Verfassungsrechtliches Gutachten

Rx-Versandverbot: Die ABDA hat noch ein Pfund in der Hinterhand

Berlin - 27.11.2018, 11:30 Uhr

Im Versandhandelskonflikt hat die ABDA noch ein gewichtiges Gutachten in der Schublade: Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio hat für die ABDA ein Gutachten zur Machbarkeit des Rx-Versandverbotes erstellt. (j/Foto: Imago)

Im Versandhandelskonflikt hat die ABDA noch ein gewichtiges Gutachten in der Schublade: Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio hat für die ABDA ein Gutachten zur Machbarkeit des Rx-Versandverbotes erstellt. (j/Foto: Imago)


Nach mehr als zwei Jahren Wartezeit soll es im Versandhandelskonflikt nun bald eine Entscheidung geben. Am 11. Dezember will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Apothekern seine Pläne mitteilen. Nach Informationen von DAZ.online hat die ABDA aber noch ein ordentliches Pfund in der Hinterhand, um die Politik in letzter Minute doch noch vom Rx-Versandverbot zu überzeugen: ein verfassungsrechtliches Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio.

Länger als zwei Jahre wirbt die ABDA inzwischen für das Rx-Versandverbot: Schon wenige Tage nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung war ABDA-intern klar, dass das Verbot die Königsforderung ist. Andere Themen gingen in der politischen Debatte mit der Standesvertretung der Apotheker in den vergangenen Monaten unter. Immer wieder betonen seitdem auch die 34 Kammer- und Verbandschefs, dass nur das Verbot den Zustand vor dem EuGH-Urteil wieder herstellen und die Gleichpreisigkeit retten könne.

Flankiert wurden diese Forderungen der Apotheker auch von außen: Der Deutsche Apotheker Verlag und die Noweda beispielsweise hatten beim Gesundheitsökonomen Professor Dr. Uwe May, der Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer und dem Juristen Dr. Heinz-Uwe Dettling ein wettbewerbsökonomisches Gutachten in Auftrag gegeben. Auch diese drei Experten sahen nur einen Ausweg, um tausende Solitärapotheken zu retten: das Rx-Versandverbot. Zuletzt war es um das Verbot allerdings etwas ruhiger geworden. Denn seitdem Jens Spahn (CDU) Bundesgesundheitsminister ist, glaubt selbst die ABDA nicht mehr an ihre Maximalforderung. Auf mehreren Kammerversammlungen erklärte Präsident Friedemann Schmidt, dass das Verbot andere Forderungen verbaue und dass die Apotheker durch das Verbot auch nicht mehr Geld in die Apotheke bekämen.

ABDA hält di Fabio-Gutachten noch unter Verschluss

Umso erstaunlicher ist es, dass die ABDA quasi kurz vor Torschluss doch noch ein politisches Pfund auf den Tisch legen will, um das Bundesgesundheitsministerium vom Verbot zu überzeugen. Nach Informationen von DAZ.online liegt der ABDA ein verfassungsrechtliches Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Udo di Fabio vor. Die Standesvertretung hält das Papier strikt unter Verschluss, der Inhalt ist außerhalb der ABDA nur in Grundzügen bekannt. Demnach soll sich di Fabio unter anderem mit den Vorwürfen rund um die Einschränkung der Berufsfreiheit beschäftigt haben. Zur Erklärung: Insbesondere die deutschen Versender haben verfassungsrechtliche Bedenken beim Rx-Versandverbot, weil sie durch ein eventuelles Verbot ihre Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt sehen. Di Fabio soll in seinem Gutachten nach Informationen von DAZ.online klar zu dem Schluss kommen, dass es diesbezüglich – aufgrund des höher gestellten Gesundheitsschutzes – keine verfassungsrechtlichen Bedenken gäbe.

Di Fabio ist bekennender Unterstützer der Apotheke vor Ort

Dass di Fabio sich mit dem Thema befasst und sich für ein Rx-Versandverbot ausspricht, überrascht nicht. Schon im Mai dieses Jahres war der ehemalige Verfassungsrichter als Festredner beim Pharmacon in Meran aufgetreten und hatte eine überraschend deutliche Rede pro Verbot gehalten. „Als Verfassungsrechtler hätte ich damit kein Problem, den Rx-Versandhandel zu verbieten“, sagte di Fabio damals. Die Apotheke als Institution diene dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und verdiene daher ihrerseits rechtlichen Schutz. Außerdem sei die organisierte Beratung von zunehmender Bedeutung, weil die Menschen immer älter werden.

Di Fabios Auftritt beim Pharmacon

Doch damit nicht genug: Aus seiner Sicht erhalten Institutionen wie die Apotheke zu wenig Wertschätzung. Dies hänge unter anderem mit der aktuellen Europapolitik zusammen, die von westlichen Zielvorstellungen geprägt sei. „Die lokale und inhabergeführte Apotheke wird als Hindernis eines totalen Binnenmarktes wahrgenommen“, schlussfolgerte di Fabio beim Pharmacon. Aus seiner Sicht hat die Europäische Union an der einen oder anderen Stelle die Schraube der Supranationalität überdreht. „Es geht um eine Politik der Balance“, sagte di Fabio. Dies bedeute, auch mal einen Schritt bei der Liberalisierung zurückzurudern. Nach Informationen von DAZ.online sorgte di Fabios Rede in der ABDA für ein ordentliches Nachbeben: Man war so begeistert, dass man den Juristen mit einem Gutachten beauftragte.

ABDA: Wir haben unterschiedliche Gutachten in Auftrag gegeben

Nun ist allerdings die große Frage: Wie lange will die ABDA noch warten, bis das Gutachten veröffentlicht werden soll? Im Bundesgesundheitsministerium sitzen die Arzneimittel-Experten womöglich schon an konkreten Gesetzesformulierungen, die wahrscheinlich wenig mit einem eventuellen Rx-Versandverbot zu tun haben. Doch die ABDA deutet auf Nachfrage von DAZ.online an, dass das Papier schon in der Sitzung der ABDA-Mitgliederversammlung vorgestellt werden könnte, bei der auch Spahn anwesend ist. Dass es das di Fabio-Gutachten gibt, will die ABDA nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren: Man teile mit, dass die ABDA „unterschiedliche Gutachten in Auftrag gegeben“ habe. Und weiter: „Über deren Ergebnisse werden wir zunächst intern der Mitgliederversammlung der ABDA am 11. Dezember berichten. Wir bitten um Verständnis darum, dass wir der ABDA-internen Vorstellung der Gutachten und deren Diskussion nicht vorgreifen wollen, weil dies nicht im Interesse des Berufsstandes sein kann.“

Das Büro von Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio wollte sich nicht zu dem Gutachten äußern, man verwies auf den Auftraggeber.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Legislative

von Christian Giese am 27.11.2018 um 18:43 Uhr

Die Gewaltenteilung besteht weder aus nur Judikative noch aus nur Executive. Sie besteht aus erheblich mehr und hierfür hat die ABDA wohl ihre externen Berater.
Hauptsache man muss keine Verantwortung tragen, man hat ja Berater!

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Gutachten

von Bernd Küsgens am 27.11.2018 um 17:44 Uhr

Was denkt sich Kollege Friedemann Schmidt mit der ABDA sich eigentlich? Wofür sind Gutachten da, doch durch eine öffentliche Diskussion eine Meinung zu vertreten. Solange sie unter Verschluss sind, sind sie das Geld nicht wert, was man dafür gezahlt hat. Oder ist Kollege Schmidt der Meinung, selber bei Verhandlungen in der Politik mehr für die Apothekerschaft, deren Vertreter er ist, zu erreichen?
Man fragt sich, ob es nur sächsische Sturheit oder allgemeine Ignoranz sind, die zu einem solchen Verhalten führt. Ich fordere Offenlegung aller Gutachten. Sollte die ABDA hierzu nicht willens sein, sollte sie sich selber auflösen.

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AW: Gutachten veröffentlichen

von Dr. Ralf Schabik am 28.11.2018 um 9:42 Uhr

Werte Leute, die Ihr hier die Veröffentlichung des Gutachtens fordert: Auch im Zeitalter des asozialen Web, in dem es sowohl üblich ist, jeden noch so unbedeutenden Furz zu posten als auch "durchstechen" und "Whistleblowing" der Adelsschlag für Verräter ist, sollten wir uns mal auf ein bisschen "gesunden Menschenverstand" besinnen: Wie blöd wäre es, Geld für ein Gutachten auszugeben und dann dieses Gutachten so früh zu veröffentlichen, dass der Gegner möglichst viel Zeit hat, es zu zerpflücken ???
Gehen wir mal davon aus, dass der Gesundheitsminister im Gespräch mit allen Marktbeteiligten ist und gehen wir davon aus, dass er eine Lösung sucht, mit der in der Öffentlichkeit das Gesicht nicht verliert.
Kennen wir die Waffen, die die ausländischen Kapitalgesellschaften noch im Köcher haben ? NEIN, natürlich nicht. Warum sollten wir dann unsere Waffen zur Schau stellen ?
Klar würde auch mich brennend interessieren, was Professor di Fabio schreibt. Aber erstens würde ich es juristisch nur zum Teil verstehen können, und zweitens - vor allem - kann ich die Verhandlungen mit dem Minister nicht beeinflussen. Egal, was in dem Gutachten steht.

Wenn nicht jetzt ... wann dann?

von Christian Timme am 27.11.2018 um 15:54 Uhr

Eine „Waffe“ braucht auch einen Kämpfer ... selbst mit einer „Geheimwaffe“ könnte die ABDA nichts anfangen ... die Gefahr der „Selbstvernichtung“ durch unsachgemäße Anwendung würde immer überwiegen ...

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keine Sau

von Dr Schweikert-Wehner am 27.11.2018 um 12:09 Uhr

Super nur wird das keine Hummel, keinen Laumann und erst recht nicht Max und Jens interessieren.

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alles im Keller bunkern, Geheim!

von Karl Friedrich Müller am 27.11.2018 um 12:01 Uhr

Was hat die ABDA noch alles im Keller?
unbenutzt?
Eigentlich ist es auch egal, weil die Politiker die Argumente kennen dürften, rechtliche Bedenken sind sowieso nur vorgeschoben, eine Phrase, um die Diskussion abzuwürgen.
Auch dass Apotheken und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens des Schutzes bedürften, ist Politikern klar. eigentlich.
Es geht auch keineswegs um den europäischen Binnenmarkt.
Es geht allein darum, Konzerne zu fördern. Für mich ist das die reine Korruption, was man schon daran sieht, dass Politiker und Kassenfürsten keinerlei rationalen Argumentation zugänglich sind.
Man schadet dem Land, weil auch noch viele Steuerzahlungen wegfallen - spielt alles keine Rolle. Der Bürger, der immer schlechter versorgt wird, sowieso nicht.
Dirk Müller hat für den Zustand den Begriff "Kleptokratie" benutzt, "eine Gesellschaftsordnung,, in der Diebe und Plünderer das Ruder übernommen haben". Beschreibt für mich sehr gut den Inhalt und Sinn des Neoliberalismus und des Konservatismus, den manche Politiker wagen zu gebrauchen.
Langer Rede kurzer Sinn: Es wird Spahn egal sein.

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