Genome Editing

Entrüstungssturm um angeblich genmanipulierte Babys

München - 28.11.2018, 07:00 Uhr

Der chinesische Forscher He Jiankuiwill mit der CRISPR/Cas9-Technologie das Genom menschlicher Embyronen verändert haben. (s / Foto: picture alliance/Chen Jialiang/Imaginechina/dpa)

Der chinesische Forscher He Jiankuiwill mit der CRISPR/Cas9-Technologie das Genom menschlicher Embyronen verändert haben. (s / Foto: picture alliance/Chen Jialiang/Imaginechina/dpa)


Die Wissenschaft sieht sich möglicherweise mit einem einschneidenden Ereignis konfrontiert: In China sollen erstmals zwei genmanipulierte Babys auf die Welt gekommen sein. Dabei soll die CRISPR/Cas9-Technologie zum Einsatz gekommen sein. Experten meldeten Zweifel an der Nachricht an, zudem wurde bereits heftige Kritik an dem möglichen Eingriff laut. Untersuchungen wurden angekündigt.

Der chinesische Forscher He Jiankui von der Southern University of Science and Technlogy in Shenzhen berichtete in einem Interview mit der US-Presseagentur Associated Press (AP) von seinem Experiment. Demnach habe er das Erbgut von zwei Embryonen mit der Genscheren-Methode CRISPR/Cas9 gentechnisch verändert. Dabei habe er bei Zwillingsmädchen das Gen CCR5 deaktiviert. Den Rezeptor, für den es codiert, benötigt HIV, um in eine Zelle einzudringen. Menschen, die hier auf beiden Allelen eine Mutation haben, gelten natürlicherweise als immun gegen HIV. Allerdings könnte ein nicht-funktionsfähiger Rezeptor auch Nachteile haben. So deuten Studien darauf hin, dass Infektionen mit dem West-Nile-Virus schwerer verlaufen.

Die Babys namens Lulu und Nana seien vor einigen Wochen nach einer normalen Schwangerschaft geboren worden, sagte der Forscher weiter. Sie seien jetzt zu Hause bei ihrer Mutter und ihrem Vater, einem Mann, der HIV-infiziert sei und der das Virus nicht weitergeben wollte. Unklar ist allerdings, ob die Meldung wirklich der Wahrheit entspricht, denn bislang sollen weder die Studie noch unabhängige Bewertungen des Experiments vorliegen.

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Ungeachtet dessen meldeten sich bereits zahlreiche Kritiker zu Wort. So zeigten sich nach einem Bericht des Fachportals Stat Wissenschaftler und Ethiker, die auf einem Kongress in Hongkong das Thema Humangenombearbeitung diskutierten, verblüfft von der Nachricht und bezeichneten derartige Eingriffe als „unethisch und potenziell gefährlich“. In China hat sich die Southern University of Science and Technology von der angeblichen Arbeit des Wissenschaftlers distanziert: „Wir sind zutiefst schockiert“, hieß es in einer auf der Website der Hochschule veröffentlichten Mitteilung. Die Forschungsarbeiten seien außerhalb der Universität durchgeführt worden. Auch habe He Jiankui die Hochschule nicht über seine Arbeit unterrichtet. He habe „ernsthaft gegen die akademische Ethik und akademische Normen“ verstoßen. Eine Kommission sei damit beauftragt worden, den Fall zu untersuchen.

„Affront gegenüber dem Ansinnen verantwortlicher Wissenschaft“

Andere chinesische Forscher verurteilten das Projekt ebenfalls. In einem Protestbrief teilten sie mit, dass direkte Versuche am Menschen „nur als verrückt beschrieben werden“ könnten. Die potenziellen Risiken und Schäden für die gesamte Menschheit, die durch einen ungerechtfertigten Einsatz des Verfahrens in der Zukunft entstehen könnten, seien unermesslich.

In den USA kündigte die Rice University an, dass sie eine Untersuchung über eines ihrer Fakultätsmitglieder wegen seiner Beteiligung an der Forschung eingeleitet habe.

Auch von deutscher Seite gibt es mahnende Stimmen. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sagte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: „Sollte es sich bewahrheiten, dass ein mithilfe von Crispr/Cas9 genmanipuliertes Baby erzeugt worden ist, wäre dies für die Wissenschaft ein Super-Gau. Dass ausgerechnet am Tag vor dem weltweiten Wissenschaftsgipfel, der über den verantwortlichen Umgang mit dem Genome Editing beim Menschen berät, ein solches Experiment bekannt wird, kann ja fast nur als Affront gegenüber dem Ansinnen verantwortlicher Wissenschaft gewertet werden.“


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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