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9. Oktober 2018
Immerhin, die ABDA ist skeptisch, dass ihre Hauptforderung – die Umsetzung des Rx-Versandverbots – Wirklichkeit wird. Immerhin. Die ABDA-Spitze ließ dies auf der Pressekonferenz im Vorfeld des Apothekertags durchblicken. Alles andere wäre ja auch mega-naiv, mein liebes Tagebuch. Dennoch klebt man natürlich an der offiziellen Forderung, dass das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag „politisch adressiert“ werde, wie man sich geschwollen auszudrücken pflegt, und stellt sich zugleich darauf ein, das Spahn das Rx-Versandverbot nicht umsetzen will, sondern auf Alternativvorschläge setzt. Das Dumme dabei ist nur: Spahn selbst hat keine Alternativvorschläge. Und das Allerdümmste dabei: Die ABDA hat auch keine – zumindest offiziell nicht. Und vermutlich auch nicht wirklich inoffiziell. Man werde sich aber einer „Maßnahme gleicher Wirkung“ nicht verschließen, wie der ABDA-Präsident sich beim Wortschatz des Bundesheimatministers Seehofer bediente. Die Floskel „Maßnahme gleicher Wirkung“, mein liebes Tagebuch, ist so unkonkret wie nur was und bleibt letztlich eine Worthülse, denn: Man hat keine solche Maßnahme. Die Gleichpreisigkeit bei Rx-Arzneimitteln, die für die ABDA ein „Essential“ sei, lässt sich wohl nicht anders wiederherstellen als durch ein Versandverbot. Vielleicht sollte man sich besser mal intensiv Gedanken machen, wie man auf anderen Wegen und mit anderen Forderungen einen Ausgleich schafft. Aber solche Gedanken sind unserer ABDA sichtlich fremd. Und so ließ der ABDA-Präsident wissen: „Alternativen muss die Politik liefern.“ Warum muss sie das? Warum geht man nicht aktiv mit Forderungen in die Verhandlungen?
Seit drei Jahren lässt die ABDA im Vorfeld des Apothekertags die Apothekeninhaber zu ihrer wirtschaftlichen Situation befragen und stellt das Ergebnis auf der Pressekonferenz zum Apothekertag vor. Auch in diesem Jahr. Und seit drei Jahren zeigt dieser „Apothekenklima-Index“ nach unten: Die Situation der Apotheken in Deutschland hat sich weiter verschlechtert. Die Bürokratie hat zugenommen, Retaxationen und Lieferengpässe machen Stress. 71 Prozent erwarten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung. Das einzig Motivierende ist laut dieser Umfrage noch die Beratung und der persönliche Kontakt zu den Patienten, die Selbstständigkeit und der wirtschaftliche Erfolg, so es denn einen gibt. Mein liebes Tagebuch, wie fühlt man sich da als ABDA, wenn man seit drei Jahren solch desaströse Umfrageergebnisse auf einer Auftaktpressekonferenz präsentiert? Denkt man da auch schon mal über die eigene Politik nach?
Man glaubt es nicht, mein liebes Tagebuch: Da wächst der Arzneimittel-Versandhandel zweistellig, DocMorris und Co. rüsten mit Riesen-Investitionen auf, um an die Rezepte zu kommen, Amazon steht quasi ante portas und drängt auf den deutschen Arzneimittelmarkt, ein Rx-Versandverbot löst sich gerade in Luft auf – und unsere Trutzburgbauer, die ehrenamtlichen Pharmazieräte und Amtsapotheker bewegen sich beim Botendienst keinen Millimeter. Sie bekennen sich dazu, dass der Botendienst und der Versandhandel nicht vermischt werden dürfen. Na, mein liebes Tagebuch, in welcher Zeit leben unsere Pharmazieräte eigentlich? Erklär das mal unseren lieben Kunden, die doch eigentlich bei uns im Mittelpunkt stehen sollten. Der Botendienst, ein Relikt aus der Vor-Versandhandels- und Vor-Internet-Zeit, der nur im begründeten Einzelfall stattfinden soll (allein schon diese Formulierung lässt einen erschaudern) – lässt sich der heutzutage wirklich noch so aufrecht erhalten wie es in grauer Vorzeit war? Da versuchen unsere Pharmezieräte einen Unterschied zu konstruieren zwischen a) einer telefonischen oder auch E-Mail-Bestellung in der Apotheke vor Ort mit der Bitte, die Arzneimittel nach Hause zu liefern, was dann vom pharmazeutischen Personal ausgeführt werden darf, und b) einer Online-Bestellung im Webshop derselben Apotheke vor Ort, die dann nicht durch den Botendienst der Apotheke erfolgen darf, sondern durch einen externen Dienstleister erfolgen muss. Also, mein liebes Tagebuch, im beispielhaften Klartext zum Mitschreiben: Bestellung per E-Mail an die Apo – die PTA darf’s bringen; Bestellung per Webshop der Apo – nur DHL oder andere dürfen’s bringen. Damit wäre der Vorteil der schnellen Belieferung durch die Apotheke („same day delivery“) im Vergleich zu den niederländischen Päckchenpacker doch verloren! Mal Hand aufs Herz, liebe Pharmazieräte, lässt sich eine Differenzierung nach Bestellweg heute noch aufrecht erhalten und wofür? Sollte man nicht lieber fordern, dass der Bestellweg vollkommen egal ist und in jedem Fall eine Beratung stattfinden sollte, beispielsweise durch die PTA, die per „Botendienst“ ausliefert, oder auch per Telefon oder per Video-Chat (Telepharmazie)? So, wie es unsere Pharmazieräte fordern, ist das jedenfalls mehr als verstaubt und nicht mehr haltbar. Und ich prophezeie: Spätestens in fünf Jahren, wenn dann wirklich die Lieferdienste und Lieferplattformen um uns herum über Hand nehmen, lässt sich eine Lieferung durch Botendienst und externe Dienstleister nicht mehr trennen. Der Kunde versteht’s eh nicht. Würden sich die Pharmazieräte dagegen dafür einsetzen, dass vor oder bei der Zustellung die Beratung gewährleistet ist, dann hätte das einen echten Nutzen im Vergleich zu den ausländischen Versendern, die zwar auch beraten müssen, es aber so gut wie nie tun.
11 Kommentare
Zukunftssicherung
von Reinhard Rodiger am 14.10.2018 um 15:59 Uhr
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Situationsanalyse zuerst ...
von Reinhard Herzog am 14.10.2018 um 13:14 Uhr
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AW: Situationsanalyse zuerst
von Karl Friedrich Müller am 14.10.2018 um 14:10 Uhr
AW: Situationsanalyse zuerst
von Ulrich Ströh am 14.10.2018 um 14:48 Uhr
AW: Situationsanalyse zuerst
von Wolfgang Müller am 14.10.2018 um 15:30 Uhr
Strategie ?
von Reinhard Rodiger am 14.10.2018 um 12:58 Uhr
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Die Strategie der ABDA ist gescheitert
von Gunnar Müller, Detmold am 14.10.2018 um 11:34 Uhr
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Orientierung?
von Christian Giese am 14.10.2018 um 9:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Zunder ...
von Gunnar Müller, Detmold am 14.10.2018 um 11:05 Uhr
Schweigedeal und Pharmazieräte
von Ulrich Ströh am 14.10.2018 um 9:16 Uhr
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Verdient
von Conny am 14.10.2018 um 9:08 Uhr
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