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Ein bisschen Rest-Oktoberfest: Schmidt haut auf die Kassen, beschwört die spirituelle Kraft des Mantras „Rx-Versandverbot“ – und lässt am Schluss die Hosen runter: Irgendwie Gleichpreisigkeit statt Rx-Versandverbot, bloß wie? Ein bisschen Luftnummer: Spahn lächelt freundlich, will über alles diskutieren, aber nicht ewig, verspricht Heimat mit Apotheke und hadert mit dem Rx-Versandverbot. Ein bisschen Action: Das Apothekertags-Plenum ist wild auf Digitales, aber bitte nicht zu viel und bitte keine Telepharmazie, kriegt noch die Kurve am Mantra vorbei, um über Plan B nachzudenken – und hält gar nichts von einer ABDA-Reform. Denn – so die Hubmannsche Formel – „die ABDA ist ein einzigartiges Konstrukt“. Mannomann, und wie!
8. Oktober 2018
Wir erinnern uns: Anfangs wollte unsere Standesvertretung keine Diskussion nach Spahns Rede auf dem Apothekertag zulassen, Begründung: zeitlich enges Programm, kein Raum für spontane Diskussionen. Das war schon starker Tobak. Und es zeigt zugleich, wie unsensibel und abgehoben eine Standesvertretung sein kann. Erst nach Protesten von der Basis hielt die ABDA dann Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium und man verständigte sich darauf, „dem beiderseitigen Wunsch nach Austausch Rechnung zu tragen“, sprich Zeit für Diskussion einzuplanen. Mein liebes Tagebuch, da hat die ABDA gerade nochmal die Kurve gekriegt. Es wäre ein Unding gewesen: Der Bundesgesundheitsminister spricht auf dem Apothekertag, existenzielle Themen stehen auf dem Programm und die eigene Standesvertretung will keine Wortmeldungen zulassen…
9. Oktober 2018
Immerhin, die ABDA ist skeptisch, dass ihre Hauptforderung – die Umsetzung des Rx-Versandverbots – Wirklichkeit wird. Immerhin. Die ABDA-Spitze ließ dies auf der Pressekonferenz im Vorfeld des Apothekertags durchblicken. Alles andere wäre ja auch mega-naiv, mein liebes Tagebuch. Dennoch klebt man natürlich an der offiziellen Forderung, dass das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag „politisch adressiert“ werde, wie man sich geschwollen auszudrücken pflegt, und stellt sich zugleich darauf ein, das Spahn das Rx-Versandverbot nicht umsetzen will, sondern auf Alternativvorschläge setzt. Das Dumme dabei ist nur: Spahn selbst hat keine Alternativvorschläge. Und das Allerdümmste dabei: Die ABDA hat auch keine – zumindest offiziell nicht. Und vermutlich auch nicht wirklich inoffiziell. Man werde sich aber einer „Maßnahme gleicher Wirkung“ nicht verschließen, wie der ABDA-Präsident sich beim Wortschatz des Bundesheimatministers Seehofer bediente. Die Floskel „Maßnahme gleicher Wirkung“, mein liebes Tagebuch, ist so unkonkret wie nur was und bleibt letztlich eine Worthülse, denn: Man hat keine solche Maßnahme. Die Gleichpreisigkeit bei Rx-Arzneimitteln, die für die ABDA ein „Essential“ sei, lässt sich wohl nicht anders wiederherstellen als durch ein Versandverbot. Vielleicht sollte man sich besser mal intensiv Gedanken machen, wie man auf anderen Wegen und mit anderen Forderungen einen Ausgleich schafft. Aber solche Gedanken sind unserer ABDA sichtlich fremd. Und so ließ der ABDA-Präsident wissen: „Alternativen muss die Politik liefern.“ Warum muss sie das? Warum geht man nicht aktiv mit Forderungen in die Verhandlungen?
Seit drei Jahren lässt die ABDA im Vorfeld des Apothekertags die Apothekeninhaber zu ihrer wirtschaftlichen Situation befragen und stellt das Ergebnis auf der Pressekonferenz zum Apothekertag vor. Auch in diesem Jahr. Und seit drei Jahren zeigt dieser „Apothekenklima-Index“ nach unten: Die Situation der Apotheken in Deutschland hat sich weiter verschlechtert. Die Bürokratie hat zugenommen, Retaxationen und Lieferengpässe machen Stress. 71 Prozent erwarten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung. Das einzig Motivierende ist laut dieser Umfrage noch die Beratung und der persönliche Kontakt zu den Patienten, die Selbstständigkeit und der wirtschaftliche Erfolg, so es denn einen gibt. Mein liebes Tagebuch, wie fühlt man sich da als ABDA, wenn man seit drei Jahren solch desaströse Umfrageergebnisse auf einer Auftaktpressekonferenz präsentiert? Denkt man da auch schon mal über die eigene Politik nach?
Man glaubt es nicht, mein liebes Tagebuch: Da wächst der Arzneimittel-Versandhandel zweistellig, DocMorris und Co. rüsten mit Riesen-Investitionen auf, um an die Rezepte zu kommen, Amazon steht quasi ante portas und drängt auf den deutschen Arzneimittelmarkt, ein Rx-Versandverbot löst sich gerade in Luft auf – und unsere Trutzburgbauer, die ehrenamtlichen Pharmazieräte und Amtsapotheker bewegen sich beim Botendienst keinen Millimeter. Sie bekennen sich dazu, dass der Botendienst und der Versandhandel nicht vermischt werden dürfen. Na, mein liebes Tagebuch, in welcher Zeit leben unsere Pharmazieräte eigentlich? Erklär das mal unseren lieben Kunden, die doch eigentlich bei uns im Mittelpunkt stehen sollten. Der Botendienst, ein Relikt aus der Vor-Versandhandels- und Vor-Internet-Zeit, der nur im begründeten Einzelfall stattfinden soll (allein schon diese Formulierung lässt einen erschaudern) – lässt sich der heutzutage wirklich noch so aufrecht erhalten wie es in grauer Vorzeit war? Da versuchen unsere Pharmezieräte einen Unterschied zu konstruieren zwischen a) einer telefonischen oder auch E-Mail-Bestellung in der Apotheke vor Ort mit der Bitte, die Arzneimittel nach Hause zu liefern, was dann vom pharmazeutischen Personal ausgeführt werden darf, und b) einer Online-Bestellung im Webshop derselben Apotheke vor Ort, die dann nicht durch den Botendienst der Apotheke erfolgen darf, sondern durch einen externen Dienstleister erfolgen muss. Also, mein liebes Tagebuch, im beispielhaften Klartext zum Mitschreiben: Bestellung per E-Mail an die Apo – die PTA darf’s bringen; Bestellung per Webshop der Apo – nur DHL oder andere dürfen’s bringen. Damit wäre der Vorteil der schnellen Belieferung durch die Apotheke („same day delivery“) im Vergleich zu den niederländischen Päckchenpacker doch verloren! Mal Hand aufs Herz, liebe Pharmazieräte, lässt sich eine Differenzierung nach Bestellweg heute noch aufrecht erhalten und wofür? Sollte man nicht lieber fordern, dass der Bestellweg vollkommen egal ist und in jedem Fall eine Beratung stattfinden sollte, beispielsweise durch die PTA, die per „Botendienst“ ausliefert, oder auch per Telefon oder per Video-Chat (Telepharmazie)? So, wie es unsere Pharmazieräte fordern, ist das jedenfalls mehr als verstaubt und nicht mehr haltbar. Und ich prophezeie: Spätestens in fünf Jahren, wenn dann wirklich die Lieferdienste und Lieferplattformen um uns herum über Hand nehmen, lässt sich eine Lieferung durch Botendienst und externe Dienstleister nicht mehr trennen. Der Kunde versteht’s eh nicht. Würden sich die Pharmazieräte dagegen dafür einsetzen, dass vor oder bei der Zustellung die Beratung gewährleistet ist, dann hätte das einen echten Nutzen im Vergleich zu den ausländischen Versendern, die zwar auch beraten müssen, es aber so gut wie nie tun.
10. Oktober 2018
Los geht’s mit dem Apothekertag. Traditionelle Expopharm-Eröffnung. Apothekerverbands-Chef Fritz Becker wiederholt laut und deutlich seine Forderung, die Importquote für verschreibungspflichtige Arzneimittel sofort zu streichen. Die Abschaffung sei zwingend geboten. Jawoll, mein liebes Tagebuch, hätte er noch öfters machen sollen. Man kann es nicht oft genug sagen. Als Grund gibt Becker auch die Skandale der letzten Monate an, Valsartan und Lunapharm, die letztlich u . a. auch mit importierten Arzneimitteln und importierten Stoffen zu tun haben. Was er auch noch sagte: „Was muss noch alles passieren, bis die Krankenkassen erkennen, dass es gute und sichere Arzneimittel eben nicht zu Dumpingpreisen gibt?“ So ist es, mein liebes Tagebuch. Gut zu wissen, dass im Übrigen auch die Pharmaverbände in diesem Punkt und in weiteren Fragen auf der Seite von uns Apothekers stehen. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hält es z. B. für denkbar, dass die Apotheker in Zukunft mehr Kompetenzen bekommen, z. B. Grippeimpfungen vornehmen.
Na, mein liebes Tagebuch, war das wieder ein echter klassischer Friedemann? Ich meine Friedemann Schmidt, unseren ABDA-Präsidenten? Jein. Will heißen: Ja, weil er in seinem Lagebericht wieder seine schön-geistig formulierten Worte setzte, mit denen es um Ordnung, Verantwortung, Vertrauen und Recht ging und er die aktuellen Fälle wie Valsartan, Lunapharm und Bottroper Zytoapotheker und mehr unterbrachte. Er verurteilte eine Verschiebung des Wertefokus hin zu Wettbewerb, Kosten und Preisen auch im Gesundheitswesen und brachte es noch auf den Punkt: „Weltweit unbeschränkter Waren- und Kapitalverkehr ist auch im Gesundheitswesen zu einem politischen Fetisch geworden.“ Fein. Im zweiten Teil seiner Rede zeigte sich Schmidt dagegen eher von einer selteneren Seite – da ließ er durchschimmern: Ich kann auch Klartext. Er zog über die volkswirtschaftlich gebildeten Schreibtischstrategen her (Monopolkommission, Sachverständigenrat) die meinen, das Arzneimittelversorgungssystem könnte besser, effektiver und vor allem billiger gemacht werden. Schmidt nannte es ewige Besserwisserei und Blödsinn, die Welt als Unternehmen und Menschen als seine Mitarbeiter und Kunden zu betrachten. Dann reitet er seine Attacke gegen den GKV-Spitzenverband, von dem man ganz besonders genervt sei. Statt sich in der Valsartan-Krise hinter die Apotheker zu stellen und den Versicherten anzubieten, dass sie nicht ein zweites Mal ihre Zuzahlung bezahlen müssen, habe dieser Verband stattdessen ein apothekenpolitisches Papier in die Welt gesetzt und vorgeschlagen, „vielen von uns die Läden zuzumachen“, ein Verhalten, das an Frechheit nicht zu überbieten sei. Die Politik sollte den Mut haben, mit den vom GKV-Spitzenverband geforderten Strukturveränderungen bei diesem Verband selbst anzufangen. Und Schmidt schloss seine Rede mit: „Wir brauchen keine ökonomische Klugscheißerei, sondern gute Rahmenbedingungen für eine verlässliche Versorgung.“ Wow, mein liebes Tagebuch, so kennt man ihn nicht alle Tage. Schade eigentlich, warum nimmt er nicht öfters mal kein Blatt vor den Mund? Denn da merkt man, dass er für eine Sache kämpft, da ist Feuer drin und kein lauwarmer Einheitsbrei. Und ganz klar, für diese deutlichen Worte gab’s dann – wie vorhergesagt – standing ovations. Leider hat Schmidt allerdings „vergessen“, über ein Rx-Versandverbot zu sprechen, das die ABDA doch so vehement von Spahn einfordert (der Minister war bei Schmidts Rede im Saal zugegen!). Auch andere Forderungen, beispielsweise nach Honorierung von Dienstleistungen oder Honoraranpassungen wurden mit keiner Silbe erwähnt. Hatte das was mit dem Geheimhaltungs-Deal zwischen ABDA und Spahn zu tun?
Und dann kam Spahn. Und zeigte sich von seiner Sunny-boy-Seite, freundlich, lächelnd, geschmeidig, offen für alles, vor allem für Diskussionen und Gespräche, die er den Apothekers anbot. Aber außer seinen warmen Worten hatte er nichts dabei. Lasst uns reden, diskutieren wir miteinander, rief er den Pharmazeuten grinsend zu. Denn: „Ich debattiere gern, deswegen bringe ich Ihnen heute auch kein fertiges Konzept mit“ – also kein Konzept, wie es mit dem Rx-Versandverbot weitergeht, was man anstatt machen könnte und wie es mit der Honorarfrage aussieht. Nur eines weiß er: Diskutiert wird auch nicht ewig, sondern im Prinzip nur ein paar Wochen, denn am Ende der nächsten sechs Monate soll ein fertiger Gesetzentwurf stehen, wie’s weitergeht: „Die nächsten sechs Monate sind geprägt vom Thema Arzneimittelversorgung.“ Was er auch anklingen ließ: Ja, der unfaire Wettbewerbszustand zwischen Vor-Ort-Apotheken und ausländischen Versendern ist nicht haltbar. Das Rx-Versandverbot stehe zwar im Koalitionsvertrag, sei aber rechtlich schwierig, sehr schwierig. Daher: Bitte, lieber Apothekers, weitet euren Blick, wie man sonst noch die flächendeckende Versorgung sicherstellen und wie man euer Wissen noch besser verfügbar machen kann. Super, oder mein liebes Tagebuch? Und zur Besänftigung und als Zuckerchen gab’s die Zauberformel oben drauf: „Es wird keinen Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken geben – (und mit einem noch breiterem Lächeln fügte er hinzu) solange ich Gesundheitsminister bin.“ Na, mein liebes Tagebuch, da wissen wir, woran wir sind. Was sich Spahn übrigens auch vorstellen kann: impfende Apotheker, Telepharmazie, Abschaffung des Schulgelds für PTA-Ausbildung, Honorare für apothekerliche Dienstleistungen (z. B. Präventionsangebote), eine neue Definition von Botendienst (da werden sich unsere altvorderen Pharmazieräte umstellen müssen!). Und dann haute er der ABDA noch das 2hm-Honorargutachten um die Ohren: Es ist nun mal auf dem Tisch, wir werden darüber reden müssen (arme ABDA, da ging die Schweigestrategie wohl doch nicht auf). Also, mein liebes Tagebuch, stellen wir uns auf Diskussionen und Debatten mit Spahn ein. Dumm nur, dass unsere ABDA so gar keine Vorschläge auf den Tisch legen kann, was man sich so vorstellt, wie es mit Plan B weitergeht. Und ein Gegengutachten haben wir auch nicht.
Die sich anschließende Diskussion verlief übrigens ruhig und sachlich, etwa eine halbe Stunde lang nahm sich Spahn für den Dialog mit den Apothekern im Plenum Zeit. Erwartungsgemäß nahm das Rx-Versandverbot großen Raum ein. Aber Spahn blieb cool: „Ich mache keine Veranstaltung, in der ich etwas verspreche, das ich nicht halten kann.“
11. Oktober 2018
Die Gleichpreisigkeit ist das Mantra, das die ABDA ausgerufen hat und vor sich her trägt. Gleichpreisigkeit – alle Rx-Arzneimittel müssen den gleichen Preis haben, in den Vor-Ort-Apotheken und bei Versandapotheken im In- und Ausland. Amen. Die Gleichpreisigkeit darf nicht unter die Räder geraten, mahnte ABDA-Hauptgeschäftsführer Schmitz in seinem Geschäftsbericht auf dem Apothekertag an. Schön, mein liebes Tagebuch, da stimmen wir gerne mit ein und murmeln das Mantra vor uns her. Aber was tun, wenn die Politik mit dem Rx-Versandverbot hadert und andere Kompensationsmöglichkeiten im Hinterkopf hat? Sollte man sich nicht parallel zum Mantra einfach mal Gedanken machen, wie wir uns die Zukunft vorstellen, wenn’s mit dem Rx-Versandverbot nichts wird und die vielbeschworene Gleichpreisigkeit wie ein Luftballon zerplatzt? Oder will die ABDA warten, bis Spahn kommt und uns Apothekers seine Konzepte überstülpt? Die ABDA, räumte Schmidt ein, hat sich insgeheim mit Alternativen beschäftigt – wäre auch sträflich, wenn nicht. Doch das Apothekertags-Plenum schien gespalten, so gab es durchaus zahlreiche Stimmen, die meinten: Wir brauchen keinen Plan B. Ich frage mich, mein liebes Tagebuch, woher diese Delegierten ihren Optimismus nehmen…
Die Schweigestrategie der ABDA zum 2hm-Honorargutachten wurde auf dem Apothekertag ebenfalls thematisiert. Deutliche Worte kamen von Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz: Es sei ein schwerer Fehler gewesen, dass die ABDA das Honoraragutachten in entscheidenden Punkten nicht angegriffen habe. Schweigen sei die falsche Politik gewesen. Stimmt, mein liebes Tagebuch, und noch besser wäre es gewesen, wenn die ABDA ein Gegengutachten in Auftrag gegeben hätte. Heidrun Hoch, TGL-Vorsitzende, erinnerte daran, dass bereits beim Apothekertag vor zwei Jahren über ein eigenes Gutachten diskutiert worden sei: „Mit einem solchen Gutachten hätte die ABDA jetzt eine bessere Position.“ In der Tat!
Ja, soll man sich nun konkret mit Alternativen zum Rx-Versandverbot befassen oder soll man stur an der Forderung kleben bleiben: Rx-Versandverbot und sonst nichts? Die heiße Debatten nahmen kein Ende. Und wieder schwor ABDA-Präsident Schmidt die Hauptversammlung aufs Versandverbot ein: Das Versandverbot ist und bleibt das geeignete Mittel, um die Ungleichbehandlung zu beenden. Mag ja sein, mein liebes Tagebuch, aber was ist, wenn wir’s nich bekommen? Das muss sich wohl auch Hamburgs Kammerpräsident Siemsen gedacht haben und stellte einen Adhoc-Antrag, sich doch lieber auch auf mögliche Alternativen vorzubereiten und eine Kommission dafür einzurichten, die sich Gedanken über andere Möglichkeiten machen sollte. Doch Schmidt nannte das kontraproduktiv und die Mehrheit lehnte Siemsens Antrag ab. Eigentlich unfassbar, oder? Wie kann man nur so kurzsichtig sein?
Halt, mein liebes Tagebuch, manchmal geschehen doch noch kleine Wunder auf dem Apothekertag. Irgendwie muss es dann wohl einigen gedämmert haben, dass man mit einer Verweigerungshaltung nicht allzu weit kommt. Mehrere Apotheker brachten einen neuen fast wortgleich formulierten Adhoc-Antrag ein, ersetzten das Wort „Kommission“ durch „Arbeitsgruppe“, die sich nun um Vorschläge zum Versandhandelskonflikt kümmern soll zusammen mit externen Experten und Apothekern. Der Antrag wurde mit knapper Mehrheit angenommen. Immerhin, mein liebes Tagebuch, alles andere wäre zum Verzweifeln gewesen. Jetzt bleibt die Hoffnung, dass die ABDA den Antrag nicht „vergisst“, rasch Experten beruft (wir wüssten da schon einige, mein liebes Tagebuch), um sich Gedanken zu Alternativen zu machen. Denn: Das Rx-Versandverbot wird nicht kommen – trotz Mantra.
12. Oktober 2018
Sagen wir’s mal so, mein liebes Tagebuch: Der GKV-Spitzenverband ist nicht gerade der Lieblingsverband von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Schon in seinem Lagebericht attackierte Schmidt den Kassenverband und ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er von diesem Verband genervt sei. Auslöser war u. a. das Positionspapier des GKV-Spitzenverbands Anfang Juni, in dem dieser eine komplette Deregulierung des Apothekenmarkts und Einsparungen bei Apotheken um mehr als 1 Milliarde forderte. Ein Antrag der Apothekerkammer Berlin, der Apothekertag solle den Kassenverband auffordern, sein Positionspapier zu revidieren, griff Schmidt gerne auf. Sinngemäß: Gespräche helfen bei diesem Verband nicht mehr. Und wörtlich: „Da muss man dann irgendwann auch einfach nur noch raufhauen.“ Genau, mein liebes Tagebuch, irgendwann platzt einem da der Kragen. Klar, der Antrag wurde einstimmig angenommen. Vielleicht hätte er sich schon mal früher so deutlich äußern sollen. Manche Verbände verstehen keine noble Zurückhaltung.
Jetzt aber volle Digitalisierung! Man hatte das Gefühl, dass Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker wie berauscht vom Digitalen sind. Man kann es gar nicht mehr erwarten, auf der Datenautobahn dahinzubrausen – wenn es denn schon eine gäbe. Macht nichts, mein liebes Tagebuch, der Wille ist da. Und so beschloss man z. B., die Telematikinfrastrukur „beschleunigt“ und „mit aller Kraft“, was auch immer das heißen mag, zu verfolgen. Die Kassen, so war zu hören, bezahlen den Apotheken sogar die Erstausstattung, sprich den Konnektor und das Kartenlesegerät, der die Apotheken ins Telematiknetz bringt. Außerdem: Es soll einen verbindlichen Zeitplan fürs E-Rezept, das stufenweise eingeführt werden soll, und den E-Medikationsplan geben (Zeitpläne im IT-Sektor haben besonderen Charme, mein liebes Tagebuch!). Weiter: E-Rezepte dürfen nicht kommerzialisiert werden, also keine Provisionen und keine Vergütungen an Vermittler und Patienten fürs E-Rezept. Es soll einen Kommunikationskanal für Ärzte und Apotheker geben zum heilberuflichen Austausch (warum erst jetzt?). Nur an die Telepharmazie traute man sich nicht richtig ran. Ein löblicher Antrag, ein Projekt zu den Risiken und Chancen der telepharmazeutischen Anwendungen zu starten, wanderte in den Ausschuss. Tja, mein liebes Tagebuch, was das bedeuten kann, ist uns hinlänglich bekannt. Schade, schade. Wovor hat man da eigentlich so Angst? Jetzt hätten wir die Möglichkeit, Telepharmazie mitzugestalten…
Das Beste kommt vor dem Schluss! Ein Antrag von einigen Apothekern um Michael Mantell forderte die Einberufung einer Kommission zur Reform der ABDA. Ohgottohgott, das geht ja gar nicht. Die ABDA könne man doch in einer politisch so wichtigen Phase nicht schwächen! Mein liebes Tagebuch, was heißt hier „schwächen“…? Und warum sollte es eigentlich nicht möglich sein, endlich mal die fast 70 Jahre alten Strukturen dieses Verbands zu hinterfragen? Vor allem: Den Punkten, die die Antragsteller zur Begründung der Reform vorbrachten, kann man doch nur zustimmen: Die ABDA agiert wie ein schwerfälliger Tanker, es gelingt ihr nicht, mit einer Stimme zu sprechen, die Basis fühlt sich abgekoppelt, gefühlt münden Diskussionen zumeist in Beschlüsse, nicht aktiv zu werden oder etwas nicht zu kommunizieren. Mein liebes Tagebuch, wie man auch immer dazu stehen mag: Alte Strukturen zu hinterfragen hat noch nie geschadet. Und schaut man genau hin, wird einem klar: Zwischen der ABDA, den Mitgliedsorganisationen und der Basis, aber auch beim Thema Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation – kurz, in den Beziehungen und Strukturen knirscht es gewaltig. Aber man hätte wetten können: Der Antrag erreichte nicht die Abstimmungsphase. Dafür sorgten zum Beispiel auch alte Hubmannsche Beschwörungsformeln wie: Die ABDA sei doch ein „einzigartiges Konstrukt“, da es dieser Organisation gelungen sei, Kammern und Verbände unter einem Dach zu vereinigen. Ach du meine Güte, seit wann ist denn das allein schon ein Verdienst und „einzigartig“? Am Ende zogen die Antragsteller ihren Antrag zurück, wollen ihn aber auf dem nächsten Apothekertag neu einbringen. Gut so. Auch wenn die Prognose nahe liegt: Auch dann wird es heißen, dass es kein guter Zeitpunkt für eine Reform einer „einzigartigen“ Organisation ist. Mein liebes Tagebuch, vermutlich muss es noch schlimmer kommen.
Ob sie wollte oder nicht, die ABDA musste das Unwort 2hm-Honorargutachten in den Mund nehmen: Es lag ein Antrag dazu vor, der die Erstellung eines Gegengutachtens forderte. Der Apothekerkammer Saarland sei Dank für diesen sanften Druck auf die Dachorganisation. Er führte dazu, dass sich Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin für Wirtschaft und Soziales, dazu hinreißen ließ, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Sie offenbarte den Delegierten, dass man sich nach dem Erscheinen des Gutachtens sehr wohl intern damit befasste, sogar eine Präsentation für den Sachverständigenrat, die Monopolkommission und die Bundesregierung erstellte, allerdings nicht an die Mitgliedsorganisationen weiterleitete. Bei all dem Hin und Her habe man viel Zeit verloren, gab sie zu, und jetzt fehle die Zeit für ein Gegengutachten. Au weia, mein liebes Tagebuch, klingt alles nicht nach Weitsicht und Erfolg. Das Ende vom Lied: Ein Gegengutachten gibt es also nicht, Antragsteller, Delegierte und ABDA verständigten sich darauf, den Antragstext zu glätten und statt gefordertem Gegengutachten von einem Datenpanel zu sprechen. Was bleibt: Die ABDA wird ihre Schweigestrategie nicht fortführen können und sich damit weiterhin befassen müssen.
Und das Finale: Schmidt lässt die Hosen runter. Aus seinen Schlussworten: „Diesmal wird unsere Prämisse ‚Es soll so bleiben wie es ist, nur besser‘ nicht mehr halten. Im kommenden Jahr werden wirklich große Veränderungen auf uns zukommen.“ Und er räumte ein, dass „wir mit unserer klassischen Haltung nicht mehr weiter kommen“. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, letztlich auch ein Eingeständnis, dass die Schweigestrategie nichts brachte, dass das eiserne Beharren auf dem Rx-Versandverbot mit Spahn sichtlich nicht zu machen ist und überhaupt die Erkenntnis: „Wir haben ein unglaubliches Maß an Reformbedarf.“ Bei allen Ups and Downs dieses Apothekertags: Die Selbsterkenntnis lässt hoffen, auch wenn der Weg dahin mehr als schräg war.
11 Kommentare
Zukunftssicherung
von Reinhard Rodiger am 14.10.2018 um 15:59 Uhr
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Situationsanalyse zuerst ...
von Reinhard Herzog am 14.10.2018 um 13:14 Uhr
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AW: Situationsanalyse zuerst
von Karl Friedrich Müller am 14.10.2018 um 14:10 Uhr
AW: Situationsanalyse zuerst
von Ulrich Ströh am 14.10.2018 um 14:48 Uhr
AW: Situationsanalyse zuerst
von Wolfgang Müller am 14.10.2018 um 15:30 Uhr
Strategie ?
von Reinhard Rodiger am 14.10.2018 um 12:58 Uhr
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Die Strategie der ABDA ist gescheitert
von Gunnar Müller, Detmold am 14.10.2018 um 11:34 Uhr
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Orientierung?
von Christian Giese am 14.10.2018 um 9:59 Uhr
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AW: Zunder ...
von Gunnar Müller, Detmold am 14.10.2018 um 11:05 Uhr
Schweigedeal und Pharmazieräte
von Ulrich Ströh am 14.10.2018 um 9:16 Uhr
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Verdient
von Conny am 14.10.2018 um 9:08 Uhr
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