IQWiG-Stellungnahme

Migräne-Antikörper Erenumab: Nur für austherapierte Patienten sinnvoll?

Köln / Stuttgart - 05.02.2019, 10:15 Uhr

Nur für austherapierte Patienten sieht das IQWiG einen Zusatznutzen von Erenumab. (b/Foto: picture alliance)

Nur für austherapierte Patienten sieht das IQWiG einen Zusatznutzen von Erenumab. (b/Foto: picture alliance)


Seit November 2018 gibt es in Deutschland den ersten Antikörper zur Migräneprophylaxe, Erenumab in Aimovig®. Das IQWiG hat jüngst den Zusatznutzen des CGRP-Rezeptor-Antikörpers analysiert. Dabei fand das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen nur für Patienten unter „best supportive care“ einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen.

Erenumab – Handelsname Aimovig® – ist der erste Antikörper, der Eingang in die Migräneprophylaxe findet und der erste Antikörper, der als Calcitonin-Gene-Related-Peptide-Rezeptor-Antagonist eine völlig neuartige Strategie verfolgt. Hervozuheben ist außerdem, dass Antikörper gegen das CGRP-System speziell zur Prophylaxe der Migräne entwickelt wurden, während die seither zur Vorbeugung von Migräne-Attacken eingesetzten Wirkstoffe anderen Indikationsbereichen entlehnt sind – wie Betablocker oder Calciumkanalblocker, Antidepressiva oder Antiepileptika. Neben Erenumab hat in Deutschland auch Galcanezumab (Emgality) die Zulassung, für Fremanezumab hat der Humanarzneimittelausschuss der EMA, CHMP, im Januar 2019 die Zulassung in der EU empfohlen. Erenumab antagonisiert den CGRP-Rezeptor, während Fremanezumab und Galcanezumab direkt das Neuropeptid CGRP neutralisieren.

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Zugelassen wurde Erenumab in Europa bereits im Juli 2018, seit November des letzten Jahres hat Novartis den CGRP-Rezeptor-Antikörper auf dem Markt. Zeit für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit der seit 2011 im AMNOG vorgeschriebenen Nutzenbewertung zu beginnen. Beauftragt wird hier das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG),

Was untersuchte das IQWiG?

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen interessiert stets der Zusatznutzen eines neuen Wirkstoffes verglichen mit der etablierten Vergleichstherapie. Das bedeutet, das IQWiG benötigt Studien, die eben diese zweckmäßige Vergleichstherapie direkt mit dem neuen Arzneimittel verglichen haben. Legt der pharmazeutische Unternehmer diese nicht vor, gilt der Zusatznutzen für das IQWiG als nicht belegt. Als Anforderung für die Studien fordert das IQWiG randomisierte kontrollierte Studien mit einer Mindestbehandlungsdauer von zwölf Wochen.

Kein Zusatznutzen von Erenumab verglichen mit Betablockern

Erenumab ist zugelassen zur Prophylaxe der Migräne für Patienten, die an mindestens vier Tagen im Monat an Migräne leiden. Folglich ist auch die relevante Vergleichstherapie gegen Erenumab kein Triptan, sondern die derzeit zur Prophylaxe eingesetzten Wirkstoffe: Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat, Amitriptylin, Valproinsäure, Botulinumtoxin A.

Jedoch fehlen vergleichende Studien zu oben genannten Prophylaktika, dass das IQWiG zu dem Schluss kommt: „Ein Zusatznutzen von Erenumab im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie ist für diese Patientinnen und Patienten damit nicht belegt.“

Best supportiv care: Hinweis auf beträchtlichen Zusatznutzen

Anders sieht es für derzeit austherapierte Migräniker aus, für die nur noch eine Therapie mit „best supportive care“ (BSC) in Frage kommt. Das IQWiG definiert in seinem Dossier zur Nutzenbewertung BSC wie folgt: „Als BSC wird die Therapie verstanden, die eine bestmögliche, patientenindividuell optimierte, unterstützende Behandlung zur Linderung von Symptomen und Verbesserung der Lebensqualität gewährleistet.“ Den potenziellen Zusatznutzen von Erenumab bewertete das IQWiG anhand der Liberty-Studie. So fand das IQWiG unter dem Aspekt „Symptomatik, Migränetage/Monat) „einen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Erenumab plus BSC im Vergleich mit BSC“. Auch für die „allgemeine Beeinträchtigung durch Kopfschmerz“ sieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen einen „Hinweis auf einen Zusatznutzen von Erenumab plus BSC im Vergleich mit BSC.“

Abschließend kommt das IQWiG für bis dato austherapierte erwachsene Migränepatienten mit mindestens vier Migränetagen/Monat, für die nur noch eine Therapie mit BSC infrage kommt, auf „einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen von Erenumab gegenüber BSC.“

Wie geht es weiter mit der Nutzenbewertung von Erenumab?

Nach der Empfehlung des IQWiG zu Erenumabs Zusatznutzen habendie betroffenen pharmazeutischen Unternehmer, Verbände und Sachverständige Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Das Stellungnahmeverfahren endet am 22. Februar 2019. Die mündliche Anhörung erfolgt laut G-BA dann am 11. März 2019. Der G-BA will Anfang Mai einen Beschluss zur Nutzenbewertung von Erenumab treffen. In der Regel folgt der G-BA unter Berücksichtigung der Stellungnahmen den Empfehlungen des IQWiG.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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