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Fluconazol und Fehlgeburten
Vaginalmykosen in der Schwangerschaft
Im Idealfall brauchen Schwangere keine Medikamente. Doch es gibt Erkrankungen, die auch oder gerade in der Schwangerschaft gehäuft auftreten. Dazu zählen vaginale Pilzinfektionen, die man – nach Rücksprache mit dem Arzt – mit rezeptfreien topischen Präparaten aus der Apotheke gut behandeln kann. Dennoch scheint die orale Einnahme von Fluconazol in der Schwangerschaft immer wieder vorzukommen: Die „Université de Montréal“ warnte in einer Pressemitteilung im Februar, dass eine orale Fluconazol-Therapie auch in niedrigen Dosen das Risiko für Fehlgeburten gering zu erhöhen scheint.
Laut Embryotox sind ungefähr 30 Prozent aller Schwangeren von vaginalen Pilzinfektionen betroffen. Die hormonellen Veränderungen begünstigen das Wachstum von Hefepilzen in der Scheide. Eine Candidose an sich würde zwar vermutlich kein erhöhtes Risiko für den Verlauf einer Schwangerschaft darstellen, heißt es. Jedoch könnte durch die Veränderung des Scheidenmilieus indirekt dazu beigetragen werden, dass sich eventuell gefährliche Keime leichter vermehren. Zudem wird bei Nachweis von Hefepilzen während der letzten sechs Schwangerschaftswochen eine antimykotische Therapie empfohlen, um so Mundsoor und Windeldermatitis beim Neugeborenen vorzubeugen. Denn in 80 Prozent der Fälle würde eine vaginale Candidose am Ende der Schwangerschaft auf Mundhöhle und Magen-Darm-Trakt des Neugeborenen übertragen.
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Eine Behandlung einer vulvovaginalen Candidose erscheint also auch in der Schwangerschaft sinnvoll, da eine akute Vaginalmykose in der Regel nicht spontan ausheilt. Mittel der Wahl in der Schwangerschaft sind dann topisch die Wirkstoffe Clotrimazol und Miconazol. Nystatin ist laut Embryotox topisch ebenso unbedenklich, könnte aber während der Schwangerschaft weniger wirksam sein. Orales Fluconazol gehört nach Einschätzung von Embryotox dagegen zu den Arzneimitteln, zu denen es „widersprüchliche oder noch unzureichende Studienergebnisse gibt“.
Warum überhaupt Fluconazol in der Schwangerschaft?
Laut Embryotox sollte eine systemische antimykotische Therapie mit Fluconazol nur bei zwingender Indikation und möglichst nicht im ersten Trimenon erfolgen. Allerdings sollten sich Schwangere keine Sorgen machen, wenn sie bereits mit Fluconazol (im ersten Trimenon) behandelt wurden: Weder ein Schwangerschaftsabbruch noch invasive Diagnostik seien dann zu rechtfertigen. Weiterführende Ultraschalluntersuchungen könnten die normale Entwicklung des Feten kontrollieren.
In dem Buch „Evidenzbasierte Selbstmedikation 2019/2020“ wird der Therapiealgorithmus bei Vaginalmykosen generell so beschrieben: Wenn bei nicht schwangeren Frauen eine topische Behandlung mit Clotrimazol oder Nystatin in der Selbstmedikation nicht erfolgreich verläuft oder immer wieder Rezidive auftreten, sollte ein Arzt konsultiert werden. Schwangere sollten direkt zum Arzt gehen. Sichert dieser die Diagnose, ist auch eine verlängerte topische Behandlung mit Clotrimazol oder verschreibungspflichtigem Miconazol möglich. Oft sei jedoch eine systemische Therapie mit Triazolen wie Fluconazol oder Itraconazol erforderlich. Bei Candida albicans sollen beide Substanzen Heilungsraten von bis zu 90 Prozent erreichen. Die Behandlung dauere meist nur wenige Tage, oft genüge sogar die einmalige orale Einnahme (vor allem bei Fluconazol üblich). Weil es innerhalb von sechs Monaten bei mehr als 35 Prozent der Patienten aber zu Rückfällen kommen soll, wird bei chronisch-rezidivierender Candida-albicans-Vaginitis nach einer hochdosierten Initialtherapie mit Fluconazol oder Itraconazol eine intermittierende Erhaltungstherapie über mehrere Monate fortgeführt.
Dass auch Schwangere mit Fluconazol in Berührung kommen, und es vielleicht sogar in höheren Dosen beziehungsweise über längere Zeit einnehmen, scheint also nicht ganz auszuschließen zu sein, auch nicht in Kanada: Dort wurde im Februar eine Studie im „Canadian Medical Association Journal“ veröffentlicht, laut der orales Fluconazol in Kanada häufig auch während der Schwangerschaft eingesetzt wird, obwohl topische Azole die erste Wahl darstellen. Warum ist das problematisch, wie die Studie aus ihren Ergebnissen im Februar folgerte?
Erfahrungsschatz in der Schwangerschaft zu Fluconazol ist „sehr hoch“, aber nicht hoch genug
Für das zweite bis dritte Trimenon gibt Embryotox an, dass bisherige Beobachtungen gegen ein fetotoxisches Risiko von Fluconazol sprechen. Für das erste Trimenon gebe es sogar fast 9.000 dokumentierte Schwangerschaftsverläufe zu Fluconazol. Diese hätten nach einmaliger Einnahme von 150 mg keine eindeutigen Hinweise auf eine erhöhte Gesamtfehlbildungsrate erbracht. Dänische Registerstudien hätten aber eine Assoziation mit speziellen Herzfehlbildungen (Fallot-Tetralogie) und eine erhöhte Abortrate beobachtet. Eine Fall-Kontroll-Studie habe zudem ein erhöhtes Risiko für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten sowie spezielle Herzfehlbildungen (Transposition der großen Gefäße) gefunden. Doch Embryotox kommt zu dem Fazit: „Zusammengefasst scheint ein solches Risiko bei einer Dosis unter 200 mg pro Tag, wenn überhaupt vorhanden, nur gering zu sein.“
Mehr Fehlgeburten unter niedrig dosiertem Fluconazol?
Die „Université de Montréal“ kommt laut einer Pressemitteilung zu der im Februar publizierten kanadischen Studie nun allerdings zu dem Schluss, dass jegliche Dosis an oralem Fluconazol in der Schwangerschaft mit einer erhöhten Fehlgeburtenrate in Zusammenhang stehen könnte. Jedoch sei das Risiko weiterhin gering. Außerdem zeige die Studie, wie bereits in Tierstudien gezeigt, dass höhere Fluconazol-Dosen über 150 mg in der frühen Schwangerschaft zu einem höheren Risiko für Herzfehler führen könnten. Ganz neu sind die Ergebnisse der Studie also nicht (siehe Embryotox), jedoch sollten sie laut Pressemitteilung kommuniziert werden, weil Vaginalmykosen in der Schwangerschaft so häufig sind.
Was untersucht wurde
Die neuen kanadischen Daten basieren auf 441.949 Schwangerschaften, die in der „Quebec Pregnancy Cohort“ zwischen 1998 und 2015 gelistet wurden. Davon wurden 320.868 (anhand Krankenkassendaten) auf Spontan-Aborte hin analysiert, 226.599 auf kongenitale Fehlbildungen und 7.832 auf Totgeburten. Die meisten Frauen erhielten dabei die übliche niedrige Einzeldosis Fluconazol von 150 mg (69,5 Prozent). Der Rest erhielt Dosen über 150 mg. Dabei fand sich generell keine Assoziation zwischen Fluconazol und Totgeburten. Auch die Einnahme von Fluconazol im ersten Trimester habe nicht das Gesamtrisiko für kongenitale Fehlbildungen erhöht, jedoch hätten hohe Dosen im ersten Trimester (im Schnitt die 4,5-fache Dosis, auf drei bis vier Tage verteilt) eine Assoziation mit Anomalien des kardialen Septumverschlusses gezeigt.
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Neu an den Ergebnissen scheint also vor allem zu sein, dass Fluconazol in der Frühschwangerschaft die Fehlgeburtenrate erhöhen könnte, unabhängig von der Dosis. Zusammenfassend würde sich Fluconazol in 2 bis 3 Prozent der Fälle der neuen Studie negativ auf eine Schwangerschaft auswirken, heißt es in der zugehörigen Pressemitteilung. Am Ende der Studie schreiben die Autoren aber selbst, dass es zur Bestätigung der Ergebnisse weiterer Studien bedarf. Die Haupteinschränkung ihrer Studie seien fehlende Informationen über potenzielle Störfaktoren wie Rauchen, Verwendung von rezeptfreier Folsäure und Alkoholkonsum, heißt es.
Und in der Stillzeit?
Ist die Schwangerschaft vorbei, folgt im Idealfall erstmal die Stillzeit. Was ist, wenn eine Candidose dann erneut aufflammt und hartnäckig bleibt? Auch dann ist die lokale Therapie mit Clotrimazol, Miconazol oder Nystatin zu bevorzugen. Wird die systemische Therapie aber zwingend erforderlich, kann laut Embryotox auch unter Fluconazol gestillt werden. Diese Empfehlung basiert auf der Erfahrung mit knapp 100 Mutter-Kind-Paaren, deren Kinder unauffällig blieben. Zudem sei die therapeutische Anwendung direkt beim Säugling auch gut verträglich: Der Anteil an der gewichtsbezogenen Tagesdosis der Mutter, den ein vollgestillter Säugling pro kg seines Körpergewichts in 24 Stunden mit der Milch erhält, würde laut Embryotox maximal 25 Prozent betragen; der Anteil einer therapeutischen Säuglingsdosis von 6 mg/kg/d 10 Prozent.
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