Gutachten

Sachverständige: Ärzte sollen in Notdiensten dispensieren dürfen

Berlin - 27.09.2018, 17:55 Uhr

 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im
Gesundheitswesen schlägt vor, dass Ärzte in Notdiensten begrenzt Arzneimittel abgeben dürfen. (Foto: Imago)

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen schlägt vor, dass Ärzte in Notdiensten begrenzt Arzneimittel abgeben dürfen. (Foto: Imago)


Dispensierrecht soll auch für BtM gelten

Etwas später im Text wird die Forderung der Gesundheitsexperten dann so zusammengefasst: Ziel müsse es sein, „die Versorgung mit Medikamenten in Notfällen zu erleichtern und den im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst tätigen Ärzten ein Dispensierrecht für ein umschriebenes Notfallsortiment, auch für Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, zu ermöglichen“.

Entlassmanagement: Apotheker sollen Medikation checken

Die Apotheker kommen noch an zwei weiteren Stellen im Gutachten vor. Einerseits geht es um das Entlassmanagement, dem die Experten mehrere Seiten widmen und umfangreiches Änderungspotenzial sehen. Hier wünscht sich der SVR unter anderem, dass die Kompetenz der Apotheker stärker eingebunden wird, um eine Therapietreue nach der Entlassung zu gewährleisten. Wörtlich heißt es: „Darüber hinaus wäre es sinnvoll, wenn verstärkt eine apothekergeleitete Medikationsüberprüfung im Rahmen der Entlassung stattfände. In diesem Zusammenhang sollte ein Medikationsplan erstellt und mit dem Patienten besprochen werden.“

Mehr Einbindungsmöglichkeiten für Apotheker in der Integrierten Versorgung

Außerdem wünschen sich die Experten mehr Einbindungsmöglichkeiten für Apotheker in der Integrierten Versorgung, die in §140a des SGB V festgehalten ist. Dort ist klar geregelt, mit wem die Kassen welche Verträge über besondere Versorgungsprojekte in Selektivverträgen abschließen können. Apotheker waren bislang davon ausgeschlossen. Die Pharmazeuten konnten nur über ein komplexes Konstrukt samt einer Ausschreibung an Integrierten Versorgungsmodellen teilnehmen. Das soll sich nach Vorstellung des SVR ändern. Die Experten schreiben:


Hinsichtlich der im Gesetz vorgesehenen Vertragspartner der Krankenkassen gilt es allerdings  kritisch festzustellen, dass die bisherigen Verträge kaum Krankenhäuser, Rehakliniken, Pflegeeinrichtungen, pharmazeutische oder Medizinproduktehersteller einbeziehen. Im Unterschied zu diesen Organisationen bzw. Gruppen  von Leistungserbringern können die Apotheken nicht unmittelbar als gleichberechtigte Partner an der besonderen Versorgung teilnehmen, sondern nur mittelbar über § 129 Abs. 5b SGB V. Dieser Paragraf setzt für die Beteiligung der Apotheken eine öffentliche Ausschreibung der Angebote voraus, was eine Mitwirkung der Apotheken an der besonderen Versorgung bisher weitgehend verhinderte. Dabei könnten die Apotheken, die für die Patienten häufig die erste Anlaufstelle im Gesundheitswesen darstellen, vor allem durch ihre Unterstützung eines gezielten Medikationsmanagements dazu beitragen, Effizienz und Effektivität  integrierter Versorgungskonzepte zu verbessern. An die Stelle ihrer bisherigen Vergütung würde eine vergleichsweise günstigere Honorierung im Rahmen von netzinternen Vereinbarungen treten.“

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Dispensierrecht im Notdienst

von Peter Kaiser am 28.09.2018 um 0:06 Uhr

Ich verstehe das Problem überhaupt nicht. Jeder Arzt hat in seinem Notfallkoffer Medikamente für lebensbedrohlich Situationen. Adrenalin, Salbutamolspray, Cortison etc. sofern er verantwortungsvoll seinen Notdienst versorgt. Der Fall in Dublin zeigt viel mehr das Problem der ausgedünten Versorgung mit Ärzten. Wenn keine ärztliche Versorgung mehr gegeben ist, sollte ein Pharmazeut, ohne Gefahr zu laufen eine Straftat zu begehen, enie Notfallverordnung vornehmen zu dürfen.
Problem in Dublin wäre damit gelöst gewesen.

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Die Sachverständigen sollten auch den Sachverstand benutzen

von Hummelmann am 27.09.2018 um 20:06 Uhr

Der sehr bedauerliche Zwischenfall in Dublin taugt überhaupt nicht für diese Diskussion. Ohne den Fall zu kennen, bin ich mir sicher, dass der Kollege in Irland bei der Verweigerung der Abgabe nicht wusste, wie lebensbedrohlich die Situation für das Kind war. Wenn sich trotzdem der Sachverständigenrat damit beschäftigen will, dann müsste er sich fragen, warum der Kollege mehr Angst davor hatte für die Abgabe ohne Rezept belangt zu werden, als vor dem drohenden Tod des kleinen Mädchens. Wir müssten also nicht darüber diskutieren, ob der Arzt im Notfall einen Adrenalin-pen abgeben darf, sondern vielmehr, ob der Apotheker rezeptpflichtige Arzneimittel im Notdienst vorab abgeben soll und das Rezept in den Folgetagen nachgereicht werden kann.

Außerdem war der irische Kollege ganz offensichtlich in der glücklichen Lage einen Adrenalin-Pen im Lager zu haben. Ich dagegen warte schon seit dem 29.Mai auf die bestellte Lieferung!! Auf Nachfrage wird empfohlen, das Verfalldatum hoch zu setzen. Eine völlig sinnfreie Empfehlung, solange ich gar keinen Pen auf Lager habe!

Wenn also die Sachverständigen schon mal am Nachdenken sind, dann könnten sie sich gleich mal Gedanken machen, warum bei uns in Deutschland die Liste der nichtlieferbaren Arzneimittel ständig länger wird. Selbst Allerweltsprodukte wie Ibuprofen oder Aspirin complex kann ich derzeit nicht in der benötigten Menge kaufen. Ist Geiz wirklich geil? Müssen wir Arzneimittel so billig machen, dass sich die Lagerung nicht mehr lohnt? Und noch viel wichtiger: Wenn sich die Lagerung für den Hersteller schon nicht lohnt, wie finanziert das dann der Arzt mit Dispensierrecht? Fährt der mit dem Reisebus zum Hausbesuch? Oder braucht der Patient dann immer genau das, was der Herr Doktor gerade dabei hat?
Merke:
"Wenn mein einziges Werkzeug ein Hammer ist, dann schaut jedes Problem aus wie ein Nagel!"
Was nützt uns denn ein Dispensierrecht der Ärzte, wenn die Industrie nicht liefern kann? Wie stellen sich die Herren mit dem Sachverstand eine Versorgung von Notdienstsituation vor? Ist der Arzt für die wirklich wichtigen Fälle (z.B. BTM) zuständig und er Apotheker nur noch für Schwangerschaftstest, Schnupfenspray und Lippenpomade? Vielen Dank. Dann schlage ich mir nicht mehr alle 13 Tage eine Nacht um die Ohren. Babybrei und OB-Tampons nachts um halb drei kann dann auch der Herr Doktor beim Hausbesuch mitbringen. Vielleicht kann er ja die Lagerhaltungskosten mit ein paar Igel-Leistungen aufpeppen.

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AW: Die Sachverständigen sollten auch den

von Karl Friedrich Müller am 27.09.2018 um 20:34 Uhr

Einfach nur

Danke

Für diesen Kommentar

Dispensierrecht im Notdienst.

von Sandra Kruse am 27.09.2018 um 18:53 Uhr

Es ist sicher richtig und wichtig sich auch an dieser Stelle Gedanken um die flächendeckende Versorgung gerade auch im Notdienst zu machen,
mir stellt sich allerdings die Frage, ob der Sachverständigenrat sich eventuell die Mühe gemacht hat, einmal Notdienst-Verordnungen auf - nach Rücksprache...so und so gelöst- zu überprüfen, dann gerade im Notdienst geht selten ein Rezept über den HV-Tisch, bei dem nicht irgend ein fragliches Detail für den Patienten zu klären ist, und teilweise durchaus gravierender Natur.
Das 4 Augen - Arzt und Apotheker - Prinzip aufzugeben, ob das der Patientensicherheit tatsächlich dienlich wäre?

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