Miniserie Selbstverwaltung der Apotheker

Wer macht was in der Berufspolitik? Teil 2: Die Verbände

Süsel - 10.10.2018, 09:00 Uhr

Auf dem DAT sind Kammern und auch Verbände vertreten. (m / Foto: Schlebert)

Auf dem DAT sind Kammern und auch Verbände vertreten. (m / Foto: Schlebert)


Es ist wieder so weit: Die Standesvertretung der Apotheker trifft sich in München zum Deutschen Apothekertag. Für DAZ.online ein Anlass, sich die Strukturen der Standespolitik einmal anzuschauen. Wer macht eigentlich was und vertritt dabei welche Interessen? In Teil 2 unserer kleinen Serie geht es um die Verbände.

Im Gegensatz zu den Apothekerkammern, deren Aufgaben vielfach durch berufliche Pflichten geprägt sind, basieren die Apothekerverbände auf freiwilliger Mitgliedschaft. Dies sind typische Unternehmerverbände. Mitglieder können nur Apothekenleiter werden. In den meisten Bundesländern sind über 90 Prozent der Apothekenleiter Mitglied im jeweiligen Apothekerverband. Auch diese Verbände haben Satzungen, wobei solche privatrechtlichen Vereine jedoch weit mehr Gestaltungsmöglichkeiten als die Kammern haben. Viele größere Verbände haben eine Delegiertenversammlung. Alle Verbände verfügen über einen Vorstand und einen Vorsitzenden oder Präsidenten mit einem oder zwei Stellvertretern. Zu diesen ehrenamtlich tätigen Funktionsträgern kommen auch hier die hauptamtlich tätigen Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter der Geschäftsstelle.

Aufgaben der Verbände

Als Unternehmerverbände vertreten die Apothekerverbände die Interessen ihrer Mitglieder insbesondere im Kontakt mit der Politik, den Medien, den Krankenkassen und den Vertretern anderer Berufsgruppen. Eine besonders wichtige Aufgabe der Verbände ist das Verhandeln von Verträgen mit den Krankenkassen, soweit solche Verträge auf Landesebene geschlossen werden. Dies betrifft insbesondere Arznei- und Hilfsmittellieferverträge, aber auch Verträge über andere Leistungen der Apotheken wie das Modellprojekt ARMIN, das zu einem Wegbereiter für die patientenorientierte Pharmazie werden soll. Da Neuerungen auf Landesebene häufig schneller als im Bund möglich sind, können von solchen Verträgen bedeutende Impulse für die Bundesebene ausgehen. Zur Umsetzung der Verträge gehört aber auch viel Detailarbeit wie Einsprüche bei Retaxationen. Daneben bieten die Verbände Fortbildungen für Apotheker und Apothekenmitarbeiter, vorzugsweise zu wirtschaftlichen Themen, sowie rechtliche Beratungen, insbesondere zum Arbeitsrecht. Zudem sind die Mitglieder der Apothekerverbände außer Nordrhein und Sachsen durch diese Mitgliedschaft an die Tarifabschlüsse des Arbeitgeberverbandes Deutscher Apotheken (ADA) gebunden, der als Tarifpartner mit der Apothekengewerkschaft Adexa verhandelt.

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Häufig verfügen die dem Vereinsrecht unterliegenden Verbände über wirtschaftlich tätige und damit gewinnorientierte Tochtergesellschaften, die beispielsweise Fortbildungen veranstalten oder den Einkauf von Hilfsmitteln oder Blutzuckerteststreifen für Apotheken organisieren. Einige Apothekerverbände betreiben zudem Genehmigungsstellen für Hilfsmittel oder sind Träger solcher Stellen, die im Auftrag der Apotheken die nötigen Genehmigungen bei den Krankenkassen einholen. Künftig werden die Verbände zudem das Online-Vertrags-Portal betreiben, das die Beitritte der Apotheken zu Hilfsmittelverträgen verwaltet.

Beziehungen zwischen Kammern und Verbänden

Die meisten Aufgaben der Kammern und Verbände unterscheiden sich damit wesentlich, doch gibt es eine wichtige Überschneidung. Beide Organisationen sollen die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber der Öffentlichkeit und besonders der Politik vertreten. Dies kann zu vorteilhaften Synergien führen, birgt aber auch Konfliktpotenzial. Zudem gibt es häufig personelle Verknüpfungen. Die Funktionsträger der Verbände sind oft auch Mitglieder in den Kammerversammlungen und gehören dort aufgrund ihrer Erfahrungen sicherlich zu den meinungsbildenden Personen. In manchen Bundesländern agieren Kammern und Verbände daher in großem Einvernehmen, während anderswo Kontroversen bestehen. Kammern und Verbände treten gegenüber der Öffentlichkeit häufig gemeinsam auf und für Außenstehende sind die Unterschiede oft nicht ersichtlich.

„Neue“ Verbände und Apothekenkooperationen

In einer Apothekenlandschaft mit immer unterschiedlicheren Apotheken und damit eher divergierenden Interessen können manche berufspolitischen Positionen – erst recht in einer einheitlichen Darstellung von Kammern und Verbänden – allerdings eher als früher zu einem Problem werden. Versandapotheken, Apothekenverbünde mit Filialen und Einzelapotheken mit sehr unterschiedlicher Größe und Ertragssituation können zum Versandhandel, zu Anforderungen an Filialapotheken, Öffnungszeiten, Notdiensten, Werbemaßnahmen, Anforderungen an die Fort- und Weiterbildung und manchen anderen Themen sehr unterschiedliche Interessen haben. Leiter unterschiedlicher Apotheken können auch verschiedene Vorstellungen dazu haben, mit welchen Mitteln ein Verband ihre alltägliche Arbeit unterstützen soll. Daraufhin sind privatrechtliche Verbände entstanden, die die Interessen bestimmter Apothekengruppen gezielter vertreten wollen, beispielsweise der Bundesverband Deutscher Apotheker (BVDA), der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheken (BVKA), der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA), der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) oder der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK).

Neben solchen Verbänden, die ausdrücklich zur Interessenvertretung gegründet wurden, bestehen die Apothekenkooperationen. Deren Hauptaufgaben sind gemeinsamer Einkauf, organisatorische Hilfen für den Apothekenbetrieb und häufig eine gemeinsame werbende Außendarstellung. Hilfen für die Organisation bieten aber auch die „klassischen“ Verbände und die Werbung der Kooperationen kann mit Instrumenten der Verbände zur Außendarstellung konkurrieren. Kooperationen mit einem starken gemeinsamen Außenauftritt können auf Außenstehende den Eindruck einer Apothekenkette vermitteln, obwohl solche Ketten in Deutschland nicht zulässig sind.

Doch auch im Lebensmittel- und Elektroeinzelhandel unterscheiden viele Verbraucher nicht zwischen Ketten und Kooperationen. Oft kennen sie nicht einmal die Unterschiede zwischen den Filialsystemen überregional tätiger Unternehmen (Ketten) und freiwilligen Zusammenschlüssen selbstständiger lokaler Unternehmen (Kooperationen). Je mehr sich die Interessen zwischen den Apothekern unterscheiden, umso eher könnten Kooperationen zudem in den politischen Bereich drängen und versuchen, klassische Aufgaben der Verbände zu übernehmen, von der Interessenvertretung bis zu Verhandlungen mit den Krankenkassen.


Organisationen in der Kompromissfalle

Dennoch bleiben die meisten Apotheker mit besonderer Interessenlage bisher Mitglieder der „klassischen“ Verbände und sie sind in den Kammern ohnehin Pflichtmitglieder. Letztlich stellt sich damit in Kammern und Verbänden eine Grundfrage des demokratischen Systems: Wie weit darf die Mehrheit ihre Interessen durchsetzen, wenn diese einer Minderheit zuwiderlaufen? Dies gilt besonders für die Kammern mit ihrer Pflichtmitgliedschaft und dem Auftrag, das Miteinander der Berufsangehörigen zu fördern. Einem Mitglied, das nicht austreten darf, kann wohl kaum zugemutet werden, eine Organisation zu finanzieren, die gegen seine eigenen Interessen handelt. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob eine Kammer sich gegen den Versandhandel positionieren kann, obwohl ihr auch Versandapotheker angehören (müssen). Allerdings sind die Kammern im Interessenausgleich erfahren, denn sie haben seit jeher den Spagat zwischen selbstständigen und angestellten Apothekern zu meistern. Für Verbände stellt sich dies anders dar, weil deren Mitglieder austreten können, wenn sie sich nicht angemessen vertreten fühlen. Doch hängt die Leistungsfähigkeit eines Verbandes von seiner Mitgliederzahl ab. Daher wird jeder Verband versuchen, einen breiten Kompromiss zu finden, dem möglichst viele Apotheker zustimmen können. Der systemimmanente Zwang zum Kompromiss wirft die Frage auf, ob manche Ansprüche an die politische Arbeit der Kammern und Verbände überzogen sind, weil diese Organisationen nicht jede Position „kompromisslos“ verfolgen können.

Umsatzverteilung gerät zunehmend in Schieflage

Zusätzlich erschwerend wirkt die wirtschaftliche Struktur der Apothekenlandschaft. Die Umsatzverteilung der Apotheken wird immer stärker rechtsschief. Wenige sehr große Apotheken ziehen den Durchschnitt nach oben, aber die Mehrheit der Apotheken ist unterdurchschnittlich groß. Da in Kammern und Verbänden die Mehrheit der Stimmen entscheidet, sind dort eher die vielen kleinen Apotheken maßgeblich. Wenn sich die Inhaber großer Apotheken nicht hinreichend vertreten fühlen, haben aber gerade sie die finanziellen Mittel, eigene Verbände zu organisieren und als Interessenvertretung zu positionieren. Diese Möglichkeit wiederum sollte die Verbände davon abhalten, die Minderheit der sehr großen Apotheken aus dem Auge zu verlieren.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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