkoffer gesprochen, die mit Notfallmedikamenten ausgestattet werden und in der Apotheke im Notfall geöffnet werden könnten. Ebenso sei aber auch über ein ärztliches Dispensierrecht in Notfallsituationen gesprochen worden, so Maag.
Reaktion der ABDA: „Lieber nicht“
Dann folgte allerdings der erste Seitenhieb in Richtung ABDA und Ärzteverbände: Was das Impfen in der Apotheke betrifft, habe sie von der ABDA die Antwort erhalten: „Lieber nicht“. Und in Sachen Notfallkoffer und Dispensierrechte sei sie sowohl bei der ABDA als auch bei den Ärzten am Widerstand gescheitert. Schließlich sei danach gefragt worden, wer solche Notfallkoffer ausstattet und wie das vergütet werden könnte. Maags Fazit: „Bei allen diesen Vorschlägen hatte immer die eine oder die andere Seite etwas dagegen.“ Noch deutlicher wurde der BAH-Vorsitzende Jörg Wieczorek. Die Reaktion der ABDA auf die Erweiterung des Leistungsspektrums der Apotheker sei „erschreckend“ und „unverständlich“. Wieczoreks Theorie: „Vielleicht ist die ABDA derzeit zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Das ist aber schade, denn all diese Ideen würden einen wirklichen Mehrwert für die Gesellschaft mit sich bringen.“
ABDA will das Impfen nicht lobbyieren
Die ABDA selbst hat sich erst kürzlich zum Impfen in der Apotheke geäußert. Im Juni 2018 wies sie Teile eines Antrages zurück, den die Apotheker auf der Hauptversammlung des Deutschen Apothekertages 2017 beschlossen hatten. „Nach eingehender inhaltlicher Beratung im Geschäftsführenden Vorstand der ABDA, der sich zum zuständigen Ausschuss erklärt hat, und einem Treffen mit dem Antragsteller wurde im Einvernehmen mit dem Antragsteller beschlossen, die Durchführung von Impfungen in der Apotheke momentan nicht zu lobbyieren, aber Aktionen, die der Impfaufklärung dienen, voll zu unterstützen“, hieß es damals.
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Aber selbst von Stackelberg, der beim GKV-Spitzenverband bald ausscheidet, fand die besprochenen Ideen durchaus sinnvoll. „Wir haben toll ausgebildete Apotheker, die aber den Ruf haben, nur Packungen über den Tresen zu reichen. Gleichzeitig reden wir über einen Ärztemangel bei steigenden Fallzahlen in den Praxen. Es wäre durchaus richtig, darüber nachzudenken, dass man nicht alles auf den Arzt konzentriert.“ Denkbar sei beispielsweise, dass das erste Folgerezept in der Apotheke ausgestellt werde, das zweite aber wieder in der Praxis. Grundsätzlich sah aber auch er große Probleme bei der Haftungsfrage. Außerdem unterstellte er den Apothekern indirekt, dass sie sich mit solchen Geschäftsmodellen bereichern könnten: „Wenn die Apotheker das vehement fördern würden, könnte man auf die Idee kommen, dass sie sich Nebengeschäfte aufbauen wollen.“
Die Grünen-Politikerin Kordula-Schulz Asche steht schon seit längerer Zeit dafür ein, dass der Apotheker mehr Versorgungskompetenz bekommt. Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung hatte sie beispielsweise mehrfach vorgeschlagen, neue Beratungshonorare an die Apotheker zu zahlen und die Apotheker intensiver ins Medikationsmanagement einzubinden. Am heutigen Donnerstag erklärte Schulz-Asche, dass sie insbesondere Impfungen in der Apotheke begrüßen würde, weil die Hürde zum Impfen heutzutage viel zu groß und „kompliziert“ sei.
BMG-Abteilungsleiter Müller: Apotheker soll kein Mini-Arzt werden
BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller, der übrigens selbst auch Apotheker ist, blieb bei dem Thema vage, zeigte aber auch, dass man im BMG über solche Versorgungsmodelle bereits nachgedacht habe. Grundsätzlich sei es sinnvoll, in die „Kooperation zwischen Arzt und Apotheker“ zu investieren. Dass der Apotheker ein „Mini-Arzt“ wird, das sehe er aber skeptisch. Grundsätzlich sei er dafür, dass man OTC-Switches am Arzneimittel festmache, also einzelne Wirkstoffe in die Apotheke entlasse.
BAH und Maag kämpfen noch für das Rx-Versandverbot
Doch damit noch nicht genug Apothekenthemen. Neben den Kompetenzerweiterungen für Apotheker beschäftigte sich die Diskussionsrunde auch mit dem Versandhandelskonflikt. BMG-Abteilungsleiter Müller ließ sich hier nicht in die Karten blicken und verwies darauf, dass Minister Spahn auf dem Apothekertag Lösungen präsentieren wolle. Auch die CDU-Politikerin Maag sagte, sie wisse noch nichts Genaues. Nach wie vor ist Karin Maag aber eine Verfechterin des von der Großen Koalition geplanten Rx-Versandverbotes. Sie wies insbesondere auf zurückgehende Einzelhandelsstrukturen in Vorstädten hin und sagte: „Das will ich bei Apotheken nicht erleben.“ Vor dem EuGH-Urteil habe es ein „ordentliches Miteinander“ zwischen Versandhändlern und Apothekern gegeben, der Markt habe sich in den vergangenen Monaten aber „ungut“ entwickelt. Sie sei deshalb dafür, das Verbot zu prüfen und nur wenn echte verfassungs- und europarechtliche Gründe dagegen sprechen, eine andere Lösung zu wählen.
Auch hier mischte sich der BAH-Chef Wieczorek ein und stellte sich vehement hinter die Forderungen der Apotheker. „Der Rx-Versand stört die Apothekenstruktur. Denn schon heute denken alle großen Krankenkassen darüber nach, Extra-Tarife, also beispielsweise einen DocMorris-Tarif, anzubieten. Das würde die gesamte Apothekenstruktur ins Wanken bringen“, so Wieczorek. Sein Verband wolle daher die Gleichpreisigkeit unbedingt erhalten.
Von Stackelberg: Apotheker können auch im Angestelltenverhältnis eine Apotheke leiten
Bei den Kassen sieht man das ganz anders. Der GKV-Spitzenverband hatte vor einigen Monaten erst ein Positionspapier zum Apothekenmarkt veröffentlicht, in dem weitgehende Deregulierungen stehen. Geht es nach den Kassen, kippt das Fremd- und Mehrbesitzverbot, der Rx-Versand wird ausgedehnt und Boni werden erlaubt. Auf die Frage „Was haben Sie gegen die Apotheke vor Ort?“, antwortete Verbandsvize von Stackelberg: „Mein Gott, wir diskutieren über die Digitalisierung, wir erschließen uns neue Welten. Auch wir wollen die Versorgungssicherheit nicht gefährden. Aber wir sind für breite Einkaufsmöglichkeiten, da gehört der Versandhandel klar dazu. Ich sehe es nicht ein, große Apothekerfamilien mit 15 Apotheken zu unterstützen. Warum können Apotheker größere Apotheken nicht auch im Anstellungsverhältnis führen, das ist doch kein Vorschlag des Teufels.“
Doch der BAH ließ nicht locker. Denn als kleines Abschiedsgeschenk für von Stackelbergs letzte Teilnahme an einer BAH-Mitgliederversammlung gab es ein ganz besonderes Geschenk: einen 50-Euro-Gutschein für die Apotheke des Berliner Kammerpräsidenten Christian Belgardt.
2 Kommentare
Tätigkeiten
von Dr.Diefenbach am 27.09.2018 um 18:02 Uhr
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Um Eines klarzustellen,
von Christiane Patzelt am 27.09.2018 um 14:22 Uhr
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