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Apothekerin startet Online-Petition
„25 Prozent Mehrwertsteuer für Waren von Amazon und Co!“
Die Welt ist nicht gerecht – das ist ein alter Hut. Doch: „Man kann nicht immer zuschauen“, findet eine bayerische Apothekerin. In einer Petition fordert sie und sucht sie Unterstützer für „25 Prozent Mehrwertsteuer für Waren von Amazon und Co!“, denn der stationäre Handel – und hier nicht zuletzt die Apotheke – sei Online-Anbietern gegenüber benachteiligt. Dieser Ungleichbehandlung will die Apothekerin durch einen höheren Mehrwertsteuersatz entgegenwirken.
Die Idee entstand spontan, beim Sonntagmorgenfrühstück am
zweiten Advent. Mit ihrem Mann entwickelte Ingrid Schierle eine Idee, Ungleichbehandlungen und Benachteiligungen des
täglichen Lebens entgegenzusteuern – denn diese ziehen sich nach Ansicht der Apothekerin „wie ein roter Faden durch quasi alle Bereiche unseres täglichen Lebens“. Der Gedanke: Eine dritte Mehrwertsteuer. Konkret
geht es der Apothekerin – sie betreibt mit ihrem Mann Christian Schierle die Storchen-Apotheke im 1.200-Seelendorf Gerzen in Bayern – um die strukturelle Ungerechtigkeit des stationären Handels, verglichen mit dem Online-Handel. Dabei hat sie nicht nur die Apotheke und ihren eigenen Berufsstand im Blick.
„Man kann nicht immer zuschauen“, findet die
engagierte Apothekerin und startete am gleichen Tag eine Online-Petition „25
Prozent Mehrwertsteuer für Waren von Amazon und Co!“. DAZ.online hat mit der
Apothekerin gesprochen.
Ich bin Mitarbeiterin einer öffentlichen Apotheke und es wäre schön wenn ich meinen Arbeitsplatz noch ein Stück hätte.“
Vor-Ort-Geschäfte kosten Geld
„Wer seine Ware in einem Laden in einer Innenstadt anbietet, benötigt zu allererst einmal ein geeignetes Ladenlokal“, sagt Schierle. Man müsse für Mieten tief in die Tasche greifen, die Räumlichkeiten optisch hübsch aufbereiten. „Es wird erwartet, dass fachkundiges Personal freundlich und kompetent berät, mehrere Varianten eines Artikels zur Ansicht parat liegen.“ Nicht zuletzt werde der Botendienst beispielsweise in Apotheken mittlerweile als selbstverständlich vorausgesetzt und von den Kunden auch aktiv eingefordert. „Die Erfüllung all dieser Erwartungen kostet aber Geld!“, erklärt die Apothekerin. Geld, das ein Onlineversand zumindest teilweise spart.
Leerstände in Innenstädten allüberall – auf den Dörfern sowieso, dafür quellen die Straßen über von Lieferfahrzeugen, deren Lenker meist nicht einmal vernünftig bezahlt werden.“
Amazons soziales Gewissen? Fehlanzeige
Denn: „Einen Onlineversand kann ich aus dem Wohnzimmer starten“, sagt Schierle. Im Gespräch mit DAZ.online bemängelt die Apothekerin vor allem, dass „etablierte Onlinehändler ohne soziales Gewissen“ billige Arbeitskräfte in ausbeuterischer Manier verheizten. „Die günstigen Preise im Online-Versandhandel funktionieren nur deshalb so gut, weil die Kosten so niedrig wie möglich gehalten werden“, sagt Schierle.
Ich bin persönlich betroffen und ärgere mich fortlaufend über die Benachteiligung der kleinen Davids (Apotheken vor Ort) gegenüber den großen Goliaths (DocMorris, Amazon & Co.).“
Stationärer Handel darf nicht benachteiligt werden
Dagegen will die Apothekerin etwas tun. Es gehe ihr nicht darum, jemandem den Versandhandel zu verbieten, so Schierle. Doch der Kunde müsse für sein Verhalten die Verantwortung übernehmen – und sollte die durch den Onlinehandel genossenen Vorteile – wie Bequemlichkeit, Zeitersparnis oder Lieferung frei Haus – auch bezahlen. Auch die Apothekerin ist nicht ganz gefeit vor den Bestellversuchungen des World Wide Web – doch „ich bin bereit für meine Bequemlichkeit auch zu bezahlen“, um den stationären Handel finanziell nicht zu übervorteilen.
Die Ungleichbehandlung des Vor-Ort-Handels zum Online-Handel finde ich unmöglich! Das ist staatlich gewollte Subventionierung von disruptivem Handel.“
Senkung der ermäßigten Umsatzsteuer soll sozial Schwache entlasten
Konkret schwebt der Apothekerin ein Mehrwertsteuersatz von 25 Prozent auf Waren vor, die im Onlinehandel geordert werden. Auf diese Weise will sie die Ungerechtigkeit und die strukturellen Nachteile, die Vor-Ort-Geschäfte unweigerlich nun einmal haben, ausgleichen. Im Gegenzug will die Apothekerin Entlastung schaffen, die ihrer Ansicht nach vor allem „den Verlierern der Gesellschaft" zugute kommen würde. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz solle von 7 auf 5 Prozent gesenkt werden. Gerade „sozial Abgehängte“ würden von einem Absenken des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes besonders profitieren. Ermäßigte Umsatzsteuersätze gelten in Deutschland beispielsweise für die meisten Nahrungsmittel oder auch den Nahverkehr. „Mit den Mehreinnahmen aus der Steuererhöhung auf der einen Seite wäre eine Finanzierung einer solchen Absenkung auf der anderen Seite möglich“, erklärt Ingrid Schierle in ihrer Petition. Sie ist überzeugt: „Versandhandel soll nicht so einen Riesen-Platz in unserer Gesellschaft einnehmen"
Mein Arbeitsplatz Apotheke vor Ort hängt davon ab.“
Aktion läuft bis 10. Juni 2019
Wer diese Auffassung teilt, kann Schierles Petition „25 Prozent Mehrwertsteuer für Waren von Amazon und Co!“ unterstützen. Seit Beginn am 9. Dezember 2018 haben sich bislang 40 Unterstützer gefunden. Nicht zuletzt auch einige Apotheker. Die Petition läuft insgesamt sechs Monate. Bislang ist Ingrid Schierle bei Facebook aktiv, auch bei lokalen Politiker habe sie vorgesprochen, wurde jedoch „geflissentlich ignoriert“. Die ABDA antwortete zumindest und stellte in Aussicht, sich die Aktion anzuschauen und zu prüfen, so die Apothekerin.
Für das Quorum von 50.000 Stimmen, um in den Petitionsausschuss im Bundestag zu kommen, fehlen aktuell noch ein paar Unterstützer. Sie habe auch schon selbst gezweifelt, ob die ganze Aktion nicht doch „zu sehr aus der Hüfte geschossen war“ und ob dies überhaupt etwas bringe. Dieser Zweifel scheint zum Glück nicht so tiefgründig zu sein wie die Überzeugung, dass man es doch zumindest probieren müsse. „Ich kann mir zumindest am Ende, was auch immer das Ergebnis ist, nicht vorwerfen, es nicht wenigstens versucht zu haben“, so Schierle.
Gegenwind bei der Aktion
Doch nicht nur positive Rückmeldungen erntet die Apothekerin ob ihrer Idee, Initiative und ihres Engagements. „Ich habe auch schon ordentlich Gegenwind bekommen, auch von Kollegen", erklärt Ingrid Schierle im Gespräch mit DAZ.online. So sei sie attackiert worden, weil sie „innovativen Start-ups damit den Boden unter den Füßen wegziehen würde“. Jedoch zeige Schierle dieser Einwand nur, dass der Kritiker noch nicht einmal die Petition sorgfältig gelesen habe. „Mir geht es lediglich um die Stärkung des stationären Handels“, so die Apothekerin.
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Versandhandel ist nicht gleich Digitalisierung
Auch mit dem Vorwurf der „Digitalsteuer“ wurde Ingrid Schierle konfrontiert. Das zeigt jedoch wieder einmal mehr, dass der Unterschied „Digitalisierung“ und „Versandhandel“ von vielen nicht verstanden wird. Selbst die Digitalisierungsexpertin des Bundes, Staatsministerin Dorothee Bär, tut sich hier offenbar schwer – was sie jüngst in einem Interview unter Beweis stellte. Denn abgesehen von der Bestellung via Internet, hat Digitalisierung mit Amazon-Päckchen-Verschicken wenig zu tun. Wie auch die Apotheker beim Rx-Versandverbot, stört sich Ingrid Schierle nicht am puren Versandhandel, auch wenn sie der Überzeugung ist, dass „Versandhandel nicht so einen Riesen-Platz in unserer Gesellschaft einnehmen sollte“. Ihr missfällt die Benachteiligung des stationären Handels vor Ort. Analog die Apotheker: Sie vermissen beim Rx-Versandhandel lediglich faire Bedingungen.
6 Kommentare
An alle Skeptiker
von Ingrid Schierle am 13.12.2018 um 21:09 Uhr
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immer der selbe Quark !
von Ralf Schabik am 13.12.2018 um 19:23 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten
AW: immer der selbe Quark
von Ingrid Schierle am 13.12.2018 um 20:46 Uhr
AW: immer der selbe Quark
von Ralf Schabik am 13.12.2018 um 23:10 Uhr
AW: immer der selbe Quark
von Ingrid Schierle am 14.12.2018 um 8:37 Uhr
AW: immer der selbe Quark
von Ralf Schabik am 14.12.2018 um 9:10 Uhr
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