Hypericum Perforatum und Crataegus

Johanniskraut und Weißdorn sind die Heil- und Arzneipflanzen des Jahres 2019

Stuttgart - 28.12.2018, 14:30 Uhr

Johanniskraut kann auch äußerlich als sogenanntes Rotöl angewendet werden. (Foto: behewa / stock.adobe.com)

Johanniskraut kann auch äußerlich als sogenanntes Rotöl angewendet werden. (Foto: behewa / stock.adobe.com)


Schon wieder Hypericum perforatum? War Johanniskraut nicht bereits 2015 die Arzneipflanze des Jahres? Ja, aus gutem Grund, findet die Jury des Vereins zur Förderung der naturgemäßen Heilweise (NHV) nach Theophrastus Bombastus. Sie hat das Johanniskraut nun zur Heilpflanze 2019 gewählt. Der NHV Theophrastus wählt seit 2003 jährlich eine Heilpflanze, der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen der Universität Würzburg bereits seit 1999 eine Arzneipflanze: 2019 ist es der Weißdorn.

2015 wählte der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) zur Arzneipflanze des Jahres. Weil das Johanniskraut sowohl traditionell als auch aktuell vielfältig angewendet werde, handle es sich um eine hochinteressante aber auch etwas „schwierige“ Arzneipflanze mit großem Potenzial. Schwierig, weil Ende der 1990er Jahre festgestellt wurde, dass Johanniskraut – durch die Aktivierung von CYP 3A4 – zu einem verstärkten Abbau anderer Arzneistoffe führt (wie Antidepressiva, Immunsupressiva, Wirkstoffe gegen HIV, Digoxin, Blutgerinnungshemmer, Theophyllin, hormonelle Kontrazeptiva). Deshalb wurden hochdosierte Johanniskrautpräparate 2003 der Apothekenpflicht unterstellt. Niedrig dosierte Präparate wie Tee und Rotöl blieben weiterhin frei verkäuflich. Dennoch seien auch hochdosierte Johanniskrautmittel bei alleiniger Einnahme gut und „ganz erheblich besser“ verträglich als andere Antidepressiva. Die oft gefürchtete Phototoxizität soll bislang in ausgeprägter Form nur bei Weidetieren beschrieben worden sein und sei in den therapeutisch eingesetzten Dosen beim Menschen nicht zu erwarten.

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Der Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise (NHV) nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus e.V. begründet die erneute Wahl zur Heilpflanze 2019 deshalb nun mit den Worten der Jury-Vorsitzenden und Heilpraktikerin Christina Schäfer: „Eine Heilpflanze, die so eine Odyssee durchlebt und durchlitten hat, verdient es, wiederholt gewürdigt und unter verschiedenen Aspekten der Naturheilkunde betrachtet zu werden, auch wenn sie bereits Arzneipflanze des Jahres 2015 war. Der NHV Theophrastus möchte mit dieser Kür das Vertrauen der Menschen in diese altbewährte Heilpflanze stärken.“

Weißdorn: Neue Erkenntnisse?

Bereits früher im Jahr 2018 hat der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg die Arzneipflanze des Jahres 2019 bekanntgegeben: der Weißdorn (Crataegus). Noch früher, bereits im Juni 2017, hatte es der Weißdorn schon einmal in die Fachmedien geschafft: „Kann Herzinsuffizienz mit Phytopharmaka behandelt werden?“ fragten damals Robert Fürst und Ilse Zündorf im DAZ-Artikel „Weißdorn – was bleibt“. Eine damals kürzlich publizierte HMPC-Monografie der EMA sagte „nein“ und gestand Weißdorn-Extrakten aufgrund neuerer Erkenntnisse lediglich den Status für eine traditionelle Verwendung zum Beispiel bei nervösen Herzbeschwerden zu.1994 war die Kommission E noch der Meinung gewesen, bestimmte Weißdorn-Extrakte könnten beim Stadium NYHA II eingesetzt werden. 

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„Aufgrund vieler neuer Erkenntnisse zu den Wirkungen und der Bedeutung für die Pflanzenheilkunde“ soll der Weißdorn nun die Arzneipflanze 2019 sein, so der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg. Zu diesen neuen Ergebnissen zählt auch, dass eine Monotherapie mit Crataegus-Extrakten gemäß Kommission-E-Monografie eine Fehlbehandlung wäre. Auch die Add-on-Gabe von Weißdorn-Präparaten soll keine positiven Ergebnisse hinsichtlich einer Mortalitätsbeeinflussung gezeigt haben. Somit konnte vom HMPC lediglich der Status „traditional use“, nicht aber der „well-established use“ vergeben werden. Der Würzburger Studienkreis drückt diesen von der DAZ 2017 beschriebenen Sachverhalt anders aus: „Aufgrund der langjährigen Erfahrungen, der Unbedenklichkeit und der guten Verträglichkeit des Wirkstoffes wurden Weißdornblätter mit Blüten von der deutschen Zulassungsbehörde 2016 als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft.“



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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