BAH-Mitgliederversammlung 2018

Apotheker als Lotse im Gesundheitswesen

Berlin - 28.09.2018, 13:40 Uhr

V. li.: Dr. Martin Weiser (BAH), Carsten Timmering (Dr. Loges GmbH, BAH), Dr. Traugott Ullrich (Willmar Schwabe GmbH), Dr. Ivo Grebe (Internist, Bundesverband Dt. Internisten), Prof. Gerhard Riegl (Wirtschaftswissenschaftler, Hochschule Augsburg), Stefan Fink (Thüringer
Apothekerverband, OTC-Beauftrager der ABDA). (s / Foto: BAH/Pietschmann)

V. li.: Dr. Martin Weiser (BAH), Carsten Timmering (Dr. Loges GmbH, BAH), Dr. Traugott Ullrich (Willmar Schwabe GmbH), Dr. Ivo Grebe (Internist, Bundesverband Dt. Internisten), Prof. Gerhard Riegl (Wirtschaftswissenschaftler, Hochschule Augsburg), Stefan Fink (Thüringer Apothekerverband, OTC-Beauftrager der ABDA). (s / Foto: BAH/Pietschmann)


Wofür braucht der selbstbestimmte Patient heutzutage noch den Apotheker? Und wie gelingt es dem Apotheker wiederum, diesen Patienten an sich zu binden? Darüber diskutierten Ärzte und Apotheker im Rahmen der BAH-Mitgliederversammlung am gestrigen Donnerstag. Die zentralen Punkte: Apotheker müssen Gesundheitslotsen für den Patienten sein und ihm neben Hightech vor allem „Hightouch“ bieten.

Die Digitalisierung setzt Ärzte und Apotheker mächtig unter Druck. Denn: Der Patient verändert sich dadurch. Waren die meisten Patienten früher akzeptierende Informationsempfänger, die auf die Empfehlungen von Arzt und Apotheker vertrauten, so sind sie heutzutage schon meistens vor dem Besuch in der Praxis oder Apotheke sehr gut informiert und möchten selbst über ihre Gesundheit entscheiden. Diese neuen heilberuflichen Herausforderungen waren unter anderem Thema der BAH-Mitgliederversammlung am Donnerstag in Berlin.

Patient braucht Orientierungshilfe bei Gesundheitsfragen

Ist dieser selbstbestimmte Patient eher eine Wunschvorstellung des Patienten, ein Mythos oder bereits Wirklichkeit? Eindeutig beantworten lässt sich die Frage wohl nicht, vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Sich über Gesundheitsthemen zu informieren, ist für Patienten dank des Internets denkbar einfach geworden, und Quellen zur Gesundheitsinformationen bieten sich dort zuhauf. Doch um diesen Informationsdschungel zu lichten, dafür benötigt der Patient heilberufliche Unterstützung und Orientierung – und hier ist der Apotheker gefragt: als Lotse im Gesundheitswesen. Darüber waren sich die BAH-Diskutanten einig: Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes und OTC-Beauftragter der ABDA, Dr. Ivo Grebe, Internist und Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Internisten, Carsten Timmering (Apotheker, Dr. Loges GmbH), Dr. med. Traugott Ullrich (Dr. Willmar Schwabe GmbH) und Prof. Gerhard Riegl, Wirtschaftswissenschaftler mit den Forschungsschwerpunkten Gesundheitsmanagement und Marketing im Gesundheitssektor an der Hochschule Augsburg.

Apotheke bietet sich als Gesundheitslotse an

„Ich habe das Gefühl, je mehr der Patient seine Gesundheitsinformation selbst in die Hand nimmt, umso wichtiger werden Lotsen, die ihm helfen, die richtige Entscheidung zu treffen – und das sind eindeutig der Apotheker und Arzt vor Ort“, erklärte Ullrich. Gerade die Apotheke vor Ort biete einen niederschwelligen Zugang, um die Informationen aus dem Netz einzuordnen.

„Sie müssen aufrüsten beim Kennenlernen der Patienten“

Für diese Lotsenfunktion bedarf es kommunikativer Kompetenzen – und an diesen hapert es wohl derzeit noch. Nicht zuletzt, da sowohl im Medizin- als auch Pharmaziestudium diese eindeutig zu kurz kommen. Grebe sieht in der Kommunikativen Kompetenz eine „urärztliche Aufgabe“. Denn: „Es ist wichtig, diese in der Ausbildung zu verankern“, sagt der Arzt. Mit der Forderung nach einer konkreten Schulung kommunikativen Fähigkeiten bei Heilberuflern ist Grebe nicht allein.

Apple kennt die Herzfunktion besser als der Arzt

„Sie müssen aufrüsten beim Kennenlernen der Patienten“, sagt auch Professor Riegl. „Es geht nicht nur um Aufklärung, sondern es geht um eine neuartige Kommunikation mit dem Patienten“, erklärt Riegl. Wie sieht diese neuartige Kommunikation aus? Laut Riegl sind die Basics hier recht einfach, zumindest vom Prinzip: „Fragen und zuhören“. Nur wer zuhöre, bekomme Daten über seinen Patienten und verstehe diesen. Daten, die Apple oder Amazon bereits längst sammelten. Dank neuester Technologie „weiß Apple über die Herzfunktion der Patienten besser Bescheid als der Arzt“, erklärt Prof. Riegl. Der Wirtschaftswissenschaftler geht noch weiter: „Wir müssen den Patienten verstehen, mit ihm verschmelzen, weil Amazon den Patienten mittlerweile besser versteht als der Arzt“, konstatiert Riegl.

Amazon ist nicht empathisch

Verständlicherweise erntet er hierfür einigen Sturm. Ullrich erklärt: „Medizin ist keine Naturwissenschaft, sondern eine Erfahrungswissenschaft. Was für den einen Patienten gilt, ist nicht zwingend gültig für den anderen“ Amazon habe gute Algorithmen, könne Standards überprüfen und eine Guidance anbieten. „Aber Amazon ist nicht empathisch, der Patient will aber beides high tech und high touch“, erklärt der Mediziner aus dem Hause Dr. Willmar Schwabe. In Deutschland würden mehr OTC- als Rx-Arzneimittel verkauft, und alle Informationen seien hier gleich gültig. Welche Inhalte valide im Sinne der Evidenz seien und für den Patienten überhaupt relevant, könne der Patient nicht entscheiden.

Apotheker und Ärzte müssen Kollateralschäden abfangen

Diese Neugier der Patienten trägt nach Ansicht Grebes nicht immer zum Gesundheitsbewusstsein bei. Denn nicht zuletzt müssten Ärzte und Apotheker diese Kollateralschäden dann in der Offizin oder Praxis auffangen. Der Arzt denkt nicht, dass die Digitalisierung den persönlichen Arzt- oder Apothekerkontakt ersetzt. Er ist überzeugt, dass auch in 30 Jahren Patienten noch eine heilberufliche Orientierung brauchen. „Wir müssen Transparenz, Vertrauen und kommunikative Kompetenz leben, den Patient ernst nehmen, dann gelingt es uns auch, ihn an uns zu binden. Die Grundmenschlichkeit der Behandlung dürfen wir niemals aus der Hand geben.“ Und weiter: „Ich glaube nicht, dass Doktor Google den Patienten besser versteht als wir“.

Apotheke muss Digitalisierung begleiten

Diese Ansicht teilt der Apotheker Stefan Fink. Er erklärt: „Das Vertrauen der Patienten erfahren wir nur im Gespräch“. Medikationsanalysen seien gesellschaftliche Leistungen, die jemand machen müsse – „und die Apotheke bietet sich da an“. Nach Ansicht Finks löst eine Digitalisierung dieses Problem nicht, denn auch in der digitalen Welt müsse sich schließlich jemand um diese Daten kümmern. Allerdings müsse auch die Apotheke diese „Demokratisierung“ mitgehen und dem Patienten digitale Werkzeuge anbieten – wie Bestell-Apps oder dass die Patienten direkt sehen, ob die gewünschten Arzneimittel vorrätig seien.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Ich bleibe ganz bei mir und beleidige keinen meiner KollegInnen

von Christiane Patzelt am 28.09.2018 um 14:01 Uhr

Aber für mein Verständnis bin ich die Hure des Gesundheitswesens!
Ich korrigiere Fehler Anderer, ich werde für Fehler Anderer finanziell abgewatscht! Ich werde seit Jahren Honorartechnisch von der Politik IGNORIERT, ich bin der Ausputzer für Dienstleistungen, die gar nicht oder prekär bezahlt werden (ich muss euch nichts aufzählen...),
Ich darf mir alle 4 Jahre überlegen, ob es sich noch lohnt — viele von uns haben schon geschmissen!
Hört auf, uns auf Podien sitzend Märchen zu erzählen! Seit verdammten 2 JAHREN !!
Warten wir auf eine bundesdeutsche Reaktion bezüglich der RX-Boni —- gemunkelt wird, wir sollen jetzt auch Rabatte geben ——Leute????? Wovon??? Unsere Honorierung auf Basis der Zahlen 2002 lassen uns 16 Jahre später verdammt alt aussehen!!

Studiert hab ich genau dafür —Gesundheitslotse!
Abgenuckelt von der Politik bleibt nur noch das Gefühl, die Gelegenheitsgeliebte gegen Hungerlohn zu sein!!

Das sind meine Befindlichkeiten, sollte sich jemand ähnlich fühlen, ist es reiner Zufall!!

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