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Arzneimittelskandale
Bundesregierung hat Arzneimittelüberwachung der Länder nicht kontrolliert
Infolge der Arzneimittelskandale rund um den Bottroper Zyto-Apotheker, die Valsartan-Verunreinigungen und den Pharmahändler Lunapharm wurden zuletzt auch die Arzneimittelüberwachungsbehörden der Länder kritisiert. Die FDP-Bundestagsfraktion nahm das zum Anlass, die Bundesregierung danach zu fragen, ob sie die Arbeit der Länderbehörden denn überhaupt kontrolliert. Die Antwort: Nein. FDP-Gesundheitspolitiker Prof. Dr. Andrew Ullmann ist sauer und spricht von einem „Skandal“.
Bottrop, Lunapharm, Valsartan – in allen drei Fällen rückte zuletzt die Arbeit der Arzneimittelüberwachungsbehörden der Bundesländer in den Fokus. Im Verfahren gegen den Bottroper Zyto-Apotheker gestand eine Amtsapothekerin ein: Der Zyto-Apotheker wurde jahrelang gar nicht kontrolliert. Nach Bekanntwerden des Lunapharm-Skandals attestierte die von der Landesregierung beauftragte Taskforce der Brandenburger Behörde ein Komplettversagen: Die Behörde sei unter- und fehlbesetzt und habe falsch reagiert. Und auch im Falle der Valsartan-Verunreinigungen wird diskutiert, inwiefern man die verunreinigten Chargen kontrollieren hätte müssen, um die Belastung mit Nitrosaminen früher zu entdecken.
In Bundesgesetzen ist derzeit geregelt, dass die Bundesländer die Arzneimittelversorgung überwachen und kontrollieren müssen. Aber wer prüft, ob in den Ländern bei der Überwachung auch alles richtig läuft? Genau dieser Frage widmete sich die FDP-Bundestagsfraktion in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung. Die FDP unter Federführung des Mediziners Prof. Dr. Andrew Ullmann wollte wissen, inwiefern man sich im Bund mit Vertretern der Überwachungsbehörden auf Landesebene ausgetauscht habe. Die Liberalen wiesen darauf hin, dass die Bundesregierung befugt ist, die Aufsicht über den Vollzug von Bundesrecht durch die Länder auszuüben. Hat der Bund also ausreichend geprüft, ob die Länder die Umsetzung des Arzneimittelgesetzes und des Heilmittelwerbegesetzes kontrollieren? Konkret will die FDP erfahren, wie oft die Bundesregierung Beauftragte in die Landesbehörden geschickt hat.
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BMG: Arzneimittelüberwachung nicht grundsätzlich in Frage stellen
DAZ.online liegt die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums nun exklusiv vor. Bezüglich der Entsendung von Spezialisten in die Bundesländer erteilt die Regierung der FDP eine Absage: „Die Bundesregierung tauscht sich in regelmäßigen Abständen auf unterschiedlichen fachlichen Ebenen mit Vertretern der Länder zum Vollzug der Gesetze aus. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit keine Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter nach Artikel 84 Absatz 3 Satz 2 GG in Landesbehörden zur Aufsicht der Ausführung des Arzneimittelgesetzes oder des Heilmittelwerbegesetzes entsandt“, heißt es in der Antwort.
Das BMG stellt auch klar, dass es an der dezentralen Organisation der Arzneimittelüberwachung grundsätzlich festhalten wolle – und liefert diese Erklärung dazu mit:
Dies ist vor allem darin begründet, dass diese Aufgaben der Sache nach im Hinblick auf die sehr große Zahl von zu überwachenden Einrichtungen für das gesamte Bundesgebiet nicht ohne Mittel- und Unterbau und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder effektiv wahrgenommen werden kann. Rückschlüsse aus unterschiedlichen Einzelfällen dürfen nicht Anlass dafür sein, das gesamte Arzneimittelüberwachungssystem in Frage zu stellen.“
Ullmann: Das ist ein Skandal!
FDP-Politiker Ullmann ist verärgert über die Antwort des Ministeriums. Angesichts der Skandale sei die Reaktion „ernüchternd“. Denn: „Trotz erheblicher Vollzugsdefizite bei Anwendung unseres strengen Arzneimittelrechts reagiert die Bundesregierung auf unsere Fragen nach dem Motto: ‚Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen!‘ Dass es die Bundesregierung nach Bekanntwerden des Falls Lunapharm nicht einmal in Erwägung gezogen hat, einen Beauftragten nach Brandenburg zu entsenden, ist ein Skandal!“, so Ullmann.
BMG verweist auf Arbeitsgruppe und Info-Plattform
In der Antwort weist das BMG allerdings auch darauf hin, dass es seit 2014 aufgrund von Fällen illegal gehandelter und gefälschter Arzneimittel italienischen Ursprungs eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe (AG) zum Thema Arzneimittelfälschungen gibt. Zur Erinnerung: Dem Brandenburger Händler Lunapharm wird unter anderem vorgeworfen, gestohlene Klinikware aus Italien importiert zu haben. Die Arbeitsgruppe dient dem Ministerium zufolge der „Stärkung des Informationsflusses sowie der Verbesserung der Zusammenarbeit der beteiligten Behörden und der Optimierung der Verfahrensabläufe“. In der AG seien unter anderem von den Ländern und den Bundesoberbehörden neue Verfahrensanweisungen zu Arzneimittel- und Wirkstofffälschungen erarbeitet worden, heißt es weiter. Außerdem sei eine gemeinsame Informationsplattform in Form einer Datenbank geschaffen worden, die einen schnellen Überblick über die in Deutschland ergriffenen Maßnahmen der zuständigen Behörden der Länder ermögliche.
Außerdem verweist das Ministerium in seiner Antwort auf das kürzlich bekanntgewordene geplante Arzneimittel-Gesetzespaket. Das BMG hatte kürzlich einen ersten Referentenentwurf zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) in die Abstimmung geschickt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sollen bei der Arzneimittelüberwachung demnach künftig eine größere „Koordinierungsfunktion“ erhalten. Beide Institutionen sollen künftig etwaige Rückruf-Aktionen auf Ebene der Bundesländer koordinieren.
Ullmann: Spahns Arzneimittelpaket ist Etikettenschwindel
Aber auch damit will sich der FDP-Politiker Ullmann nicht zufriedengeben. „Die Stärkung der Koordinierungsfunktion des BfArM und des PEI für Rückrufe und eine Erweiterung der Rückrufkompetenz für das BfArM selbst lösen die Probleme von Nichtüberwachung oder mangelhafter Überwachung in Ländern oder Gemeinden nicht. So sind die nächsten Fälle praktisch vorprogrammiert“, erklärt der Mediziner gegenüber DAZ.online. Ohnehin handele es sich im GSAV in vielen Fällen um „Etikettenschwindel“. Die geplanten Regelungen zu Biosimilars und zur Hämophilie-Versorgung zeigen aus Sicht der FDP: „Es geht dort nicht um mehr Patientensicherheit, sondern um reine Kostendämpfung.“
Die Liberalen fordern nun, dass die Arzneimittelüberwachung „grundsätzlich reformiert und vom Kopf auf die Füße gestellt“ wird. Das Fallbeispiel USA zeige, dass eine effektive Arzneimittelüberwachungsstruktur auch auf Bundesebene etabliert werden könne. An einem Beispiel verdeutlicht Ullmann seine Forderung: „Es hilft nichts, wenn die Überwachung beispielsweise in Schleswig-Holstein tadellos funktioniert, wenn ein Importeur mit Sitz in Brandenburg auch dorthin mangelhafte oder gefälschte Arzneimittel vertreibt. Dagegen spielen für eine Bundesbehörde mit eigenen Überwachungs- und Ermittlungsbefugnissen Ländergrenze keine Rolle!“
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