Arzneimittel-Automat

Was passiert zwischen Heerlen und Hüffenhardt?

Stuttgart - 10.04.2019, 16:50 Uhr

Um diesen Automaten ging es heute vor dem OLG Karlsruhe. (c / Foto: diz)

Um diesen Automaten ging es heute vor dem OLG Karlsruhe. (c / Foto: diz)


Am heutigen Mittwoch wurde vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe in insgesamt sechs Berufungsverfahren über die Aktivitäten von DocMorris im baden-württembergischen Hüffenhardt verhandelt. Dabei ging es wieder um die Frage, ob der Arzneimittel-Automat nun eine besondere Form des Versandhandels oder eine Apotheke ohne Betriebserlaubnis darstellt. Eine Entscheidung fiel allerdings noch nicht. Sie ist für den 15. Mai angekündigt.

Rückblick: Im April 2017 hatte der niederländische Arzneimittelversender DocMorris einen Arzneimittel-Automaten in der 2000-Seelen-Gemeinde Hüffenhardt (Baden-Württemberg) aufgestellt und in Betrieb genommen. Dass sich das Terminal in den angemieteten Räumlichkeiten einer ehemaligen Offizin befand, war auch schon die einzige Parallele zwischen Automat und Apotheke. Den Apothekern in den benachbarten Ortschaften sowie den Aufsichtsbehörden war das Konstrukt von Anfang an ein Dorn im Auge. Aber auch DocMorris machte stets deutlich, dass mit dem Automaten keine (illegale) Apotheke sondern eine besondere Form des Versandhandels betrieben werde.

Eine Rechtsauffassung, die weder die Behörden noch die Gerichte teilten. So ordneten das Regierungspräsidium Karlsruhe und das Landgericht Mosbach (LG) die Schließung dieser Arzneimittelabgabestelle an. In erster Instanz bestätigten bis Ende 2017 mehrere Urteile des LG Mosbach die Schließung. DocMorris erkannte die gerichtlichen Verbote jedoch nicht an und legte Berufung ein. Alle sechs Verfahren wurden daher heute vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) neu aufgerollt

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In zwei Verfahren war der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) im Interesse seiner Mitglieder gegen DocMorris vorgegangen. Der LAV will damit „dem Versuch von DocMorris einen Riegel vorschieben, sich mit der Arzneimittelabgabestelle in Hüffenhardt Wettbewerbsvorteile auf Kosten der Arzneimittelsicherheit zu verschaffen“, wie ein Pressesprecher betonte. Zum Auftakt des heutigen Verhandlungstages zeigten sich Vertreter des klagenden LAV zuversichtlich, dass auch das OLG das erstinstanzliche Urteil bestätigen wird.

Gleich zu Beginn machte der Vorsitzende Richter deutlich, welche zentrale Frage ihm in dem Zusammenhang wichtig erscheint: Handelt es sich bei dem Automaten nun um den Betrieb einer Apotheke oder um Versandhandel? Es geht also um die Abgrenzung von § 43 des Arzneimittelgesetzes (AMG) über die Apothekenpflicht zu § 73 AMG, der es EU-ausländischen Apotheken unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, Arzneimittel nach Deutschland zu verbringen und so Versandhandel zu betreiben. Während die Kläger, also die einzelnen Apotheker und der LAV, argumentieren, DocMorris verstoße mit seiner Arzneimittelabgabestelle unter anderem gegen § 43 AMG, sieht der niederländische Versender sein Geschäftsmodell durch § 73 AMG gerechtfertigt.

Warum sollte DocMorris dürfen, was mit deutscher Betriebs- und Versandhandelserlaubnis nicht möglich wäre?

Im Vorfeld der einzelnen Verfahren – sowohl in Mosbach als auch heute in Karlsruhe – wurde immer wieder spekuliert, dass eine Argumentation auch auf die Frage abzielen könnte, ob DocMorris überhaupt die Voraussetzungen erfüllt, Arzneimittel nach Deutschland versenden zu dürfen. So wird in § 73 AMG die sogenannte Länderliste genannt, die vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht und aktualisiert wird. In dieser Bekanntmachung sind die EU-Mitgliedstaaten aufgeführt, die Arzneimittelversandhandel mit Kunden in Deutschland betreiben dürfen. Für niederländische Versender ist es demnach Vorschrift, gleichzeitig eine Präsenzapotheke zu unterhalten und für Sicherheitsstandards nach deutschem Apothekenrecht zu sorgen. Betreibt DocMorris eine Apotheke in den Niederlanden? Öffentlich hatte dies zuletzt Nordrheins Kammerpräsident Lutz Engelen in Frage gestellt. Den vier Richtern des OLG Karlsruhe schien dieser Sachverhalt jedoch für den weiteren Prozess nicht relevant.

Immerhin machte der Vorsitzende Richter allen Anwesenden deutlich, dass ein Apotheker mit deutscher Betriebs- und Versandhandelserlaubnis den Arzneimittelautomaten in Hüffenhardt nicht betreiben dürfe. Warum also DocMorris? Zunächst stellte der DocMorris-Anwalt klar, dass für inländische Apotheker mit Versandhandelserlaubnis im Gegensatz zu den EU-Versendern ohnehin § 11a der Apothekenbetriebsordnung gelte. Dieser Paragraf listet konkrete Anforderungen an den Versand von Arzneimitteln aus öffentlichen Apotheken auf. 

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DocMorris: Konstrukt von der niederländischen Versandhandelserlaubnis gedeckt.

Für den grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel würden jedoch unionsrechtlich andere Spielregeln gelten. So habe der Europäische Gerichtshof 2016 ja auch geurteilt, dass es keine deutsche Arzneimittelpreisbindung für EU-Versender geben dürfe. Außerdem müssten Wettbewerbsnachteile zwischen deutschen Präsenzapotheken und den Versandhändlern so klein wie möglich gehalten werden. Im konkreten Fall würde DocMorris „nichts anderes als Versandhandel“ betreiben. Dieser beginne im Logistikzentrum in Heerlen und würde – bevor er den Kunden erreicht – in Hüffenhardt nur eine Zwischenstation machen. Dort stelle das Arzneimittellager also einen antizipierten Bedarf dar, den der Kunde mit seiner Eingabe am Terminal abrufe. Die Bestellung würde – wie beim klassischen Versand – auch online nach Heerlen übertragen. Das Konstrukt sei somit von der niederländischen Versandhandelserlaubnis gedeckt. Damit verstoße die behördlich angeordnete Schließung gegen Europarecht.

Wann fällt die Entscheidung?

Die Anwälte der Apotheker und des LAV hielten dagegen, dass es sich bei dem Lager in Hüffenhardt nicht um eine Abholstation bestellter Arzneimittel handele. Vielmehr befänden sich die Arzneimittel bis zur eigentlichen Abgabe in nicht genehmigten und überwachten Apothekenbetriebsräumen. So bestünde jederzeit die Gefahr, dass sie durch Dritte manipuliert werden könnten oder durch Temperatureinflüsse qualitativ beeinträchtigt werden. Eine stichprobenartige Überprüfung, wie sie in Apotheken täglich stattfindet, könnte der Betreiber nicht gewährleisten.

Doch die Richter betrachten den Streitfall offenbar aus einem anderen Blickwinkel. Sie interessierten sich heute vor allem für den Vorgang der Abgabe. So wollte einer der beisitzenden Richter vom DocMorris-Anwalt erfahren, was genau er unter einem Arzneimittellager verstehe. Unabhängig von der Bestückung, Verwaltung und Herausnahme von Arzneimitteln, sei auch das Lager selbst eine Form des Inverkehrbringens. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, wann beim Arzneimittel-Automaten konkret die Abgabe stattfindet: In Heerlen, wie beim klassischen Versand? Oder in Hüffenhardt, wie beim Betrieb einer Apotheke vor Ort? Der Anwalt entgegnete darauf, dass es sich um eine gestreckte Abgabeform zwischen Heerlen und Hüffenhardt handele, die durch die Versandhandelserlaubnis erlaubt sein müsse.

Entscheidung am 15. Mai

Das OLG Karlsruhe wird in allen sechs Verfahren über die Zulässigkeit eines Arzneimittel-Automaten in Hüffenhardt am 15. Mai entscheiden. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass auch die OLG-Richter die Schließung des Arzneimittel-Automaten für rechtens halten. So hatte vor einer Woche das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Schließungsanordnung bestätigt. Darüber hinaus ist auch das Bundesgesundheitsministerium fest entschlossen, Apotheken-Alternativen wie Abgabeautomaten zu verhindern. So zielt ein Passus im Entwurf zum Apotheken-Stärkungsgesetz darauf ab, neue Versorgungsalternativen neben den Apotheken und dem „klassischen“ Versandhandel nicht zuzulassen. Konkret soll im Apothekengesetz festgehalten werden, dass die Apothekenbetriebsordnung künftig auch Regelungen zu „unzulässigen Formen der Arzneimittelabgabe“ treffen kann. Video-Beratungen will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) allerdings erlauben, jedoch nur aus der Apotheke.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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