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10. Oktober 2018
Los geht’s mit dem Apothekertag. Traditionelle Expopharm-Eröffnung. Apothekerverbands-Chef Fritz Becker wiederholt laut und deutlich seine Forderung, die Importquote für verschreibungspflichtige Arzneimittel sofort zu streichen. Die Abschaffung sei zwingend geboten. Jawoll, mein liebes Tagebuch, hätte er noch öfters machen sollen. Man kann es nicht oft genug sagen. Als Grund gibt Becker auch die Skandale der letzten Monate an, Valsartan und Lunapharm, die letztlich u . a. auch mit importierten Arzneimitteln und importierten Stoffen zu tun haben. Was er auch noch sagte: „Was muss noch alles passieren, bis die Krankenkassen erkennen, dass es gute und sichere Arzneimittel eben nicht zu Dumpingpreisen gibt?“ So ist es, mein liebes Tagebuch. Gut zu wissen, dass im Übrigen auch die Pharmaverbände in diesem Punkt und in weiteren Fragen auf der Seite von uns Apothekers stehen. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hält es z. B. für denkbar, dass die Apotheker in Zukunft mehr Kompetenzen bekommen, z. B. Grippeimpfungen vornehmen.
Na, mein liebes Tagebuch, war das wieder ein echter klassischer Friedemann? Ich meine Friedemann Schmidt, unseren ABDA-Präsidenten? Jein. Will heißen: Ja, weil er in seinem Lagebericht wieder seine schön-geistig formulierten Worte setzte, mit denen es um Ordnung, Verantwortung, Vertrauen und Recht ging und er die aktuellen Fälle wie Valsartan, Lunapharm und Bottroper Zytoapotheker und mehr unterbrachte. Er verurteilte eine Verschiebung des Wertefokus hin zu Wettbewerb, Kosten und Preisen auch im Gesundheitswesen und brachte es noch auf den Punkt: „Weltweit unbeschränkter Waren- und Kapitalverkehr ist auch im Gesundheitswesen zu einem politischen Fetisch geworden.“ Fein. Im zweiten Teil seiner Rede zeigte sich Schmidt dagegen eher von einer selteneren Seite – da ließ er durchschimmern: Ich kann auch Klartext. Er zog über die volkswirtschaftlich gebildeten Schreibtischstrategen her (Monopolkommission, Sachverständigenrat) die meinen, das Arzneimittelversorgungssystem könnte besser, effektiver und vor allem billiger gemacht werden. Schmidt nannte es ewige Besserwisserei und Blödsinn, die Welt als Unternehmen und Menschen als seine Mitarbeiter und Kunden zu betrachten. Dann reitet er seine Attacke gegen den GKV-Spitzenverband, von dem man ganz besonders genervt sei. Statt sich in der Valsartan-Krise hinter die Apotheker zu stellen und den Versicherten anzubieten, dass sie nicht ein zweites Mal ihre Zuzahlung bezahlen müssen, habe dieser Verband stattdessen ein apothekenpolitisches Papier in die Welt gesetzt und vorgeschlagen, „vielen von uns die Läden zuzumachen“, ein Verhalten, das an Frechheit nicht zu überbieten sei. Die Politik sollte den Mut haben, mit den vom GKV-Spitzenverband geforderten Strukturveränderungen bei diesem Verband selbst anzufangen. Und Schmidt schloss seine Rede mit: „Wir brauchen keine ökonomische Klugscheißerei, sondern gute Rahmenbedingungen für eine verlässliche Versorgung.“ Wow, mein liebes Tagebuch, so kennt man ihn nicht alle Tage. Schade eigentlich, warum nimmt er nicht öfters mal kein Blatt vor den Mund? Denn da merkt man, dass er für eine Sache kämpft, da ist Feuer drin und kein lauwarmer Einheitsbrei. Und ganz klar, für diese deutlichen Worte gab’s dann – wie vorhergesagt – standing ovations. Leider hat Schmidt allerdings „vergessen“, über ein Rx-Versandverbot zu sprechen, das die ABDA doch so vehement von Spahn einfordert (der Minister war bei Schmidts Rede im Saal zugegen!). Auch andere Forderungen, beispielsweise nach Honorierung von Dienstleistungen oder Honoraranpassungen wurden mit keiner Silbe erwähnt. Hatte das was mit dem Geheimhaltungs-Deal zwischen ABDA und Spahn zu tun?
Und dann kam Spahn. Und zeigte sich von seiner Sunny-boy-Seite, freundlich, lächelnd, geschmeidig, offen für alles, vor allem für Diskussionen und Gespräche, die er den Apothekers anbot. Aber außer seinen warmen Worten hatte er nichts dabei. Lasst uns reden, diskutieren wir miteinander, rief er den Pharmazeuten grinsend zu. Denn: „Ich debattiere gern, deswegen bringe ich Ihnen heute auch kein fertiges Konzept mit“ – also kein Konzept, wie es mit dem Rx-Versandverbot weitergeht, was man anstatt machen könnte und wie es mit der Honorarfrage aussieht. Nur eines weiß er: Diskutiert wird auch nicht ewig, sondern im Prinzip nur ein paar Wochen, denn am Ende der nächsten sechs Monate soll ein fertiger Gesetzentwurf stehen, wie’s weitergeht: „Die nächsten sechs Monate sind geprägt vom Thema Arzneimittelversorgung.“ Was er auch anklingen ließ: Ja, der unfaire Wettbewerbszustand zwischen Vor-Ort-Apotheken und ausländischen Versendern ist nicht haltbar. Das Rx-Versandverbot stehe zwar im Koalitionsvertrag, sei aber rechtlich schwierig, sehr schwierig. Daher: Bitte, lieber Apothekers, weitet euren Blick, wie man sonst noch die flächendeckende Versorgung sicherstellen und wie man euer Wissen noch besser verfügbar machen kann. Super, oder mein liebes Tagebuch? Und zur Besänftigung und als Zuckerchen gab’s die Zauberformel oben drauf: „Es wird keinen Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken geben – (und mit einem noch breiterem Lächeln fügte er hinzu) solange ich Gesundheitsminister bin.“ Na, mein liebes Tagebuch, da wissen wir, woran wir sind. Was sich Spahn übrigens auch vorstellen kann: impfende Apotheker, Telepharmazie, Abschaffung des Schulgelds für PTA-Ausbildung, Honorare für apothekerliche Dienstleistungen (z. B. Präventionsangebote), eine neue Definition von Botendienst (da werden sich unsere altvorderen Pharmazieräte umstellen müssen!). Und dann haute er der ABDA noch das 2hm-Honorargutachten um die Ohren: Es ist nun mal auf dem Tisch, wir werden darüber reden müssen (arme ABDA, da ging die Schweigestrategie wohl doch nicht auf). Also, mein liebes Tagebuch, stellen wir uns auf Diskussionen und Debatten mit Spahn ein. Dumm nur, dass unsere ABDA so gar keine Vorschläge auf den Tisch legen kann, was man sich so vorstellt, wie es mit Plan B weitergeht. Und ein Gegengutachten haben wir auch nicht.
Die sich anschließende Diskussion verlief übrigens ruhig und sachlich, etwa eine halbe Stunde lang nahm sich Spahn für den Dialog mit den Apothekern im Plenum Zeit. Erwartungsgemäß nahm das Rx-Versandverbot großen Raum ein. Aber Spahn blieb cool: „Ich mache keine Veranstaltung, in der ich etwas verspreche, das ich nicht halten kann.“
11 Kommentare
Zukunftssicherung
von Reinhard Rodiger am 14.10.2018 um 15:59 Uhr
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Situationsanalyse zuerst ...
von Reinhard Herzog am 14.10.2018 um 13:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Situationsanalyse zuerst
von Karl Friedrich Müller am 14.10.2018 um 14:10 Uhr
AW: Situationsanalyse zuerst
von Ulrich Ströh am 14.10.2018 um 14:48 Uhr
AW: Situationsanalyse zuerst
von Wolfgang Müller am 14.10.2018 um 15:30 Uhr
Strategie ?
von Reinhard Rodiger am 14.10.2018 um 12:58 Uhr
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Die Strategie der ABDA ist gescheitert
von Gunnar Müller, Detmold am 14.10.2018 um 11:34 Uhr
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Orientierung?
von Christian Giese am 14.10.2018 um 9:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Zunder ...
von Gunnar Müller, Detmold am 14.10.2018 um 11:05 Uhr
Schweigedeal und Pharmazieräte
von Ulrich Ströh am 14.10.2018 um 9:16 Uhr
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Verdient
von Conny am 14.10.2018 um 9:08 Uhr
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