Pharmazieprofessorin Alban zum GSAV

„GSAV verschlechtert die Nachverfolgbarkeit von Biologicals“

Stuttgart - 14.12.2018, 15:15 Uhr

Über die Chargenbezeichnung lassen sich Arzneimittel nachverfolgen. Bislang wird die aber bei Biosimilars kaum erfasst. ( r / Foto: Securpharm)

Über die Chargenbezeichnung lassen sich Arzneimittel nachverfolgen. Bislang wird die aber bei Biosimilars kaum erfasst. ( r / Foto: Securpharm)


Laut dem Entwurf des „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) sollen Apotheker unter bestimmten Umständen zum Austausch von Biosimilars verpflichtet werden, wie es bei Generika schon lange der Fall ist.  Die Pharmazieprofessorin Susanne Alban aus Kiel gibt dabei einen bisher kaum thematisierten Punkt zu bedenken – die Nachverfolgbarkeit. Diese sei ohnehin schon verbesserungswürdig und würde durch eine automatische Substitution noch schlechter werden.

Am heutigen Freitag endet die Frist, um zum Referentenentwurf des GSAV Stellung zu nehmen. Quasi in der letzten Minute hat Susanne Alban, Professorin für pharmazeutische Biologie aus Kiel und AMK-Mitglied, ihre Stellungnahme an die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) geschickt, damit ihre Anmerkungen in deren Statement einfließt. Es geht um Spahns Pläne, Apotheker unter bestimmten Umständen bei Biosimilars wie bei Generika zum Austausch zu verpflichten, um Biosimilars schneller in die Versorgung zu bringen.

Alban findet es erstaunlich, dass das GSAV die Besonderheiten der Biologicals (Originale und Biosimilars) nicht berücksichtigt und damit gerade nicht für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung sorgt. Diese hochwirksamen, aber auch kostspieligen Therapeutika stellten nämlich komplexe, anspruchsvolle Wirkstoffe dar, sowohl hinsichtlich ihrer Struktur, Herstellung und Qualitätskontrolle als auch ihrer Wirkung, so Alban. So gebe es zum Beispiel eine unvermeidbare gewisse Chargenvariabilität oder unter Umständen auch gewisse Veränderungen im Laufe der Zeit. Zudem habe man bei Biosimilars zum Zeitpunkt der Zulassung weniger klinische Daten verfügbar als bei den Originalen, wo es umfangreiche Phase-III-Studien gebe. Daher sei die Pharmakovigilanz bei den Biologicals von vorrangiger Bedeutung. Alban verweist hier auf die entsprechende EU-Richtlinie sowie auf Zahlen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW), die dies ihrer Ansicht nach rechtfertigen. So gingen nämlich im Jahr 2017 beim für die Biologicals zuständigen PEI 22.067 UAW-Meldungen (12.600 Fälle) ein, davon betrafen 50 Prozent monoklonale Antikörper, also 81 Wirkstoffe. Demgegenüber stehen 60.323 Meldungen zu etwa 3.000 Wirkstoffen, die an das BfArM adressiert wurden.

Auch im AMG spiegle sich die europäische Pharmakovigilanzgesetzgebung wieder, um den Besonderheiten der Biologicals gerecht zu werden. Dort werde nämlich konkrete Nachverfolgbarkeit der Präparate gefordert. Dort heißt es:


(2)…Die zuständige Bundesoberbehörde stellt durch Sammeln von Informationen und erforderlichenfalls durch Nachverfolgung von Berichten über vermutete Nebenwirkungen sicher, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um sämtliche biologische Arzneimittel, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes verschrieben, abgegeben oder verkauft werden und über die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen berichtet wurden, klar zu identifizieren, wobei der Name des Arzneimittels und die Nummer der Herstellungscharge genau angegeben werden sollen.“

§62 Abs. 2 Satz 4 des 4. AMG-Änderungsgesetz


Jetzt schon große Defizite bei der Nachverfolgbarkeit

In punkto Nachverfolgbarkeit gibt es nach Albans Ansicht schon jetzt ein paar Dinge, die kontraproduktiv sind. So sei nämlich in der EU die Wirkstoffbezeichnung (INN) der Biosimilars identisch mit der der Originale. In anderen Ländern, zum Beispiel Japan und USA, sei das anders geregelt. Dies bedeute, dass ein Arzt, der ein Biological unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet, nicht weiß, welches Präparat der Patient in der Apotheke erhält, wenn bereits Biosimilars zugelassen sind. (Anm.: In der Praxis sollte dies allerdings eigentlich nicht vorkommen, da dies als uneindeutige Verordnung gilt und der Rücksprache bedarf.) Zudem werde erwiesenermaßen bei der UAW-Meldung in EudraVigilance in vielen Fällen die Chargennummer nicht mit angegeben, obwohl die Pharmakovigilanzgesetzgebung dies verlangt

Anstelle dass der Gesetzgeber mit dem GSAV nun Maßnahmen vorsehe, die Nachverfolgbarkeit der Biologicals zu verbessern, tragen die Pläne nun eher dazu bei, sie zu verschlechtern, kritisiert die Pharmazieprofessorin den Gesetzesentwurf. So gefährde ein automatischer Austausch in der Apotheke ihrer Ansicht nach nicht nur die Adhärenz des Patienten, sondern erschwere es auch, Pharmakovigilanzmaßnahmen zu ergreifen, wenn es zu einer UAW-Meldung kommt.

Was braucht es, um ein Präparat nachverfolgen zu können

Alban führt an, welche Voraussetzungen für die konkrete Nachverfolgbarkeit in ihren Augen gegeben sein müssen.

  • Eindeutige ärztliche Verordnungen, das heißt inklusive Handelsname und PZN
  • Keine automatische Substitution von Biologicals (und zwar alle Arten, nicht nur biotechnologisch hergestellte, sondern zum Beispiel auch niedermolekulare Heparine)
  • Sicherstellung der Dokumentation von Chargennummern zwecks Rückverfolgbarkeit bei Nebenwirkungen oder Qualitätsmängeln

Um den mit dem GSAV beabsichtigten Spareffekt zu erreichen und gleichzeitig die Nachverfolgbarkeit zu gewährleisten, wäre es notwendig die Chargennummer und natürlich auch den Handelsnamen und die PZN (teilweise schwierig bei Importarzneimitteln) bereits bei der Abgabe des Biologicals zu dokumentieren. Und zwar so, dass sie für Ärzte, Apotheker und Patienten verfügbar sind. Aktuell geben laut einer Umfrage nahezu zwei Drittel der Ärzte bei einer UAW-Meldung die Chargennummer nicht an – weil sie schlicht nicht verfügbar war zum Zeitpunkt der Meldung. 

Wie könnte man Biologicals nachverfolgbar machen – und zwar alltagstauglich?

Alban hat auch – unterschiedlich aufwendige – Vorschläge, wie sich die chargenspezifische Nachverfolgbarkeit von Biologicals verbessern ließe.

  • Das Bewusstsein bei Ärzten und Apothekern und auch Pateinten schärfen, warum die Nachverfolgbarkeit bei Biologicals wichtig ist.
  • Die Verpflichtung zur Dokumentation von Handelsname und Chargennummer zwecks Nachverfolgbarkeit sollte in allen Fach- und Gebrauchsinformation stehen (aktuell ist dies nicht der Fall).
  • Eine Möglichkeit, die Dokumentation im Alltag praktikabel zu machen, wäre, die Chargennummer des Biologicals bei Abgabe auf dem Rezept und im Patientenausweis anzugeben (zum Beispiel über selbstklebende Etiketten wie bei Impfstoffen) und der verordnende Arzt erhält eine Kopie – in Albans Augen allerdings ein aufwendiger und nicht zeitgemäßer Weg.
  • Eine andere Möglichkeit wäre, die Nutzung des 2-D-Barcodes des Securpharm-Systems auf die Dokumentation auszuweiten – was eleganter wäre, wie Alban schreibt.
  • Ein komplettes „Track-and-Trace“ statt isolierter Teillösungen im Sinne der Patientenversorgung und -sicherheit. Die Frage danach stelle sich schlussendlich nach Ansicht der Pharmazieprofessorin hinsichtlich der Diskussionen zu digitalen Lösungen (E-Rezept, elektronischer Medikationsplan).

Kritik auch aus der Politik



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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