Gastkommentar

Wo liegt die Zukunft der Pharmazie?

Frankfurt am Main - 02.11.2018, 16:15 Uhr

Was muss der Apotheker können, um fit für die Zukunft zu sein? (s/ Foto: elnur / stock.adobe.com)

Was muss der Apotheker können, um fit für die Zukunft zu sein? (s/ Foto: elnur / stock.adobe.com)


Über die Frage, wo die Zukunft der Pharmazie liegt, lässt sich offenbar trefflich diskutieren. Zumindest machte die Aussage „Klinische Pharmazie ist die Zukunft!“ im DAZ-Morgennewsletter vom gestrigen Donnerstag die Frankfurter Hochschullehrer Dr. Ilse Zündorf, Prof. Dr. Robert Fürst und Prof. Dr. Dieter Steinhilber nach eigener Aussage neugierig. Und zwar vor allem, weil sie selbst keine Klinischen Pharmazeuten sein. Ihren Standpunkt legen sie in einem Gastkommentar dar. 

Klinische Pharmazie ist seit 17 Jahren das fünfte Prüfungsfach im Pharmaziestudium. Zurecht, denn die angehenden Apothekerinnen und Apotheker sollen das wissenschaftliche Rüstzeug mitbringen, um Patienten individuell und optimal mit Arzneimitteln versorgen zu können. Trotz der unbestrittenen Relevanz der Klinischen Pharmazie darf aber nicht vergessen werden, dass es noch vier weitere Fächer gibt, ohne die die Pharmazie sicherlich auch keine Zukunft hat: Ohne die Pharmazeutische/Medizinische Chemie gäbe es keine Wirkstoffe und ohne Pharmazeutische Technologie gar keine Arzneimittel. Und genauso wenig kann auf die Pharmazeutische Biologie oder die Pharmakologie verzichtet werden. Gerade das Zusammenspiel der fünf Fächer ist wichtig und bietet den Studierenden ein breites Basiswissen, also die Grundlagen für ihren späteren Beruf. 

Zum Hintergrund

Im DAZ.online-Morgennewsletter vom gestrigen Donnerstag vertrat Chefredakteurin Julia Borsch die Meinung, die Zukunft des Apothekerberufs liege in der Klinischen Pharmazie, also dem Einsatz der Apotheker gemäß ihrer Qualifikation als Arzneimittelfachleute, und nicht in der Logistik. Schließlich sei diese schon heute zumindest theoretisch automatisierbar – mit Scanner, Rowa und Abholfach. Dabei wurde Bezug genommen auf die Nichtbesetzung einer Professur für Klinische Pharmazie in München. 

Das machte, nach eigener Aussage, die Frankfurter Hochschullehrer Dr. Ilse Zündorf, Prof. Dr. Robert Fürst und Prof. Dr. Dieter Steinhilber neugierig. Vor allem, wie sie erklären, weil sie selbst keine Klinischen Pharmazeuten sind.

Apropos Beruf: In den Werbeveranstaltungen, in denen wir den interessierten Schülerinnen und Schülern das Pharmaziestudium schmackhaft machen wollen, weisen wir immer auf die besonders vielfältigen Möglichkeiten der Berufswahl hin. Natürlich gehen 80 Prozent der Absolventinnen und Absolventen anschließend in die Apotheke, aber es wollen (und müssen!) eben auch etliche in die Industrie, zu Behörden, an die Hochschule oder vielleicht sogar in einen pharmazeutischen Verlag. Alle diese Arbeitgeber haben bestimmte Vorstellungen, wie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet werden und was sie bei Eintritt in das Berufsleben können sollen. Das Pharmaziestudium muss die naturwissenschaftliche Basis schaffen, die für alle Berufsgruppen gilt. Wir sind der Meinung, dass das derzeitige Studium – mit allen seinen fünf Fächern – ein gesunder Kompromiss und eine gute Grundlage für die spätere, weitere Qualifizierung ist. Und diese beginnt nicht erst mit dem ersten Job, sondern bereits im Praktischen Jahr: „Während der ganztägigen praktischen Ausbildung sollen die im vorhergehenden Studium erworbenen pharmazeutischen Kenntnisse vertieft, erweitert und praktisch angewendet werden.“ (§ 4 Abs. 2 AAppO). Um uns nicht misszuverstehen: Dies bedeutet keinesfalls, dass die Klinische Pharmazie nur im dritten Ausbildungsabschnitt stattfinden soll und ist auch keine Entschuldigung dafür, dass das Fach an zu wenigen Standorten durch eine W3-Professur/Lehrstuhl vertreten ist. Das Problem ist noch viel größer und älter: Nur an einer kleinen Zahl an Standorten gibt es eine eigene Pharmakologie innerhalb der Pharmazie!

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Universität und Berufsstand zum Wohle der gesamten Pharmazie

Anlass für den aktuellen DAZ-medialen Rummel um das Fach Klinische Pharmazie ist die offenbar nicht erfolgte Besetzung der Ende 2017 ausgeschriebenen W3-Professur für Klinische Pharmazie an der LMU München. Ein derartiges Verfahren wird in der Regel von einer Berufungskommission durchgeführt, die aus Mitgliedern verschiedener Statusgruppen der Universität, also Professoren/innen (interne und externe), wissenschaftlichen Mitarbeitern/innen und Studenten/innen sowie in beratender Funktion Gleichstellungsbeauftragte und evtl. Personalrat besteht. Ein/e Senatsberichterstatter/in begleitet üblicherweise das Verfahren und achtet auf das regelkonforme Vorgehen. Aus der Zahl der Bewerber werden diejenigen ausgewählt und zum Vorstellungsvortrag und -gespräch eingeladen, die – von der Schriftform – für die Stelle am geeignetsten erscheinen. Aus eigenen, reichhaltigen Erfahrungen nimmt es eine Berufungskommission nicht auf die leichte Schulter, die/den geeigneten Kandidatin/en auf Herz und Nieren zu prüfen, sondern wägt sehr genau die verschiedenen Aspekte ab. Wenn dann doch die finale Entscheidung getroffen werden muss, dass unter den zunächst ausgewählten niemand als ausreichend qualifiziert betrachtet wird, war das sicherlich ein äußerst schwieriger Prozess, der ja letztlich auch das eigene Scheitern offenbart, was niemand leichtfertig geschehen lässt. Wie das Münchner Verfahren genau abgelaufen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

Forderung der Delegierten ist Stein des Anstoßes

Stein des Anstoßes für unseren Kommentar ist vielmehr, was laut DAZ.online in einem Antrag von Delegierten der Bayerischen Landesapothekerkammer an den Vorstand gefordert wird: Die Delegierten wollen zum Beispiel explizit wissen, wer die Mitglieder des Berufungsausschusses waren, wie viele Kandidaten sich für den Lehrstuhl beworben haben und ob es richtig sei, dass alle Bewerber für ungenügend qualifiziert erachtet wurden. Für außenstehende universitäre Betrachter klingen diese Forderungen doch recht befremdlich: Die Mitglieder der Berufungskommission sollen nicht nur Rechenschaft ablegen, sondern vor allem vertrauliche Informationen weitergeben. Ob sich die Delegierten (wir kennen sie nicht persönlich) eine entsprechende Einmischung pharmazeutischer Hochschullehrer in ihre Belange erlauben würden? Sicher nicht, und das ist auch richtig so. Universitäten sind autonom, Forschung und Lehre sind frei. Und ebenso autonom sind die Apothekerkammern in ihren Aufgabenbereichen. Die Autoren dieses Kommentars wünschen sich zum Wohle der gesamten Pharmazie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Universität und Berufsstand.

Dr. Ilse Zündorf akademische Oberrätin am Institut für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt. tätig.





Prof. Dr. Robert Fürst ist Professor für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt.




Prof. Dr. Dieter Steinhilber ist ebenfalls in Frankfurt tätig als Professor für Pharmazeutische Chemie. 



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