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Irrtümer zu Antibiotika
Bild-Zeitung spielt Apotheker – und kooperiert mit Dobendan
Die Bild-Zeitung ist mal wieder in gesundheitlicher Mission unterwegs: Das Boulevardblatt klärt die Bundesbürger über „7 gefährliche Irrtümer über Antibiotika“ auf, wie etwa, dass eine Erkältung mit Antibiotika schneller vorbei ist. Bei Halsschmerzen hat die Bild-Zeitung gar einen konkreten Präparate-Tipp: Dobendan. Warum? Reckitt-Benckiser, der Hersteller der Halsschmerz-Klassiker, kooperiert wohl mit der Zeitung.
Wie wertvoll sind Arzneimitteltipps aus der Bild-Zeitung? Auch wenn, vor allem Apotheker, sicherlich der Auffassung sind, dass Beratungen zu Antibiotika oder Erkältungen eher in die Hände von Apothekern oder Ärzten gehören, muss man der Bild-Zeitung zugutehalten: Ihre Reichweite über bundesweite Kioske, Supermärkte und Tankstellen ist durchaus beeindruckend. Nach wie vor sei die BILD trotz Auflagenrückgang die Tageszeitung mit der größten Auflage in Deutschland, heiß es beim Statistik-Portal statista. Auch über mangelnde Online-Visits kann sich das Boulevardblatt nicht beklagen. BILD ist laut IVW das Nachrichtenportal mit den meisten Besuchern. Das bedeutet für die Apotheker: Sinnvolle Tipps der Zeitung zu Arzneimitteln hin oder her – die Pharmazeuten werden angesichts der vielen Leser mit den Aussagen konfrontiert sein.
Mit welchen Antibiotika-Mythen räumt BILD auf?
Im aktuellen Beitrag der Bild-Zeitung widmen sich die Redakteure Antibiotika und kursierenden „gefährlichen Irrtümern“ über die Antiinfektiva. Sieben an der Zahl:
- „Eine Erkältung ist mit Antibiotika schneller vorbei“
- „Wenn es mir besser geht, setz ich das Medikament ab“
- „Antibiotika gehören in die Hausapotheke“
- „Breitband-Antibiotika sind Allheilmittel“
- „Wenn ich nur selten Antibiotika genommen habe, kann ich auch keine Resistenz entwickeln“
- „Wenn ein Antibiotikum bei mir nicht mehr wirkt, verschreibt mir der Arzt halt ein anderes“
- „Resistenzen sind nicht so schlimm – das ist nur Panikmache“
Dass das Unwissen bei Antibiotika durchaus von relevantem Ausmaß ist, zeigte auch eine Umfrage des BAH (Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller) im Jahr 2017: Hier wusste nicht einmal die Hälfte der Befragten, wogegen Antibiotika überhaupt wirken. Viren? Bakterien? Beides? Oder nichts?
Bei Halsschmerzen Dobendan – sagt die BILD
In der Tat sind die Tipps der BILD nicht verkehrt. So zum Beispiel, dass die meisten Erkältungen ohnehin viral bedingt sind und Antibiotika hier nichts verloren haben. Zumindest primär. Fachliche Unterstützung erhielt BILD von einer Ärztin: Dr. Susanne Huggett. Die Medizinerin leitet die Krankenhaushygiene der Asklepios-Kliniken in Hamburg. Doch die korrekt als Anzeige gekennzeichnete „Brand-Story“ der BILD stützt sich auch auf die pharmazeutische Expertise von Reckitt Benckiser. Es verwundert folglich nicht, dass bei Halsschmerzen – neben „viel trinken, sich warmhalten“ auch „schmerzlindernde Lutschtabletten (zum Beispiel von Dobendan)“ zu den von BILD empfohlenen Maßnahmen gehört. Der Link ist inklusive.
Keine lokalen Rachentherapeutika – sagt die Leitlinie
Das läuft nicht ganz konform mit der DEGAM-Leitlinie zu Halsschmerzen, diese befindet sich derzeit zwar in der Aktualisierung (Fertigstellung bis 12/2019 geplant), spricht sich aber bei Halsschmerzen in der Selbstmedikation eindeutig für eine systemische Therapie mit Paracetamol oder Ibuprofen aus.
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„Die Anwendung von Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays mit Lokalantiseptika und/ oder Lokalanästhetika oder Antibiotika wird nicht empfohlen“, erklären die Leitlinien-Experten. Und Lokalanästhetika sowie Antiseptika zählen nun mal auch zum Dobendan-Spektrum. Daneben bietet Reckitt Benckiser jedoch auch das flurbiprofenhaltige Dobendan direkt an. Allerdings so ganz unbescholten ist auch dies nicht: Erst im Mai 2018 erinnerte die AMK an Hypersensitivitätsresaktionen unter flurbiprofenhaltigen Rachentherapeutika. Welchen Stellenwert die angekündigte neue Leitlinie zu Halsschmerzen dem lokalen NSAR einräumt, bleibt abzuwarten.
Aufruf zur Grippeimpfung - da es nur wenige Antibiotika gibt
Ansonsten sind allerdings die Ratschläge und Warnungen des Boulevardblattes durchaus fundiert. So dass Antibiotika nicht zwingend immer bis zur letzen Tablette in der Packung genommen werden müssen – die Patienten aber auch nicht einfach, wenn eine Besserung der Beschwerden eintritt, eigenmächtig die Therapie verkürzen sollten.
Keine Antibiotika horten
Bei manchen Irrtümern zu Antibiotika, mit der die BILD aufräumen möchte, kann man sich durchaus die Frage der Relevanz stellen. Denken die Menschen tatsächlich, eine ordentliche Hausapotheke müsse unbedingt mit einem Antibiotikum bestückt sein? Ganz aus der Luft gegriffen ist die Vermutung wohl nicht, denn auch der BAH kam bei seiner Umfrage zu dem Ergebnis, dass ein Viertel der Deutschen nicht benötigte Antibiotika im Badschrank in Reserve bunkert. Laut BILD ist der „Hortungstrieb“ bei Medikamenten nachvollziehbar. Sinnvoll ist durchaus, wie die BILD argumentiert beziehungsweise die zu Rate gezogene Ärztin: „Sie sollten bei jeder Infektion prüfen lassen, ob es sich um eine bakterielle Infektion handelt und auch nur dann ein Antibiotikum einnehmen. Dieses aufzubewahren für den Fall, dass Sie irgendwann eine andere Infektion bekommen, ist nicht zu empfehlen. Denn: Die nächste Infektion wird wahrscheinlich nicht durch die gleichen Bakterien verursacht werden wie die aktuelle, daher wird auch das aufgehobene Antibiotikum nichts nützen.“
Bakterien werden resistent
BILD spricht auch ein beliebtes und tatsächlich weit verbreitetes Unverständnis zu Resistenzen bei antibiotischen Wirkstoffen an. Resistenzen entwickeln die Bakterien, und nicht die Menschen – wie jedoch viele Patienten denken. Somit schützt auch eine nie erhaltene Antibiose nicht vor resistenten Keimen und kann auch ein antibiotisch jungfräulicher Patient sich mit resistenten Keimen infizieren.
Ein wenig irreführend klingt dagegen der Satz: „Vermeiden Sie es krank zu werden und nutzen Sie die zur Verfügung stehenden Impfungen, zum Beispiel für Grippe! Es gibt nur wenige Antibiotika-Alternativen und jedes Antibiotikum hat Nebenwirkungen!“, erklärt die Ärztin zum Problem mit den Resistenzen. Nun ist es allerdings so, dass gegen eine Influenza natürlich kein Antibiotikum wirkt – was allerdings manche Leser sicherlich nicht wissen. Allerdings lässt sich tatsächlich durch Grippeimpfungen der Antibiotikaverbrauch reduzieren – da auch opportunistische bakterielle Sekundärinfektionen weniger Chancen haben.
Anmerkung: Der Link zu Dobendan sowie die Produktnennung wurden am 15.01.2019 aus dem Online-Beitrag der Bild-Zeitung entfernt.
1 Kommentar
Was fehlt im BILD-Bericht
von Uwe Hansmann am 14.01.2019 um 16:20 Uhr
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