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Steht der Apothekerberuf an einem Scheideweg?

Berlin - 01.10.2018, 11:30 Uhr

Ist der Berufsstand für die Zukunft gerüstet? Von Rechtsprechung, Kommunikation bis Digitalisierung frischten die Mitglieder des LAV Brandenburg vergangenen Freitag auf Schloss Neuhardenberg ihre Kenntnisse auf. (m / Foto: LAV Brandenburg)

Ist der Berufsstand für die Zukunft gerüstet? Von Rechtsprechung, Kommunikation bis Digitalisierung frischten die Mitglieder des LAV Brandenburg vergangenen Freitag auf Schloss Neuhardenberg ihre Kenntnisse auf. (m / Foto: LAV Brandenburg)


Dürfen Versandapotheken Erotikspielzeug verkaufen? Sind Placebos die besseren Medikamente? Und ist unser Berufsstand durch künstliche Intelligenz ersetzbar? Am vergangenen Freitag setzte sich der Landesapothekerverband Brandenburg auf seinem jährlichen Apothekerforum unter anderem mit der Zukunft des Apothekerberufes im digitalen Zeitalter auseinander.

Das idyllisch gelegene Schloss Neuhardenberg bietet eine ideale Atmosphäre, um ungestört in sich zu gehen: Auf dem Apothekerforum am vergangenen Freitag diskutierten die Mitglieder des Landesapothekerverbandes (LAV) Brandenburg unter anderem über die Bedeutung von Gesundheitskompetenz, den Stand der aktuellen Rechtsprechung sowie die Chancen und Risiken für die Apothekerschaft durch die digitale Transformation.

Die Fortbildung wurde moderiert vom LAV-Vorsitzenden Olaf Behrendt. Als Referenten waren vor Ort: Professor Sven Benson, Uniklinik Essen; Professor Marie-Luise Dierks, Medizinische Hochschule Hannover; Patricia Kühnel, Rechtsanwältin, und Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein.

Behrendt für Abschaffung der Importquote

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LAV-Chef Olaf Berendt fordert nachvollziehbare Vertriebswege für Arzneimittel.

Behrendt warnte in seiner Begrüßung vor einer Bagatellisierung von Arzneimitteln. Diese „besonderen Güter“ erforderten klar nachvollziehbare Lieferwege. Dies haben die Vorfälle rund um den in Mahlow ansässigen Händler Lunapharm verdeutlicht. Der LAV-Chef begrüßt es, dass sich der Landtag für eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Importquote einsetzen werde. Wie im Vorjahr werden die Apothekerverbände Brandenburg und Berlin auch beim diesjährigen Apothekertag einen Antrag stellen, die Importförderklausel zu streichen.

Placeboeffekt: Mehr Sein als Schein

Im Vortrag des Psychologen Banson konnten die Apotheker lernen, dass der Placeboeffekt mehr als nur Einbildung ist. Der Psychologe stellte mehrere Studien vor, bei denen die erwünschten Placebo- aber auch unerwünschte Nocebowirkungen in Hirnscans sichtbar gemacht wurden. Diese neurobiologischen Auswirkungen von Scheinmedikamenten wurden unter anderem bei Schmerzen, Reizdarmsyndrom aber auch bei einer Arthroskopie-Scheinintervention gezeigt. In einer Migränestudie ließen sich Placebowirkungen sogar bei denjenigen Probanden nachweisen, die darüber informiert wurden, dass sie ein Scheinmedikament erhielten.

Banson stellte klar heraus, welchen Einfluss die Empathie der Studienärzte auf den messbaren „Erfolg“ der Scheinmedikamente hatte. Diese Erkenntnisse lassen sich problemlos auf den Apothekerberuf übertragen. Denn im positiven Falle wirkt der Placeboeffekt additiv auf den reinen pharmakologischen Effekt eines Arzneimittels. Apotheker können diesen verstärken, indem sie in der Beratung den Fokus auf den Nutzen von und mögliche Behandlungserfolge durch das Arzneimittel legen, aufmerksam und empathisch zuhören sowie offene Fragen stellen.

Die Macht der Sprache

Stellt man im Beratungsgespräch offene Fragen, kommt es auf das „Wie“ an, verdeutlichte Marie-Luise Dierks, die zu Patientenorientierung und Gesundheitsbildung forscht, in ihrem Vortrag über Gesundheitskompetenz. So klingt die Formulierung „welche Fragen haben Sie?“ einladender, tatsächlich Fragen zu stellen, als „haben Sie noch Fragen“. Empathie und eine klare einfache Sprache kann Brücken bauen und das Vertrauen stärken. Denn viele Kunden scheuen sich, ihren Arzt oder Apotheker zu fragen, wie ihre Medikamente anzuwenden sind. Dabei hilft auch der Beipackzettel nicht immer weiter, denn etwa ein Viertel der deutschen Bevölkerung kann nur langsam oder fehlerhaft lesen und schreiben.


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Die Sprache bei der Apothekenberatung sollte sich an der Gesundheitskompetenz des Kunden orientieren, findet Marie-Luise Dierks.

Der Apotheke als niedrigschwellige Anlaufstelle in Gesundheitsfragen kommt dabei eine verantwortungsvolle Aufgabe zu. Denn ein mangelndes Wissen über die eigene Erkrankung kann Medikationsfehler und dadurch eine schlechte Prognose und mehr Krankenhausaufenthalte zur Folge haben. Schätzungen zufolge entfallen auf das deutsche Gesundheitssystem etwa 9 bis 15 Millionen Euro Kosten, die auf eine unzureichende Gesundheitskompetenz zurückzuführen sind.

Von Erotikspielzeug und Ohrsteckern

Apothekenrecht kann auch unterhaltsam sein, wie die Rückschau zur aktuellen Rechtsprechung von Rechtsanwältin Patricia Kühnel zeigte. Über die meisten Gerichtsentscheidungen hatte DAZ.online bereits berichtet. Zwei Beispiele zeigen auf humorige Weise, wo aus juristischer Sicht eben nicht die Zukunft der Apotheke liegt: So versuchte eine Versandapotheke, den Verkauf von Erotikspielzeug damit zu begründen, dass diese Waren der Entspannung dienen und damit als gesundheitsfördernd gelten würden. Doch das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen kam am 10. Januar 2017 zu dem Schluss, dass Vibratoren nicht zu den apothekenüblichen Waren gehören.

Auch das Stechen von Ohrlöchern ist keine apothekenübliche Dienstleistung. Zu diesem Schluss kam vor drei Jahren das Landgericht Wuppertal.

Digitalisierung geht nicht weg

„Wir sind jetzt an einem Scheideweg“, eröffnete Peter Froese, der Vorsitzende des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, den Abschlussvortrag über Chancen und Risiken für die Apotheke durch die Digitalisierung. Die Digitalbranche folge ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten, Investorenkapital und Innovationen seien die Triebfedern. „Wenn wir Apotheker nicht überrollt werden wollen, müssen wir uns aktiv einbringen. Denn Digitalisierung geht nicht mehr weg“, verdeutlichte der Apotheker.

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Wenn Digitalexperte Froese über disruptive Prozesse im Apothekenwesen spricht, ist der Saal meist mucksmäuschenstill.

Wenn sich unser Berufsstand aber aktiv einbringe, biete die digitale Transformation große Chancen, meinte Froese. So könne durch Securpharm die Sicherheit eines Arzneimittels patientenindividuell verfolgt werden. Mittels Sensortechnik – etwa durch EKG-Applikationen in Armbanduhren – können Apotheker und Arzt gemeinsam beobachten, wie gut ein Patient sein Arzneimittel verträgt. Durch die Nutzung von Messenger-Diensten würden Apotheker einen weiteren, niedrigschwelligen Zugang zu ihren Patienten bekommen.

Bedrohung oder Chance?

Künstliche Intelligenz könne Apothekeraufgaben übernehmen, wie etwa Fachartikel auswerten oder Rezepttaxierungen überprüfen. Dies könnten Apotheker einerseits als Bedrohung, andererseits auch als Chance sehen. Denn durch die Entlastung von bürokratischen Aufgaben bliebe mehr Zeit für die Beratung.

Ähnlich zweigeteilt verhält es sich, laut Froese, auch beim nahenden E-Rezept: Dies könne den Arbeitsalltag in der Apotheke erheblich vereinfachen – vorausgesetzt, die elektronischen Verordnungen werden auch in die Apotheke und nicht etwa via Handy zu fachfremden Distributoren wie etwa Amazon geleitet.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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