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Impfende Apotheker – nicht mit der ABDA. Während in anderen Ländern Apotheker mehr Kompetenzen erhalten, will unsere Berufsvertretung davon nichts wissen. Und das Thema nicht anpacken. Aber es gibt bereits Strömungen, die das ändern wollen. Außerdem in dieser Woche: Krisensitzung bei der ABDA wg. Apotag und Spahn. Was tun? Am Rx-Versandverbot kleben bleiben oder auf andere Angebote eingehen? Alles auf eine Karte setzen oder verhandlungsbereit bleiben? Insider-Gerüchten zufolge ist die Kehrtwende weg vom Rx-Versandverbot schon gesetzt. Nächste Woche auf dem Apothekertag gibt’s die Bescherung.
1. Oktober 2018
Impfende Apotheker – damit kann man unserer Berufsvertretung ABDA zurzeit so richtig Angst machen! Apothekerinnen und Apotheker können sich vorstellen, zu impfen, auch das noch! Das geht doch gar nicht – ist unsere Standesführung überzeugt und will das Thema partout nicht anpacken. Vor allem der Ärzte wegen. Die könnten nämlich auf die böse, böse Idee kommen und das Dispensierrecht für Arzneimittel fordern. Na sowas, mein liebes Tagebuch! In der Tat poltern bei dem apothekerlichen Begehren, die Impfspritze zu zücken, einige vor allem ältere Ärzte, dass sie impfende Apotheker nicht wünschen und entsprechend reagieren würden. Lassen wir uns mal von ein paar Altvorderen nicht einschüchtern. Denn: Es geht doch nicht darum, alle nur erdenklichen Impfungen zu übernehmen, es geht beispielsweise um die Grippeimpfung. Wenn Apotheker Impfungen anböten, ginge die Durchimpfungsrate in der Bevölkerung steil nach oben, wie Beispiele aus anderen Ländern (z. B. USA, Großbritannien, Irland, Kanada, Schweiz) zeigen, in denen Apotheken dies tun dürfen. Und hier? Fakt ist, dass laut einer aktuellen Umfrage auch deutsche Apothekerinnen und Apotheker dem Thema Impfen offenbar mehrheitlich aufgeschlossen gegenüberstehen. Und denjenigen, die nicht wollen oder sich nicht trauen oder denen die Weiterbildung dazu zu viel ist, sei gesagt, dass sie nicht müssen. Fakt ist auch, dass sich der letztjährige Apothekertag in einem Antrag dafür aussprach, dass in Apotheken Auffrischimpfungen möglich sein sollten. Die ABDA scheint dies zu ignorieren. Apotheker sollten lieber Impfpässe kontrollieren und Impfberatungen machen. Doch irgendwie wabert der Impfwunsch von Apothekern weiter durch die Szene. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller macht sich bereits stark dafür und der Bundesverband der Apothekenkooperationen bietet dem Gesundheitsministerium an, zur Verfügung zu stehen, wenn ein Konzept und Pilotprojekt zum Thema Impfen in Apotheken erarbeitet werden soll. Mein liebes Tagebuch, das Thema geht so schnell nicht weg, auch wenn die ABDA wegschaut.
Konsequenzen aus der Lunapharm-Affäre, klar, aber welche? Könnte es da sein, dass ein systematisches Sicherheitsproblem vorliegt? Etwa auch Sicherheitslücken im Importgeschäft? Und Behördenversagen? Wie die Antworten einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion an die Bundesregierung zeigen, scheint das Bundesgesundheitsministerium einigen Fragen auszuweichen. So heißt es beispielsweise: „Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, die Regelungen zum Parallelhandel mit Arzneimitteln noch sicherer zu gestalten. Aus Sicht der Bundesregierung existieren keine Regeln, die zu einem Behördenversagen führen.“ Mein liebes Tagebuch, solche Antworten sind mehr als butterweich, wischiwaschi. Den Parallelhandel „noch sicherer machen“? – ja, ist er denn heute schon sicher? Mitnichten! Und wie sollte das Sicherer-Machen geschehen? Die besten Antwort wäre gewesen: Wir setzen uns für eine Abschaffung des Parallelhandels ein. Alles andere ist Kokolores.
2. Oktober 2018
Die Ausweitung der apothekerlichen Kompetenzen ist auch für Dänemarks Apotheker ein großes Thema. Der dänische Apothekerverband kämpft seit Jahren darum, dem Apotheker eine neue Rolle im Gesundheitswesen zuzuschreiben. Dort hat die Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Apotheker dazu ermächtigen soll, patientenindividuelle Abgaben anzuordnen (auch bestimmte Rx-Arzneimittel!), Folgerezepte auszustellen und selbst beliefern zu können. Außerdem sollen sich Apotheker mit Ärzten und Kliniken über die Medikation der Patienten austauschen. Und ein extra Honorar soll es außerdem dafür geben. Apotheker, die sich für diese neue Rolle interessieren, sollen sich nach einer entsprechenden Weiterbildung „Behandlungspharmazeuten“ nennen dürfen. Mein liebes Tagebuch, hört sich gut an, aber was man dabei noch wissen sollte: Der Gesetzentwurf kam zustande, weil die Apotheken bittere Pillen schlucken mussten (Liberalisierung des Mehrbesitzverbots) und die Politik ihnen einen Ausgleich dafür versprochen hatte. Immerhin, die dänische Regierung scheint Wort zu halten. Wäre das ein gedanklicher Ansatz für Deutschland? Wenn schon unsere Regierung nichts dafür tut, den Rx-Versand zu verbieten und uns Apothekers einen unfairen Wettbewerb mit ausländischen Versendern zumutet, wie wäre es dann mit mehr Kompetenzen und Zusatzhonoraren für Apotheker? Kompetenzen, die nur in Vor-Ort-Apotheken erfüllt werden können! Aber leider mauert da unsere Berufsvertretung und will neue Rollen von Apothekern im Gesundheitswesen (z. B. Folgerezepte, Rx-Notfallabgabe, Grippeimpfungen) so gar nicht diskutieren. Sogar der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller würde solche neuen Ansätze begrüßen. Wann wird endlich auch bei uns über den neuen Apotheker im Gesundheitswesen diskutiert?
4. Oktober 2018
Krisensitzung des ABDA-Gesamtvorstands vor dem Apothekertag. Wie soll es nun im Rx-Versandhandelskonflikt weitergehen? Für welche Richtung soll sich die ABDA stark machen? Festkleben am Rx-Versandverbot? Oder darf auch schon mal an Alternativen gedacht werden? Mein liebes Tagebuch, es darf, zumindest ein bisschen: Mögliche alternative Vorschläge dürfen diskutiert und geprüft werden. Na, immerhin traut man sich mal daran zu denken, dass es nicht so kommen könnte, wie man es sich wünscht. Aber andererseits bleibt die ABDA-Hauptlinie nach wie vor bestehen: die Herstellung der Gleichpreisigkeit, der einheitliche Abgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (ist la auch noch immer die gültige Beschlusslage bei der ABDA) – und das geht aus Sicht der Standesvertretung nun mal am besten mit dem Rx-Versandverbot. Und dennoch hört man die kritischen Stimmen, die zu bedenken geben, dass die Chancen für dieses Versandverbot in der Tat schlecht stehen, politisch wie juristisch. Und wie soll sich die ABDA nun vor diesem Hintergrund verhalten? Wie will man mit Spahn auf dem Apothekertag umgehen? Mein liebes Tagebuch, nichts Genaues weiß man nicht und eigentlich ist noch alles so klar bzw. unklar wie vorher. Denn was Spahn auf dem Apothekertag aus dem Hut zaubert, welche Lösung er präferiert, mit der keine Rx-Rabatte mehr in Deutschland zulässig sind, steht in den Sternen. Wird er den Apothekern vielleicht sogar eine irgendwie geartete Honorarerhöhung anbieten, wenn sie vom Rx-Versandverbot abrücken? Also, lieber eine sichere (kleine) Honorarerhöhung und vielleicht bezahlte Dienstleistungen oder ein juristisch vollkommen unsicherer Weg zum Rx-Versandverbot mit dem Ende, dann ohne etwas dazustehen? Mein liebes Tagebuch, wird das die berühmte Entscheidung zwischen dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach? Kein Apothekertag war spannender als der kommende.
Und die Gerüchteküche brodelt! Hört man in die Szene hinein, soll Spahn vorgeschlagen haben, sich entweder für die Einführung eines Rx-Versandverbots stark zu machen oder als Alternative auf das Verbot zu verzichten und über eine Weiterentwicklung der Arzneimittelpreise und die Implementierung eines Medikationsmanagements usw. zu sprechen. Auf der Sitzung des ABDA-Gesamtvorstands soll es eine geheime, schriftliche Abstimmung gegeben haben, welche Richtung denn verfolgt werden solle. Die überwiegende Mehrheit der Kammer- und Verbandsvorstände soll sich dafür ausgesprochen haben, auf ein Rx-Versandverbot zu verzichten. Mein liebes Tagebuch, das sieht dann nach dem Spatz in der Hand aus. Und die ABDA verbiegt sich noch gewaltig, wie man diese Kehrtwende nun an die Basis bringt. Na, das wird alles noch mehr als lustig.
Eigentlich dachten wir mal, Jens Spahn ist Gesundheitsminister. Mein liebes Tagebuch, das ist nur zum Teil richtig. Denn eigentlich ist er mehr. Viel mehr. Zumindest tut er alles dafür, dass kein Zweifel mehr daran besteht: Ich kann Kanzler. In einem Gastkommentar im „Tagesspiegel" legt er „seine Idee von einer Politik der lebensklugen Mitte dar“. Sein Elaborat über eine „vernünftige, lebenskluge Mitte“, großspurig überschrieben mit „Wie ich mir Deutschland vorstelle“, liest sich wie eine Abhandlung über seine Unzufriedenheit mit der Merkelschen Politik, ein Plädoyer für einen Kurswechsel, ja, es ist sein Kursbuch, was er alles ändern würde, damit Deutschland endlich wieder sein Deutschland wird. Ein Gesundheitsminister schwimmt sich frei. Und läuft sich warm für den Sprung nach oben. Mein liebes Tagebuch, nett, wenn ein Gesundheitsminister seinen Gedanken freien Lauf lässt – aber ehrlich gesagt, hätten wir es nicht lieber, wenn er sich um sein Ressort kümmern würde? Wenn er erstmal seine Hausaufgaben machen würde? Wenn er und sein Ministerium endlich mal zu einer Meinungsbildung käme, wie man die Gleichpreisigkeit bei Rx-Arzneimitteln herstellt oder zumindest unfaire Wettbewerbsbedingungen zwischen Vor-Ort-Apotheken und ausländischen Versendern abschafft? Das wäre ein Deutschland, wie wir es uns vorstellen, Herr Spahn!
Noch so ein echter Spahn-Coup: seine US-Reise und sein Termin im Weißen Haus! Ja, mein liebes Tagebuch, unser Gesundheitsminister fährt nach Amerika und trifft sich dort mit John Bolton, dem Sicherheitsberater und engem Vertrauten von US-Präsident Donald Trump. Warum? Na klar, man muss sich doch ausführlich über die Gefahr durch Bio-Terrorismus austauschen. Spiegel online titelte dazu: „Spott für Spahn“. Denn unter Berliner Diplomaten habe Spahns Vorstoß eher für Kopfschütteln gesorgt. Nicht zuletzt die Art und Weise, wie das Treffen angebahnt wurde. Der mit Spahn befreundete US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, soll das Treffen im Weißen Haus angebahnt haben. Der Spiegel charakterisiert den Diplomaten Grenell als „laut, modern, offen schwul und erzkonservativ“. Laut Spiegel soll der US-Botschafter Grenell den Gesundheitsminister Spahn als aufstrebenden Konservativen, treuen Amerika-Freund und möglichen künftigen Kanzler avisiert haben. Mein liebes Tagebuch, da schau an. Was der Spiegel auch meldet: „Die Diplomaten begründen ihren Spott auch damit, dass Spahn Fachgespräche zu seinen Themen offenbar nicht so wichtig waren wie der Termin bei Bolton. Seinen Amtskollegen, US-Gesundheitsminister Alex Michael Azar, traf Spahn in Washington nicht.“ Mein liebes Tagebuch, man kann da wirklich nur den Kopf schütteln.
5. Oktober 2018
DocMorris ist auch auf dem spanischen Markt zugange. Einem Bericht der Wirtschaftswoche zufolge rühmt sich der niederländische Päckchenpacker, Medikamente in Spanien innerhalb einer Stunde auszuliefern. Wie er das macht? Über eine erst im Sommer 2018 gekaufte Internet-Plattform, die als Geschäftsmodell eine Bestellplattform hat, die Käufer mit Verkäufern zusammenbringt, also den Apothekenkunden mit spanischen Vor-Ort-Apotheken. Bestellt ein Kunde Arzneimittel, wird die Bestellung an eine Vor-Ort-Apo weitergeleitet, wo der Kunde dann seine Arzneimittel abholen oder sich nach Hause liefern lassen kann. Mein liebes Tagebuch, im Prinzip ist dies also das Modell, das der Pharmahändler Noweda derzeit in Deutschland umsetzen will. Ob das Modell in Spanien tatsächlich schon funktioniert und genügend Apotheken bei diesem Deal mitmachen, um Kunden in einer Stunde zu beliefern, ist nicht bekannt und muss bezweifelt werden. Und man fragt sich natürlich, welche Provision DocMorris von den Apotheken für die Kundenvermittlung einstreicht. Die ZurRose/DocMorris-Chefs haben bereits angekündigt, das Modell nach Frankreich und Italien zu bringen. Und nach Deutschland? Keine Frage für den DocMorris-Boss, dass das Modell auch für Deutschland denkbar wäre. Mein liebes Tagebuch, ob sich genügend Apotheker fänden, die auf Rechnung des Versenders Arzneimittel verkaufen? Früher hätte man geschworen: niemals. Mittlerweile kommt man zur Einschätzung: Nichts ist unmöglich, wenn man weiß, dass deutsche Apotheker auch für Amazon arbeiten.
Übrigens, mein liebes Tagebuch, das ABDA-Datenpanel ist online. „Das ABDA-Datenpanel hat das Ziel“, so heißt auf der ABDA-Seite, „durch eine Online-Befragung verlässliche Daten der öffentlichen Apotheken zu generieren. Diese unterstützen die gemeinsame Interessenvertretung der Apothekerschaft auf Bundes- und Landesebene gegenüber Politik, Krankenkassen und Medien. Am ABDA-Datenpanel teilnehmen kann jeder Apothekeninhaber und Apothekenleiter einer öffentlichen Apotheke. Also, auf, auf, liebe Apothekenleiter, und teilnehmen – wenn’s denn noch hilft.
15 Kommentare
Arzneimittelsicherheit: keine Aufgabe für Apotheker?
von Beate Kirk am 08.10.2018 um 19:52 Uhr
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Verunglimpfen…?
von Gunnar Müller, Detmold am 07.10.2018 um 14:30 Uhr
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Nochmal hier und heute
von gabriela aures am 07.10.2018 um 14:27 Uhr
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AW: Einkaufskonditionen ausländischer Versand – Apotheken
von Gunnar Müller, Detmold am 07.10.2018 um 15:08 Uhr
Veit Eck
von Dr.Diefenbach am 07.10.2018 um 13:49 Uhr
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Impfen
von Dr. Michael Wedler am 07.10.2018 um 12:48 Uhr
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Unsere Fragen vom 3. Oktober an Jens Spahn (Info: ABDA)
von Gunnar Müller, Detmold am 07.10.2018 um 11:31 Uhr
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Showveranstaltung oder Aufbruch?
von Veit Eck am 07.10.2018 um 11:13 Uhr
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Gegen die Basis
von Karl Friedrich Müller am 07.10.2018 um 10:50 Uhr
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Apotag /Vorinfos
von Dr.Diefenbach am 07.10.2018 um 10:10 Uhr
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@Gunnar Müller
von Conny am 07.10.2018 um 9:35 Uhr
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Nächste Woche in München
von Ulrich Ströh am 07.10.2018 um 8:29 Uhr
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Apothekertag
von Conny am 07.10.2018 um 8:18 Uhr
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AW: Apothekertag
von Gunnar Müller, Detmold am 07.10.2018 um 8:51 Uhr
AW: Apothekertag
von Veit Eck am 07.10.2018 um 11:55 Uhr
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