Langzyklus versus Intervall

„Kann ich die Pille auch bedenkenlos durchnehmen?“

Stuttgart - 07.02.2019, 15:45 Uhr

Kombinierte orale hormonelle Kontrazeptiva: Muss die Pillenpause zwischen zwei Blisterpackungen sein? (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)

Kombinierte orale hormonelle Kontrazeptiva: Muss die Pillenpause zwischen zwei Blisterpackungen sein? (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)


Wieso gibt es das hormonfreie Intervall und welche Pille eignet sich für den Langzyklus?

Ein deutscher Artikel vom Oktober 2018 widmet sich in der Zeitschrift „Der Gynäkologe“ ausführlich dem Thema „Kontrazeption im Langzyklus“. Auch dort heißt es, dass sich der sogenannte Langzyklus neben dem konventionellen Modus (21 Tage, gefolgt von sieben hormonfreien Tagen) etabliert habe. Somit stünden heute verschiedene Einnahmeschemata zur Verfügung. In seiner stärksten Ausprägung könne der Langzyklus kontinuierlich erfolgen, also ohne hormonfreies Intervall (kontinuierliches Regime).

Nachteilig am Langzyklus seien vor allem in der ersten Einnahmephase Blutungsstörungen, die dann aber sistieren. Die Risiken hinsichtlich Gerinnungssystem und Stoffwechsel seien jedoch vergleichbar zu den Risiken bei zyklischer Einnahme. Der unbemerkte Eintritt einer Schwangerschaft ist zwar auch im Langzyklus nicht vollständig auszuschließen, soll aber ein extrem seltenes Ereignis darstellen.
Bei Anwendung der Pillen früherer Generationen soll es – aufgrund der höheren Dosierung und der damit einhergehenden stärkeren Suppression der Hypophyse – teils zu „post pill amenorrhea“ und damit zu einer verzögerten Rückkehr zur normalen Fertilität gekommen sein. Bei Anwendung des Langzyklus mit den heute üblichen niedrigdosierten Präparaten über einen Zeitraum von zwei Jahren soll eine solche Verzögerung jedoch nicht nachweisbar sein.

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Wenn der Langzyklus also keine neuen Nebenwirkungen (außer kurzzeitige Durchbruchblutungen) mit sich bringt und die Nebenwirkungen der konventionellen Einnahme sogar vermeidet, warum hat man überhaupt jemals den konventionellen Modus angestrebt?
Das lag daran, dass man bei der Entwicklung hormoneller Kontrazeptiva versuchte, den natürlichen Menstruationszyklus zu imitieren. Doch ob dieser Zyklus, wie wir ihn heute kennen, wirklich so natürlich ist, kann in Frage gestellt werden. Die „moderne Frau“ erlebe heute rund 450 Menstruationsblutungen, heißt es in der „Der Gynäkologe“. Ende des 19. Jahrhunderts sollen es durchschnittlich rund 160 gewesen sein. Die Wahrscheinlichkeit für zyklusabhängige Beschwerden sei somit heute viel höher als damals.
Der 28-Tage-Zyklus bei der Entwicklung „der Pille“ folgte somit eher soziologischen und kulturellen Erwägungen als biologischen. Physiologisch sei eine regelmäßige Menstruationsblutung nicht notwendig (ein langjährig fehlender zyklischer Gestageneffekt könne jedoch mit einem erhöhten Endometriumkarzinomrisiko einhergehen, sofern noch eine basale endogene Östrogensekretion vorliegt).

Welche Pille eignet sich für den Langzyklus?

Schon seit den 1970er Jahren wird zum Langzyklus und zur kontinuierlichen Pilleneinnahme geforscht. 2003 wurde das erste Präparat von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA für den Langzyklus zugelassen (30 µg Ethinylestradiol und 150 µg Levonorgestrel für die kontinuierliche Anwendung über 84 Tage (entsprechend vier Blistern) mit nachfolgend sieben hormonfreien Tagen). 

In Deutschland gibt es bislang nur zwei Präparate, die auch tatsächlich für den Langzyklus (mit HFI) zugelassen sind, ansonsten fällt der Langzyklus unter den Off-Label-Use: 

  • Seasonique® (30 µg Ethinylestradiol + 150 µg Levonorgestrel über 84 Tage, gefolgt von sieben Tabletten mit 10 µg Ethinylestradiol) 
  • Velmari Langzyklus® (20 µg Ethinylestradiol + 3 mg Drospirenon, über mindestens 24 Tage oder maximal 120 Tage, dann vier Tage Pause) 

Auch in Großbritannien sind nur wenige Präparate mit verkürztem hormonfreien Intervall zugelassen. In der Leitlinie unterstützt die FSRH deshalb den Off-Label-Einsatz im Rahmen individuell angepasster Einnahme-Schemata. Dabei sollen aber nur monophasische KOK zum Einsatz kommen, die im Rahmen eines 21/7-Regimes zugelassen sind. Sollte ein Präparat Placebo-Pillen enthalten, sollten diese verworfen werden. Multiphasische KOK sollten nicht in individuell angepassten Einnahme-Schemata zum Einsatz kommen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Pille mit Estrogen und gestagen

von Martin Straulino am 16.02.2019 um 17:44 Uhr

Auf Seite 1 wird geschrieben:
Das Evidenzlevel der entsprechenden Empfehlungen zum Langzyklus-Regime entspricht (nur) Expertenmeinungen, und sie beziehen sich nur auf kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK), die weniger als 35 µg Ethinylestradiol kombiniert mit Progesteron enthalten.
Meines Erachtens müsste der Begriff "Progesteron" durch "Gestagen" ersetzte werden. Meines Wissens werden nur synthetische körperfremde Gestagene eingesetzt und nicht das körperidentische Progesteron.

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