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Verteidigung fordert neuen Prozess für Zyto-Apotheker Peter S.

Karlsruhe - 22.01.2019, 07:00 Uhr

Die Verteidiger des verurteilten Zyto-Apothekers Peter S. fordern, dass ihr Mandant einen neuen Prozess bekommt. (c / Foto: dpa)

Die Verteidiger des verurteilten Zyto-Apothekers Peter S. fordern, dass ihr Mandant einen neuen Prozess bekommt. (c / Foto: dpa)


Vorwurf: Richter habe das Verfahren unzulässig abgekürzt

Nach Ansicht der Verteidigung hat es sich bei dem Prozess gegen S. auch um ein zu schnelles Verfahren gehandelt, bei dem nicht alle entlastenden Punkte auf den Tisch gekommen sind. Ursprünglich waren für den am 13. November 2017 gestarteten Prozess 14 Verhandlungstage angesetzt, doch schon bald danach wurden weitere eingeplant. Am 1. Februar 2018 erklärte der Vorsitzende Richter, die Kammer wolle bald ein Urteil sprechen und bat um Vorbereitung der Schlussplädoyers. Auch da die Verteidigung eine Hirnverletzung von S. als entlastenden Aspekt vorbrachte, sprachen die Richter nach mehr als 40 Verhandlungstagen im Juli 2018 ihr Urteil. Vorher hatten sie eine knappe Frist gesetzt, bis wann Beweisanträge – etwa zur Ladung von Zeugen – gestellt werden können. Dies sei unzulässig gewesen, sagt die Verteidigung: Die Frist sei bereits bestimmt worden, als die von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen war, auch hätten die Richter die Befristung nicht angekündigt. Auch sei sie insgesamt „dysfunktional“ gewesen – und zu kurz.

Von Anfang an sei klar gewesen, dass bei rund 50 Nebenklägern, ungefähr 62.000 angeklagten Taten und schwierigen naturwissenschaftlich-technischen Fragen 14 Hauptverhandlungstagen nicht ausreichen würden. Der Verteidigung ist ihrer Ansicht nach also insgesamt die Möglichkeit genommen worden, weitere entlastende Beweise vorzulegen oder Zeugen zu laden.

Falsch qualifizierter Gutachter?

Auch kritisieren die Anwälte des Apothekers das Gutachten des Psychologen Boris Schiffer, der die Abteilung für forensische Psychiatrie des Uniklinikums Bochum leitet. Er hatte S. trotz einer früheren schweren Hirnverletzung als schuldfähig angesehen – das Gericht folgte seiner Einschätzung und nicht dem Gutachten eines von der Verteidigung beauftragten Psychiaters. Es sei auch von der Verteidigung zunächst übersehen worden, dass Schiffer kein Arzt ist: Deshalb sei er zur Erstattung eines Gutachtens zu den in Rede stehenden Fragen „ungeeignet“. Auch habe Schiffer zwar das Zyto-Labor einer Klinik besucht, um sich mit der Arbeitssituation des Angeklagten vertraut zu machen, doch sei dies mit der Arbeit in dessen niedergelassenen Apotheke „in entscheidenden Punkten nicht vergleichbar“. Schiffer habe völlig außer Acht gelassen, dass S. „in kürzester Zeit eine große Zahl von Arzneimitteln zubereitet, also eine Vielzahl von Arbeitsvorgängen parallel abgeleistet“ habe.

Der Psychologe habe außerdem über die Aussagen einer langjährigen Schulfreundin von S. in Kenntnis gesetzt werden müssen, die erklärt hat, nach der Kopfverletzung sei der Apotheker sehr fahrig gewesen ist und „hektisch getrieben“. Der Apotheker habe die Schwere der Auswirkungen auf seine kognitiven Fähigkeiten nicht erkannt. Auch habe sich niemand getraut, ihn darauf anzusprechen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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