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Der „Focus“ macht Platz für die Vor-Ort-Apotheke: Der Noweda-Chef ist in Sachen Öffentlichkeitsarbeit unterwegs. Tut gut. Ausgang noch ungewiss beim E-Rezept. Es ist nun auch per Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Hoffen wir, dass unsere ABDA da am Ball bleibt. Und die Fäden in der Hand behält. Ausländische Versender laufen sich schon warm. Heiß läuft bald der Securpharm-Start – wie erwartet! Fehlalarme und Chaos blitzen schon auf. Aber das liegt jetzt nicht an der ABDA. Dennoch, eine kleine Rückenstärkung aus Berlin für alle Apotheken, die mit der Securpharm-Chose kämpfen, wäre ein nettes Zeichen.
28. Januar 2019
„Wir brauchen die Vor-Ort-Apotheken!“ – unter dieser Überschrift findet der „Focus“-Leser einen ganzseitigen Meinungsbeitrag von Michael Kuck, Chef des genossenschaftlichen Pharmagroßhandels Noweda, im Heft. Da reibt man sich die Augen und blättert nochmal zur Umschlagsseite zurück: Hat man tatsächlich den „Focus“ aufgeschlagen? Man hat. Was ist passiert, dass der „Focus“, nicht wie sonst üblich, dem Versandhandel hofiert, sondern einer Meinung pro Vor-Ort-Apotheke Raum gibt? Mein liebes Tagebuch, da trägt vermutlich die Kooperation zwischen dem Burda-Verlag (Focus) und der Noweda schöne Früchte: Die beiden wollen ein Arzneimittel-Bestellportal für die Vor-Ort-Apotheken aufbauen. Und Burda und Noweda haben einen „Zukunftspakt Apotheke“ geschlossen, in dessen Rahmen diese Bestellplattform über eine neue Kundenzeitschrift beworben werden soll. Die Noweda will dazu exklusiv im „Focus“ eine groß angelegte Werbekampagne starten. Jetzt also der Meinungsbeitrag im „Focus“: Kuck erklärt dem Leser die negativen gesellschaftlichen Auswirkungen des Arzneiversandhandels, warum die Vor-Ort-Apotheken wichtig sind und dass sie mit dem Botendienst auch nach Hause liefern, insbesondere für nicht mobile Patienten. Kuck macht dem Leser deutlich: Alle 32 Stunden schließt derzeit eine Apotheke für immer – eine der Ursachen ist der Versandhandel. Und der emotionale Schluss seines Beitrags: „Wenn es ernst wird, ist es ein gutes Gefühl, eine Apotheke in erreichbarer Nähe zu wissen. Ein Gefühl, das für manchen bald der Vergangenheit angehören könnte. Wollen wir diesen Preis wirklich bezahlen?“ Mein liebes Tagebuch, gut gemacht. Und mit Blick nach Berlin ins Lindencorso: So geht Öffentlichkeitsarbeit. Aber die, so scheint es, ist derzeit abgetaucht.
29. Januar 2019
Der Apothekerberuf bleibt ein „Engpassberuf“, will heißen: Es gibt mehr offene Stellen als es Bewerberinnen und Bewerber gibt. Oder Apothekerinnen und Apotheker für die öffentliche Apotheke sind gesuchte Leute. Mein liebes Tagebuch, das liegt nicht unbedingt daran, dass es zu wenig Nachwuchs gibt. Und eigentlich sollte es aufgrund der anhaltenden Apothekenschließungen Arbeitskräfte geben, die auf der Suche nach einer neuen Stelle sind. Aber wenn eine Apotheke in Berlin schließt, nützt das dem Arbeitskräftemarkt in München oder Düsseldorf wohl wenig. Der Apothekerberuf ist ein Frauenberuf, sprich es gibt viele Teilzeitkräfte, ein Wechsel des Wohnorts ist aus familiären Gründen oft schwer. Hinzu kommt: Die an sich ausreichende Zahl an jährlichen Neuapprobationen sollte für die Besetzung der Stellen in öffentlichen Apotheken locker ausreichen. Aber es gibt eben auch andere, für manche wohl interessantere Stellen als den Kleinbetrieb Apotheke, z. B. Krankenhausapotheken, Hochschule und Verwaltung und die besser zahlende Industrie – das lockt. Mein liebes Tagebuch, Apotheken werden wohl auch weiterhin um die Gunst der Approbierten buhlen. Da muss man sich was einfallen lassen, um einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten…
30. Januar 2019
Er ist auf den Weg gebracht, der Gesetzentwurf für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Uns Apothekers interessierten daran gleich mehrere Punkte: neue Regelungen für Importe, fürs E-Rezept und Fernverordnungen. Zum Aus für die derzeitige Zwangsimportförderung hat’s leider nicht gereicht, wir müssen weiterhin mit dem Importgeschäft und den bürokratischen Regelungen hierfür leben. Verändert werden sollen lediglich die Preisabstandsregelungen, wann Importe abgegeben werden müssen. Spahn nennt das einen „klugen Kompromiss“, da „die Margen auch an die Versichertengemeinschaft“ gegeben würden. Welche Margen? Die Einsparungen bei den Importen für die Kassen sind verglichen mit anderen Regelungen marginal. Der Aufwand dagegen vergleichsweise hoch. Importförderung ist ein Relikt aus alten Zeiten, Herr Spahn. Mein liebes Tagebuch, vielleicht klappt die Abschaffung beim nächsten Anlauf – mit dem nächsten Gesundheitsminister. Weitere vorgesehene Neuregelungen: Sieben Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes (geplant ist dies Mitte des Jahres) sollen die Regelungen fürs E-Rezept fertig sein, der Übergang vom Papierrezept zur elektronischen Verordnung muss dann laufen. Mein liebes Tagebuch, da steht uns was bevor: Das ist digitale Revolution live! Da verändern sich alle Prozesse. Man muss ehrlicherweise sagen: Wir stehen da in Deutschland nicht unbedingt an der Spitze der Entwicklung. Dass noch heute ein Rezept von seiner digitalen Entstehung im Arzt-PC über den Ausdruck zur Papierform wird, um dann letztendlich im Rechenzentrum wieder digitalisiert zu werden, ist ein Anachronismus. Andererseits hatten wir verständlicherweise kein großes Interesse daran angesichts der Gefahren einer digitalen Verordnung – sie lässt sich einfacher an Versender verschicken als die Papierversion. Jetzt lässt sich das alles nicht mehr aufhalten. Mein liebes Tagebuch, die ABDA muss jetzt alles daran setzen, die Fäden in der Hand zu behalten und bei den Bedingungen fürs E-Rezept mitreden. Mit dem GSAV soll im Übrigen auch die bisher geltende Vorschrift gestrichen werden, dass Rezepte von ausschließlichen Fernbehandlungen nicht beliefert werden dürfen. Umso mehr muss definitiv geregelt werden, dass der Patient hier Herr seines Rezepts bleibt und Arztpraxen die Rezepte nicht an Versender übermitteln dürfen. Da lauern noch Gefahren!
Eigentlich nichts Überraschendes: Zwei Wochen vor dem Securpharm-Start soll’s Probleme geben. Mein liebes Tagebuch, es wäre ein Wunder, wenn es anders gekommen wäre. Und wo liegen diese Probleme? Es soll Pharmaunternehmen geben, die noch nicht für den Start von Securpharm bereit sind. Ja so was, Securpharm kam ja auch so plötzlich, gell? Und dann gibt es Sorgen von Apothekern: Die Unsicherheit wächst, ob man Packungen abgeben darf, die keinen Data-Matrix-Code tragen. Keine Sorge, man darf! Denn Arzneimittel, die vor dem 9. Februar 2019 in Verkehr gebracht wurden und deren Verfalldatum noch nicht abgelaufen sind, dürfen in der Apotheke trotzdem abgegeben werden – auch ohne Securpharm-Scan. Außerdem, es wird nicht ausbleiben, dass in der Übergangsphase mal was durchrutscht – alles nicht so schlimm. Mal ehrlich, mein liebes Tagebuch, möchten wir wissen, wie die Fälschungsrichtlinie ab 9. Februar in so manch anderem europäischen Land umgesetzt wird? Z. B. im Brexit-Land? Oder in Spanien oder in Portugal? Möchten wir nicht.
31. Januar 2019
Das E-Rezept kommt. Und schon gibt es Testprojekte, z. B. das von der Techniker Krankenkasse (TK). Teilnehmende Ärzte schicken die Verordnung, verschlüsselt als QR-Code, aufs Smartphone des Patienten, der ihn dann in der Apotheke vorzeigt. Die Apotheke scannt den Code und kann so auf das Rezept zugreifen. Bisher ist an dem Projekt nur die TK beteiligt, nur eine Apotheke und nur die Ärzte eines Diabetes-Zentrums. So weit, so überschaubar, so nett. Mit einem Haken: Mit von der Partie ist auch das Software-Dienstleistungszentrum König IDV, das für viele in- und ausländische Versender abrechnet und – die Hälfte der Anteile an diesem Unternehmen hält der DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose. Da schau an.
Spahn hat mit dem Rx-Versandverbot schon abgeschlossen, die ABDA auch. Aber noch lange nicht alle Unionspolitiker. Die hessische CDU-Abgeordnete Astrid Mannes will’s wissen: Warum verzichtet Spahn aufs Rx-Versandverbot. Sie hat erreicht, dass dieses Thema auf einer der nächsten Fraktionssitzungen angesprochen werden soll. Mein liebes Tagebuch, ist ja wirklich herzig, dass sich jetzt noch Politiker fürs Versandverbot erwärmen und stark machen. Jetzt, wo sich die ABDA ihre letzten Tränen schon getrocknet hat und mit anderen Gleichpreisigkeitsplänen in die Zukunft schaut. Die Fürbitte fürs Rx-Versandverbot ehrt alle, die sie tun, aber sie kommt vermutlich einfach zu spät: Es liegt in seinen letzten Zuckungen.
9. Februar 2019. Alarm, Alarm! Securpharm meldet Fälschung! Ja, mein liebes Tagebuch, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, kommen Fehlalarme beim Securpharm viel häufiger vor als erwartet. (Eigentlich war das Chaos doch erwartet, oder?) Ist alles wieder mal „supertoll“ gelaufen. Neben all den anderen Bürokratie- und sonstigen Problemen im Alltag jetzt auch die Securpharm-Chose. Weil ein Hersteller die Daten falsch hochgeladen hat, weil die Datenverarbeitung in den Datenbanken krankt oder weil die Software in der Apotheke schwächelt – irgendwas ist immer und der Alarm geht los. Und wir müssen uns die Frage stellen: Ist der Alarm nun echt, ist also das Arzneimittel gefälscht, oder spinnt das System. Und was ist, wenn wir mit gesundem Menschenverstand rangehen und das Arzneimittel trotz Alarm abgeben? Macht uns dann jemand für Falschabgabe verantwortlich? Oder sollten wir lieber alles lahmlegen, indem wir dann jeden Alarm an die zuständigen Stellen melden, weil jeder Alarm verfolgt werden muss? Also: Alle Alarm-Packungen in Quarantäne nehmen und Meldungen an die Behörde? Und wie bitte sollen dann die Patienten versorgt werden, wenn’s ständig Alarm piepst? Wer nimmt dann die durch Fehlalarm vermeintlich als gefälscht ausgewiesenen Packungen zurück? Mein liebes Tagebuch, im Prinzip läuft alles wie erwartet, nämlich mehr als bescheiden. Da gibt es jahrelangen Vorlauf, Erprobungsphasen und jede Menge Tests, aber es läuft nicht rund. Sind die Gene des Berliner Flughafens BER viral auf Securpharm übergesprungen und haben alles infiziert? Aber im Ernst: Natürlich ist es mehr als unwahrscheinlich, dass Fälschungen genau zum Start des Systems vorliegen und dies in diesem Ausmaß, wie Alarm gemeldet wird. Augenmaß und gesunder Menschenverstand müssen eine Rolle spielen und wir dürfen keine behördlichen Sanktionen fürchten, wenn wir in der Startphase maßvoll handeln, unseren Ermessensspielraum nutzen und unsere Patienten versorgen. Nur so bekommt man das Desaster in den Griff. Was sagt die ABDA dazu?
ABDA und digitaler Wandel – zwei, die lange keine Notiz von einander nahmen, vielleicht sogar zwei, die sich nicht so recht mögen, aber doch zusammenkommen müssen. Viel zu spät jedenfalls hat sich unsere Berufsvertretung mit der Digitalisierung und allem, was das für Apotheken bedeutet oder bedeuten könnte, befasst. In Sonntagsreden wurde zwar schon mal drüber schwadroniert, aber so richtig ernst hat man das alles nicht genommen. Nur ganz wenige unserer Berufspolitiker hatten den Durchblick und die Zukunftsvisionen, was das alles für uns bedeutet. Die meisten haben das alles einfach nur verdrängt. Erst im September 2017 rief man die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA) ins Leben, die mit der Abteilung IT/Telematik z. B. die digitale Vernetzung der Apotheken vorantreiben soll. So richtig viel Prickelndes ist da bisher noch nicht passiert. Und in den letzten beiden Jahre setzte die ABDA ihre ganze Kraft in die Verhinderung des Rx-Versandes (selbst ABDA-Präsident Schmidt räumte Versäumnisse ein) – da fiel schon mal das eine oder andere Zukunftsthema hinten runter und uns jetzt auf die Füße. Zum Beispiel die Entwicklung des E-Rezepts. Andere waren und sind in Sachen Digitalisierung schneller unterwegs. Auch, und das muss man zähneknirschend einräumen, unser „Lieblingsversender“ aus den Niederlande und sein schweizerischer Mutterkonzern. Der hat sich schon in ein Datenunternehmen eingekauft und mischt bei einem E-Rezept-Versuch der Techniker Krankenkasse mit. Auch in Sachen Telepharmazie sammelt DocMorris schon seit längerem Erfahrungen. Mein liebes Tagebuch, da bleibt uns nur die Hoffnung, dass ABDA und Digitales jetzt schnellstens nicht nur eine Zweck-, sondern eine Herzensangelegenheit werden. Wenn wir beim E-Rezept abgehängt würden, dann Gute Nacht.
1. Februar 2019
Das Band zur FDP ist schon lange zerschnitten. Früher war diese Partei die Heimstatt der Freien Berufe. Für die Belange der Apotheker setzten sich die Freien Demokraten immer gerne ein. Zugegeben, das brachte ihr wohl auch den Ruf ein, Klientelpartei zu sein. Und dann war da noch 2010 die milliardenschwere Steuerentlastung für das Hotelgewerbe (nur 7 statt 19% Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen), was die Klientelpolitik befeuerte. Doch das ist nun schon ein paar Jahre her. Dem damaligen Generalsekretär Christian Lindner war das wohl alles ein Dorn im Auge. Mit einer Mehrwertsteuerreform wollte er das Steuergeschenk rückgängig machen. Das gelang ihm nicht, dagegen hat er es mit Erfolg geschafft, die Apotheker gegen sich aufzubringen. Insbesondere sind es seine Liebe zum Arznei-Versandhandel in dem Glauben, das habe was mit Digitalisierung zu tun, und sein FDP-Wahlprogramm, das sich für eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzes einsetzt, die Gräben zwischen der FDP und den Apothekern aufreißen. Auch bei unserem ABDA-Präsidenten, der nun öffentlich im Magazin „Cicero“ das Verhältnis zwischen FDP und den Apothekern als „weitgehend zerstört“ bezeichnet. Es muss ihn sicher besonders schmerzen, zumal er selbst (noch?) FDP-Mitglied ist. Mein liebes Tagebuch, so ist das mit der Politik. Immerhin, es soll noch die eine oder andere Partei geben, die den Wert des Apothekers in seiner Apotheke schätzt.
11 Kommentare
Problem Apotheke ... die „digitale Barrierefreiheit“ ...
von Christian Timme am 06.02.2019 um 3:15 Uhr
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mehr Aufwand, mehr Geld
von Kleiner Apotheker am 04.02.2019 um 11:16 Uhr
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Securpharm
von Küper am 03.02.2019 um 23:33 Uhr
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Fehlermeldung SecurPharm
von Felix Maertin am 03.02.2019 um 21:36 Uhr
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securpharm
von Christian Giese am 03.02.2019 um 11:21 Uhr
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Zu allem Überfluss...
von gabriela aures am 03.02.2019 um 10:29 Uhr
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Schmdt, Pressesprecher und Abda
von conny am 03.02.2019 um 9:43 Uhr
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Der Wert des Apothekers in seiner Apotheke ...
von Gunnar Müller, Detmold am 03.02.2019 um 9:35 Uhr
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Das Schweigen um die Vor-Ort- Apotheken
von Ulrich Ströh am 03.02.2019 um 9:01 Uhr
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SecurPharm
von Karl Friedrich Müller am 03.02.2019 um 8:29 Uhr
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AW: Völlig richtig!
von Gunnar Müller, Detmold am 03.02.2019 um 9:29 Uhr
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