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Es war die Woche, in der das Rx-Versandverbot wohl endgültig gestorben ist. Selbst die CSU mag nichts mehr davon wissen, verkündet ihr digitaler Avatar, die Staatssekretärin. Jetzt geht’s um einen Plan B. Bloß wie der aussieht, das wissen die Götter. Und die ABDA. Aber beide können noch nichts sagen. Was bekommen wir Apothekers anstatt? Und wie immer in Zeiten von Untergang und Apokalypse, wenn nichts als Rauch und Pulverdampf über dem Schlachtfeld aufsteigt: Keiner weiß, wie’s weitergeht. Nur wilde Spekulationen wabern durch die Lüfte.
5. November 2018
Vor der Wahl in Bayern versuchten die CSU und die Freien Wähler die Apothekers mit zuckersüßen Worten zu umgarnen: Ihr lieben Apotheker, durch das EuGH-Urteil seid ihr so benachteiligt, eure Existenz ist bedroht, daher lehnen wir den Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln ab. Und – wir haben es geahnt – kaum hat die neue Bayern-Koalition die Stimmen ihrer Wähler, steht von einem Rx-Versandverbot nichts, aber auch gar nichts im Koalitionsvertrag. Klar, die Apotheke vor Ort soll erhalten bleiben aber das war dann auch schon alles, was von den Wahlversprechen übrig geblieben ist. Mein liebes Tagebuch, was soll man davon halten? Ja, die Politik, selbst die Bayerische, will es nicht, das Rx-Versandverbot, sie geben ihm keine Chancen. Aber sie legen auch keine Vorschläge auf den Tisch, die für eine Kompensation sorgen könnten. Die Strategie der Politiker: Schmiert den Apothekers Honig ums Maul, sagt ihnen, wie toll, einmalig und unverzichtbar sie sind, gebt ihnen vielleicht ein paar Cents für den Nachtdienstfonds oder einen Euro fürs Medikationsmanagement, dann halten sie still. Mein liebes Tagebuch, geht diese Rechnung auf?
Auch wenn wir von einer endgültigen Reform der PTA-Ausbildung noch ein wenig entfernt sind – es tut sich was! Spahn will sie! Sein Ministerium hat daher Vertreter von der Apothekengewerkschaft Adexa, vom PTA-Verband BVpta und von der ABDA zu einem Gespräch ins Ministerium eingeladen. Soll konstruktiv gewesen sein, heißt es, auch wenn die unterschiedlichen Positionen noch weit auseinander liegen: Adexa und BVpta sind für eine Verlängerung der Ausbildung auf drei Jahre, die ABDA lehnt das ab, ebenfalls die Schulleiter. Die TGL Nordrhein kann sich dagegen eine Verlängerung des PTA-Praktikums in der Apotheke vorstellen, was jedoch bei Adexa und BVpta auf keine Gegenliebe stößt. Mein liebes Tagebuch, da kommt noch ein bisschen Arbeit auf den Bundesgesundheitsminister zu.
6. November 2018
Die Bayerischen Delegierten möchten gerne wissen, warum die genehmigte und ausgeschriebene Professur für Klinische Pharmazie in München nicht besetzt wurde und ob es stimmt, dass die Professur stattdessen dem Department der Organischen Chemie zugeschlagen worden sei. Die Delegierten hatten daher einen Antrag an ihren Vorstand gestellt, der Sache nachzugehen. Mein liebes Tagebuch, ist das etwa ein unanständiges Verlangen, wenn man Hintergründe wissen möchte? Na, drei Frankfurter Hochschullehrer haben darauf jedenfalls leicht verschnupft reagiert: das sei befremdlich, das sieht nach Einmischung der Delegierten in die Belange pharmazeutischer Hochschullehrer aus. Was ist daran so außergewöhnlich, mein liebes Tagebuch, wenn engagierte Delegierte wissen möchten, warum die Klinische Pharmazie an ihrer Uni keine eigene Professur bekommt? Die bayerischen Antragsteller werten die Auskunftsverweigerung der Uni nicht als vertrauensbildende Maßnahme. Mittlerweile scheint das Ansinnen der bayerischen Delegierten Früchte zu tragen: Die Uni bewegt sich und äußert sich dazu. Thomas Carell, Organischer Chemiker und Lehrstuhlinhaber an der Fakultät für Chemie und Pharmazie, stellt gegenüber DAZ.online klar: „Eine Verschiebung der Professur in irgendeinen anderen Bereich hat es nie gegeben.“ Es dürfte demnach nur eine Frage der Zeit sein, bis der Lehrstuhl besetzt wird. Wann das sein wird, steht allerdings noch in den Sternen. Immerhin, mein liebes Tagebuch, das klingt nach Entwarnung und zeigt: Es lohnt sich immer, nachzufragen und miteinander zu reden. Dank an die tapferen Delegierten.
Ist es nur eine Frage der Zeit, dass Cannabis auch in Deutschland legalisiert wird? Cannabis für jedermann, aus der Apotheke? Gesundheitspolitiker der SPD jedenfalls haben gerade viel Zeit, sich damit zu beschäftigen, sie wollen Modellprojekte zur regulierten Cannabis-Abgabe in Apotheken. Auch die Unionsfraktion und die FDP, die Grünen und die Linke sowieso können sich Modellprojekte vorstellen. Und was meint die ABDA zu? Sie lehnt die Cannabis-Legalisierung aus fachlichen Gründen ab, aber: Sollte die Politik entscheiden, dass es Cannabis aus Qualitäts- und Sicherheitsaspekten in Apotheken geben sollte, wolle man zu einer Lösung beitragen, also platt gesagt: Cannabis gegen Cash in Apotheken, na fein. Und warum dann nur Cannabis und kein feiner Kräuterlikör oder vergorener Saft aus den Früchten von vitis vinifera?
7. November 2018
Die TGL Nordrhein, die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein, ist da mit gutem Beispiel vorangegangen: Sie hat sich mit Adexa darauf geeinigt, eine eigene tarifliche Einstufung für Filialapotheker auf den Weg zu bringen. Die TGL-Vorsitzende Heidrun Hoch bringt es auf den Punkt: Die TGL will der besonderen Verantwortung, die die Filialleiter laut Apothekenbetriebsordnung und Apothekengesetz übernehmen, wertschätzend Rechnung tragen. Sie erbringen eine besondere Leistung, die man anerkennen müsse. Gut so! Selbst wenn in Deutschland wohl kaum eine Filialleiterin oder ein Filialleiter zum Tariflohn für Approbierte arbeitet – es ist richtig, die Honorierung dieser Berufsgruppe nicht nur dem Verhandlungsgeschick des Einzelnen zu überlassen, sondern eine Mindestentlohnung für diese Tätigkeit in den Tarifvertrag zu schreiben.
Der Arbeitgeberverband der ADA ziert sich derzeit noch, dies anzuerkennen. Die jüngsten Verhandlungen mit Adexa zu diesem Punkt sind erst einmal vertagt, die Apothekengewerkschaft hat die Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband ADA abgebrochen, weil der ADA, so die Lesart von Adexa, keinerlei Notwendigkeit sieht, die Rahmenbedingungen der Arbeitsverhältnisse in öffentlichen Apotheken attraktiver zu gestalten. Adexa will neben einem eigenen Tarif für Filialleiter z. B. auch ein Tarifmodell, das Fortbildungsaktivitäten der Apothekenmitarbeiter systematisch honoriert. Mein liebes Tagebuch, arg lange sollte der ADA da keinen Widerstand leisten – schon der gesunde Menschenverstand verlangt z. B. nach einer eigenen Tarifgruppe für Filialleiter, zumal sie mehr Verantwortung tragen und mehr leisten. Sollen die Arbeitsplätze in der Offizin attraktiv bleiben, gehören diese kleinen Verbessrungen dazu. Also, vielleicht ein bisschen mehr Bewegung in dieser Sache, lieber ADA?
8. November 2018
Also, mein liebes Tagebuch, dass das mal klar ist: Am liebsten, am allerliebsten hätten wir bitte gerne das Rx-Versandverbot. Eigentlich führt daran gar kein Weg vorbei, denn nur so hat der ganze Spuk mit den Boni und Rabatten der Versender und allem Unheil, was da sonst noch in der Luft liegt, ein Ende. Und die Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wäre wieder hergestellt. Und das geht nur mit einem Rx-Versandverbot. Aber leider gibt es da einige Aber. Das größte Aber: Spahn glaubt nicht daran, dass es politisch und EU-rechtlich machbar ist (obwohl Juristen und sogar CDU-Gesundheitsmann Hennrich von einer Machbarkeit überzeugt sind; es stellt sich dann nur die Frage, wie lang das dauern würde). Aber egal, Spahn will das Rx-Versandverbot im Innersten seines Herzens nicht. Sein Credo: Versandverbote passen nicht in die Zeit. Daher hat er die obersten Apothekers ins Gebet genommen und die fangen jetzt offiziell an – horribile dictu – darüber nachzudenken, welche Pläne B, C, D, welche Alternativen, welche Substitute es noch geben könnte, Gleichpreisigkeit auf anderen Wegen zu erreichen (wird nicht möglich sein) oder – und jetzt wird’s spannend – zumindest irgendwie einen Ersatz für entgangene Rx-Umsätze zu bekommen. Und diese Alternative müssten sie dann noch für die Basis in Zuckerwatte verpacken, um es ihr schonend zu verklickern und sie dafür sogar zu begeistern.
Am Mittwoch trat das kleine Konzil zusammen, die Chefs und Chefinnen der 34 Mitgliedsorganisationen haben sich in Berlin getroffen, um nach möglichen Alternativen zum Rx-Versandverbot Ausschau gehalten. Dass es dabei, ganz platt, auch ums Geld ging, liegt auf der Hand. Geredet wurde über Umstrukturierungen im Apothekenmarkt, über neue Honorarkomponenten. Was dabei herausgekommen ist? Klar, alles geheim, nix Genaues weiß man nicht, nur wenige haben ein bisschen geplaudert und vage Andeutungen herausgelassen. Was klar ist: Noch lange ist da kein fertiges Konzept eingetütet. Im Prinzip schwirrt da derzeit erst einmal das gesamte Konglomerat an Möglichkeiten durch den pharmazeutischen Äther wie neue Vergütungskomponenten für Apotheker, ein Strukturfonds für kleine Landapos, ein Fonds für pharmazeutische Dienstleistungen (welche Leistungen sollten das sein?), mehr Honorar für Nacht- und Notdienst, andere Einkaufsbedingungen beim Großhandel (Spannen und Rabatte), außerdem die Suche nach Möglichkeiten, wie man die Boni-Tätigkeit der EU-Versender außerhalb eines Rx-Versandverbots einschränken könnte und noch dies und das. Wobei die Diskussionen über eine Strukturkomponente für versorgungsrelevante (Land-)Apotheken wohl den meisten Raum einnahmen. Ob es letztlich darauf hinauslaufen wird, dass Spahn uns Apothekers eine Summe X schmackhaft macht, die wir über Fonds welcher Art auch immer, über Mehrarbeit, über Präventionsarbeit erwirtschaften müssten – kann sein, kann aber auch nicht sein. Noch ist das alles nichts anderes als eine wilde Spekulation, selbst die Summe von 350 Mio. Euro, die da durch den Medienäther geistert – nix als Spekulation.
Mein liebes Tagebuch, nur mal angenommen, es käme tatsächlich eine Summe X als „Ausgleich“ fürs abgelehnte Rx-Versandverbot, was würde dann passieren? Der Ausgleichsbetrag würde sich in den politischen Mühlsteinen rasch auf deutlich weniger zerreiben – man denke nur daran, was passiert, wenn diese Summe in die Bild-Zeitung gelangt oder wenn die Krankenkassen ihr Hassfeuer dagegen abballern. Und für die Opposition ist das eine Steilvorlage, gegen mehr Honorar für Apotheker zu stimmen. Außerdem Unsicherheitsfaktor Spahn – was ist, wenn er sein Gesundheitsministeramt abgibt, weil er sich zu Höherem berufen fühlt? Was machen sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin?
Also, mal mit kühlem Kopf betrachtet und auf das Niveau eines „Big Deal“ von ABDA und Spahn heruntergebrochen: Mit Spahn gibt es kein Rx-Versandverbot, man sucht nach einem Ersatz, an dessen Ende ein Verlustausgleich für uns Apothekers, sprich Geld, steht. Die Frage ist dann: Sagt die ABDA ja dazu oder lehnt sie das ab? Mein liebes Tagebuch, mal anders gefragt: Welche Alternativen haben wir denn? Was bleibt uns sonst? Wenig bis nix. Na siehste, mein liebes Tagebuch, da kommt man doch in Versuchung, solche Art von Deals gut zu finden. Fazit: Wir werden zustimmen – und sollten findige Juristen einen Klageweg hin zum Rx-Versandverbot vor den EuGH beschreiten, umso besser – da sagen wir doch nicht Nein dazu. Und wie geht es nun tatsächlich weiter: Bald mehr in diesem Theater – nach dem 11.11.!
9. November 2018
Juristisch ist das Rx-Versandverbot möglich – sagt der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich. Aber – und das ist der zweite Teil dieses Satzes – aber mit Spahn als Gesundheitsminister nicht realistisch. Und die Bevölkerung wolle das Verbot nicht. Wirklich? Mein liebes Tagebuch, das müssen wir uns vor Augen halten: Unser Schicksal wird rein politisch entschieden. Was juristisch möglich ist, spielt keine Rolle?
Und hier noch was mit schönen Grüßen fürs Wochenende von der CSU-Staatssekretärin Dorothee Bär: Sie nennt uns Apothekers ganz liebevoll „Besitzstandswahrer“, weil wir gerne das Rx-Versandverbot hätten. Und dazu posaunt sie: „Man sollte nicht versuchen, gesetzlich alte Geschäftsmodelle durchzudrücken, wenn man sie nicht mehr aufrechterhalten kann.“ Für sie passt der Koalitionsvertrag mit seiner Erklärung, sich für ein Rx-Versandverbot einzusetzen, so gar nicht mit der Digitalisierung zusammen. Oh, Danke, liebes Innovations-Bärchen, wir haben verstanden. Wir schicken mal gleich ein Flugtaxi vorbei. Die CSU ist einfach eine wahnsinnig flexible High-Tech-Partei, und voll auf Linie mit ihrem dynamischen Vorsitzenden, heute so und morgen so. Und darauf ist Verlass!
16 Kommentare
politiccccs
von Dr.Diefenbach am 12.11.2018 um 11:43 Uhr
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Buchpreisbindung
von Christian Giese am 11.11.2018 um 12:45 Uhr
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Das "Weihnachtsgans-Szenario" im Detail
von Wolfgang Müller am 11.11.2018 um 12:07 Uhr
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AW: Das "Weihnachtsgans-Szenario"
von Karl Friedrich Müller am 11.11.2018 um 13:24 Uhr
AW: Das "Weihnachtsgans-Szenario"
von Wolfgang Müller am 11.11.2018 um 16:01 Uhr
Fehler
von Reinhard Rodiger am 11.11.2018 um 11:58 Uhr
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Sonntachmorjen un´ nur saure Jurken
von Bernd Jas am 11.11.2018 um 11:57 Uhr
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Weggabelungen ...
von Reinhard Herzog am 11.11.2018 um 11:03 Uhr
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AW: Weggabelungen
von Karl Friedrich Müller am 11.11.2018 um 11:24 Uhr
AW: Weglaufungen
von Bernd Jas am 11.11.2018 um 12:19 Uhr
Gebrauchter Polo Diesel gegen RXVV ...
von Christian Timme am 11.11.2018 um 10:28 Uhr
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Linsengericht oder schlechter Ruf ?
von Christian Giese am 11.11.2018 um 10:22 Uhr
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Honig ums Maul
von Conny am 11.11.2018 um 9:36 Uhr
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AW: Conny mit dem kleinen e
von G. Wagner am 11.11.2018 um 18:00 Uhr
No big deal in Sicht!
von Ulrich Ströh am 11.11.2018 um 8:40 Uhr
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von Anita Peter am 11.11.2018 um 8:16 Uhr
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