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Das Ende des Schweigens: Die ABDA spricht wieder mit Apothekern: Wir haben Fehler gemacht, das Apothekerhonorar und die Digitalisierung vernachlässigt. Und: Schminkt Euch das Rx-Versandverbot ab, ist nicht mehr realistisch, wir setzen auf Dienstleistungshonorare oder ein ganz neues Maßnahmenpaket. Die Schizophrenie der Politik: Apothekers, wir lieben Euch, wir brauchen Euch, ihr seid alternativlos. Aber sorry, das mit dem Rx-Versandverbot wird nichts. Ihr schafft das schon. Irgendwie. Mein liebes Tagebuch, was für ein Auftakt zur Weihnachtszeit!
26. November 2018
Apotheker auf Station in Krankenhäusern – in Niedersachsen ist dies beschlossene Sache. Und für die anderen Bundesländer könnte es ebenfalls kommen. Der Bundesrat hat sich jedenfalls bereits dafür ausgesprochen. Mein liebes Tagebuch, was hätte es auch für einen Sinn gemacht, wenn so eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und ein Fortschritt in der qualitätsorientierten Versorgung nur in Niedersachsen eingeführt wird und nicht in ganz Deutschland. Aber, so kommen die Bedenken, schaffen wir das überhaupt? Wo sollen all die Apothekerinnen und Apotheker denn herkommen, die dann auf Krankenhausstationen arbeiten? Berechtigte Frage. Mein liebes Tagebuch, letztlich müsste der Staat dafür sorgen, dass bei erhöhtem Bedarf mehr Studienplätze geschaffen werden. Dem Berufsbild des Apothekers auf Station kritisch gegenüberzustehen, können wir uns nicht erlauben, da würden wir uns selbst unglaubwürdig machen. Denn die apothekerlichen Tätigkeiten, die auf Station gemacht werden, wollen wir doch in ähnlicher Form auch auf die öffentliche Apotheke übertragen. Also, sehen wir das positiv!
Die politische Schizophrenie, die sich in Sachen Versandhandel und Rx-Versandverbot breit gemacht hat, zeigte eine Diskussionsrunde mit Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Laumann (CDU). Eine flammende Rede pro Präsenzapotheke: Die inhabergeführte Apotheke vor Ort ist alternativlos. Laumann will sie, Versandapotheken will er nicht. Ein wunderschönes Bekenntnis, Worte zum Wohlfühlen. Und dann die knallharte Realität: Auch Laumann hat das Rx-Versandverbot schon längst aufgegeben. Die Formulierung im Koalitionsvertrag, man wolle sich für ein Versandverbot einsetzen, sieht er als „Rumgeeiere“, man werde im Bundestag keine Mehrheit dafür finden. Im Klartext: Er hält das Rx-Versandverbot für nicht realistisch. Das mag wohl zutreffen. Was aber gar nicht gut ankam, war Laumanns Einschätzung des Versandhandels: „In absehbarer Zeit bestehe keine Gefahr“, schließlich sei der Marktanteil des Versandes gering. Und wörtlich: „Das bisschen Versandhandel, was wir gerade haben, darüber sollten wir uns nicht aufregen.“ Oh, oh, Herr Minister, mit Verlaub, hier irren Sie. Im OTC-Bereich liegen wir schon bei 13 Prozent Marktanteil (1,7 Mrd. Euro) – darüber sollen wir uns nicht aufregen? Und die Tendenz ist seit Jahren steigend! Mag sein, dass der Rx-Markt derzeit noch bei etwa 1,1 Prozent liegt – verlässliche Zahlen sind nur schwer zu generieren –, aber auch hier sehen wir, dass er an Fahrt aufnimmt. Das elektronische Rezept wird hier Kräfte entfalten. Herr Minister, „das bisschen Versandhandel“ tut uns wirklich weh! Um Apotheken sollten sie sich Sorgen machen, erst recht wenn der Rx-Versand weitergeht. Übrigens, mein liebes Tagebuch, eine Lösung, wie man die Ungleichbehandlung von Vor-Ort-Apotheken und Versandhandel lösen könnte, hat auch Laumann nicht.
27. November 2018
Da schau an: Die ABDA soll noch eine Geheimwaffe gegen das Rx-Versandverbot im Tresor haben, ein verfassungsrechtliches Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Udo di Fabio, das sie allerdings noch unter Verschluss hält. Es könnte, so die Mutmaßungen, in der kommenden ABDA-Sitzung vorgestellt werden, bei der auch Bundesgesundheitsminister Spahn anwesend sein will. Und wie bei unserer Berufsvertretung so üblich, liebt sie auch hier das Spiel mit Geheimniskrämerei, mit Intransparenz und Poker-Face. Auch bei diesem Szenario rund ums di Fabio-Gutachten will die ABDA z. B. nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren, dass es dieses Gutachten gibt, man habe „unterschiedliche Gutachten in Auftrag gegeben“, heißt es sibyllinisch. Was kolportiert wird: Das di Fabio-Gutachten soll sich mit den Vorwürfen rund um die Einschränkung der Berufsfreiheit beschäftigt haben, die vor allem von deutschen Versendern erhoben werden, da sie sich durch ein Rx-Versandverbot in ihrer Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt sehen. Das Gutachten soll zu dem Schluss kommen, dass es hier allerdings aufgrund des höher gestellten Gesundheitsschutzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken gäbe. Mein liebes Tagebuch, bei aller Strategie, wann man am besten was und wie veröffentlicht: Möglicherweise werden im Bundesgesundheitsministerin schon Gesetzesformulierungen vorbereitet, die den Apothekers einen irgendwie gearteten Ausgleich bieten sollen dafür, dass es kein Rx-Versandverbot geben wird. Ob es richtig ist, mit solchen Gutachten, so es sie gibt, so lange zu warten? Und was sollen dann die ABDA-präsidialen Worte, die einem Rx-Versandverbot keine Chance mehr geben?
Und nicht nur der ABDA-Präsident glaubt nicht mehr an ein Rx-Versandverbot, auch sein Vize ist vom Glauben abgefallen: Mathias Arnold schloss sich in der Diskussionsrunde mit dem NRW-Gesundheitsminister Laumann offen dessen Meinung an, dass das Rx-Versandverbot nicht mehr realistisch sei. Wörtlich: „Wir bei der ABDA sind politische Realisten. In der Politik sucht man jetzt nach Kompromissen, wir können nicht mitentscheiden, aber werden unsere Meinung dazu sagen.“ Mein liebes Tagebuch, das könnte mein Lieblingssatz werden: „Wir bei der ABDA sind politische Realisten.“ Übrigens, was Arnold in dieser Runde auch einräumte: Bei der ABDA müsste es in puncto Digitalisierung schneller gehen. Also, mein liebes Tagebuch, das ist tatsächlich Realismus.
28. November 2018
Und noch mal ‘was Schizophrenes in dieser Woche: Das EU-Parlament verbietet den Rx-Versand (noch nicht jubeln, der Satz ist noch nicht zu Ende) – für Tierarzneimittel! Klar, auch hier kann man jubeln, geht es doch mit diesem Verbot z. B. darum, einem übermäßigen Antibiotika-Gebrauch in der Tierhaltung und damit neuen Resistenzbildungen vorzubeugen. Ist alles zu unterschreiben. Aber was ist mit verschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln? Ist es weniger gefährlich, wenn die Antibiotika und alle anderen Rx-Arzneimittel versandt werden? Sind die Tiere und die Nahrungskette schützenswerter als unmittelbar die Menschen selbst? Wie verrückt ist das denn? Mein liebes Tagebuch, die Logik versteht man nicht. Muss man nicht, es geht bei diesen Entscheidungen nicht wirklich um Gesundheit, es geht um Macht, Einfluss und Geld. Und Tierarzneimittel sind ja auch kein Milliarden-Geschäft und nicht das Geschäft von Politikers Lieblingen, den niederländischen Versendern. Aus dieser Ecke kommt kein Aufschrei. Worauf ein DAZ.online-Kommentar auch aufmerksam macht: Die Sache erinnert an die Debatte um die Buchpreisbindung. Als die Monopolkommission vorschlug, die Buchpreisbindung aufzuheben, kam postwendend der Aufschrei von Kulturstaatsministerin Grütters, wonach die Preisbindung das hohe Kulturgut Buch schütze. Ja, mein liebes Tagebuch, wo bleibt der Einsatz, wenn es darum geht, das höchste Gut, die Gesundheit, zu schützen und den Rx-Versandhandel zu verbieten? Die EU-Formel: Buch und Schweinchen mehr wert als Gesundheit?
Die ABDA und ihre Apotheker – finde den Fehler! Ganz einfach: das Wörtchen „ihre“. Die ABDA hat nämlich gar keine Apotheker als Mitglieder, sondern die Mitglieder der ABDA sind Kammern und Verbände. Und deswegen richtet sich auch die Kommunikation der ABDA nur an Kammern und Verbände und nicht an die Apothekers. O-Ton Schmidt: „Wir sind kein Verein, in dem alle Apotheken Mitglied sind.“ So, mein liebes Tagebuch, damit das mal klar ist, ja? Und nun? Natürlich hat Schmidt formal gesehen Recht. Aber ist es nicht ein wenig unglücklich, wenn man mit Erklärungen dieser Art die Non-Kommunikation rechtfertigen will? Aber lassen wir das, die ABDA ist wie sie ist und allein darüber könnte man lange diskutieren. Auf der Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe ging’s zur Sache. Schmidt wurde mit unbequemen Fragen konfrontiert – und musste in vielen Punkten Kritik einstecken. Zum Thema Informationsfluss meinte Schmidt: „Wenn man eine Umfrage unter den Verbänden machen würde, bekämen wir sicherlich den Preis der verschlossenen Auster.“ Mein liebes Tagebuch, dem ist nichts hinzuzufügen. Ja, und dann das Eingeständnis: Es war ein Fehler, sich in den letzten Monaten nur aufs Rx-Versandhandelsverbot zu konzentrieren. Das Apothekenhonorar, die Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen, die Digitalisierung seien dadurch hinten runtergefallen. Erfrischende Offenheit auch beim Thema Datenpanel: Schmidt selbst hat die Befragung abgebrochen, da das Procedere zu kompliziert sei. Und Desillusionierung beim Fixhonorar: Derzeit gibt’s keine Chance auf eine Erhöhung, deswegen wolle man die Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen zusätzlich zum Fixum. Will heißen: Nur für mehr Arbeit gibt’s mehr Kohle. Ist alles nicht der Hit, oder? Was nun, mein liebes Tagebuch? Das Ergebnis einer solchen Politik spiegelt sich in der Zufriedenheit der Basis: Laut einer aktuellen Umfrage unter den Mitgliedern der AK Westfalen-Lippe sind knapp zwei Drittel (63 Prozent) „eher“ oder sogar „sehr unzufrieden“ mit der Arbeit der ABDA. Mein liebes Tagebuch, so sieht’s aus, und draußen, am „Stammtisch“, hört man sogar noch mehr Unzufriedenheit. Außerdem werden die hohen Mitgliedsbeiträge, die die Kammern an die ABDA abführen müssen, kritisiert: kein ausgewogenes Verhältnis zu den dafür erbrachten Leistungen. Da gibt es, vornehm formuliert, eine „Beitrags-Leistungs-Differenz“. Oder einfacher: In der Beziehung ist der Wurm drin.
29. November 2018
So langsam macht sich Ernüchterung in den Kammerversammlungen breit, auch in der Berliner Kammer: Deren Kammerpräsident, Belgardt, hält das Rx-Versandverbot mittlerweile für wenig wahrscheinlich. Und wie sieht’s mit Alternativen aus? Klar, da wollen die Berliner Delegierten mal offen sein, aber auch sie fragen sich: Welche Alternativen, bitte? Was favorisiert die ABDA? Etwa honorierte Dienstleistungen und welche? Und was ist mit dem Geheimpapier der ABDA, dem Gutachten im Tresor? Was die ABDA nicht wolle: Rx-Boni, ließ Belgardt durchblicken. Und ja, es könnte sein, dass die Berliner Kammer mehr Geld brauche. Alles nicht wirklich prickelnd.
30. November 2018
Nun hat der ABDA-Präsident doch noch einige Details offenbart zur Frage, was als Ersatz fürs Rx-Versandverbot kommen könnte. Da gibt’s drei Lösungsansätze am politischen Himmel, nämlich den Versand zu regulieren, ohne ihn zu verbieten oder die Folgen des Versands zu kompensieren oder Türen zu öffnen, die in eine bessere Zukunft führen. Und was heißt das nun genau? Zum Thema Regulierung stellen sich einige Politiker vor, die Preisbindung im SGB V als Zugangsvoraussetzung zur Versorgung festzuschreiben – doch darin sieht die ABDA, wohl mit Recht, keine dauerhafte Lösung, weil der EuGH eine solche Regelung angreifen könnte. Dann die Option eines neues Honorars: Nur eine Erhöhung des Fixums wird es nicht geben. Man müsse über eine Vergütungsmechanik mit ganz anderen Mechanismen reden, meinte Schmidt, allerdings könne er sich eine solche Honorierung nur additiv vorstellen. Und dann noch die Option für ganz neue Wege – was allerdings sehr nebulös blieb. Mein liebes Tagebuch, so wie es aussieht, wird es wohl eher auf irgendetwas in Richtung zusätzliche Honorierung, wie auch immer, hinauslaufen. Der Festzuschlag pro Packung soll bleiben, er wird aber auch nicht mehr, das machen die Politiker nicht mit. Zusätzlich wolle man sich für neue Dienstleistungshonorare einsetzen, was auch immer da noch diskutiert werden wird. Die ABDA habe z. B. Vorschläge für die Begleitung Pflegebedürftiger gemacht. Allerdings sei dies alles keine Kompensation für den Versand. Eine der weiteren Maßnahmen sei z. B. auch eine Neudefinition des Botendienstes. Und das Thema Telepharmazie habe die ABDA auch schon aufgegriffen. Ups, mein liebes Tagebuch, das läuft vermutlich auf ein größeres Maßnahmenpaket hinaus, wie auch immer es zugeschnitten werden wird. Da kommt was auf uns zu, soviel ist sicher.
12 Kommentare
RX-VV
von Lutz Engelen am 04.12.2018 um 12:39 Uhr
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Totgesagte leben länger
von manfred saar am 03.12.2018 um 11:31 Uhr
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Das System
von Dr.Diefenbach am 02.12.2018 um 18:54 Uhr
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Dienstleistungshonorar?
von Ute Lindemann am 02.12.2018 um 17:56 Uhr
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Änderung der Blickrichtung
von Reinhard Rodiger am 02.12.2018 um 13:51 Uhr
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Wird´s langsam oligarchisch?
von Christian Giese am 02.12.2018 um 10:34 Uhr
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Konsequenzen und Veränderungen
von Ulrich Ströh am 02.12.2018 um 9:49 Uhr
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Was kann die AfD besser als die eigene Nichtvertretung?
von Christian Timme am 02.12.2018 um 9:12 Uhr
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Datenpanel?
von Dr Schweikert-Wehner am 02.12.2018 um 8:34 Uhr
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AW: Datenpanel
von Anita Peter am 02.12.2018 um 9:00 Uhr
Tagebuch
von Michael Zeimke am 02.12.2018 um 8:11 Uhr
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Spahn
von Anita Peter am 02.12.2018 um 8:09 Uhr
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