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Endoskopie-Studie
Erhöht Cannabis den Narkotika-Bedarf?
In der Cannabismedizin ist noch vieles neu. Zum Beispiel, wie sich Cannabinoide auf die Narkose auswirken. Eine retrospektive Datenbankanalyse aus dem US-Bundesstaat Colorado zeigt, dass Cannabiskonsumenten, die wegen einer Endoskopie sediert werden mussten, höhere Beruhigungsmitteldosen benötigten. Der kausale Zusammenhang ist allerdings noch unklar.
Wer sich als Patient einer Operation unterzieht, wird vom Anästhesisten vorab nach seinem Alkohol- und Tabakkonsum gefragt. Dabei geht es dem Narkosearzt nicht um eine Lifestyle-Beratung, sondern darum, die richtigen Dosierungen der Narkosemittel und Sedativa zu berechnen. So ist beispielsweise bekannt, dass Raucher höhere Propofol-Dosen benötigen, weil sie aufgrund von Enzyminduktion den Wirkstoff schneller abbauen.
Eine ähnliche Korrelation fanden Forscher aus dem US-Bundesstaat Colorado, wo die Freizeitanwendung von Marihuana seit 2012 erlaubt ist, bei regelmäßigen Cannabiskonsumenten. In einer retrospektiven Datenanalyse von 250 Datensätzen stellte sich heraus, dass diese Personen signifikant höhere Beruhigungsmittel-Dosen benötigten, um die gewünschte Sedierung bei endoskopischen Prozeduren zu erreichen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit von Mark Twardowski und Kollegen von den Western Medical Associates in Grand Junction (Colorado, USA) wurden diese Woche im Fachmagazin „The Journal of the American Osteopathic Association" veröffentlicht.
Sedierung: 220 Prozent mehr Propofol
Die Wissenschaftler werteten dazu die Daten von 25 Cannabiskonsumenten aus und verglichen diese mit 225 Nichtkonsumenten. Nutzer von CBD-haltigen aber THC-armen Produkten wurden in die Gruppe der Nichtkonsumenten klassifiziert. Die Informationen über den Cannabiskonsum basierten auf freiwilligen Angaben der Patienten. Da die Befragung zwischen 2015 und 2017 stattfand, sind wahrheitsgemäße Antworten nicht unwahrscheinlich, da es in Colorado zu diesem Zeitpunkt keine Strafverfolgung mehr gab.
Es folgte ein Abgleich der beim medizinischen Eingriff verwendeten Mengen an Narkosemitteln mit den Angaben der Patienten über die Einnahme von Cannabisprodukten, Alkohol, Benzodiazepinen und Opiaten. Cannabis-Nutzer benötigten demnach im Mittel 14 Prozent mehr Fentanyl, knapp 20 Prozent mehr Midazolam und gut 220 Prozent mehr Propofol (44,81 Milligramm statt 13,83 Milligramm).
Diese Daten könnten auch ein Hinweis für Anästhesisten sein, die hierzulande Cannabis-Patienten auf eine Operation vorbereiten. Da Cannabis in Deutschland erst seit zwei Jahren verschreibungsfähig und der Freizeitkonsum illegal ist, gibt es zu dieser Fragestellung kaum verlässliche Informationen.
Übertragbarkeit auf Vollnarkosen?
Allerdings ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Aussagekraft für eine quantitative Berechnung marginal ist, da die konsumierten Mengen nicht quantitativ erfasst wurden. Blutspiegelmessungen fehlen. Hinzu kommt, dass es sich um eine retrospektive Datenbankanalyse handelt. Außerdem war die „Cannabisgruppe“ mit 25 Patienten im Vergleich zur fast zehnmal so großen Kontrollgruppe relativ klein. Hinzu kommt, dass es bei der aktuellen Studie um diejenigen Sedativa-Dosierungen ging, die für einen sogenannten Dämmerschlaf benötigt werden. Daher ist es fraglich, ob die Verhältnisse auch auf Vollnarkosen übertragbar sind. Die Autoren schlagen daher vor, den Einfluss von Cannabinoiden auf die Allgemeinanästhesie zu untersuchen.
Welche Rolle spielt Tabak-Beikonsum?
Überraschend sei das Ergebnis nicht, sagt Götz Geldner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Klinikum in Ludwigsburg gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Dass Patienten, die psychoaktive Substanzen wie Alkohol zu sich nehmen, mehr Narkosemittel benötigen, sei unter Anästhesisten schon lange bekannt, erklärt der nicht an der Studie beteiligte Mediziner. „Wenn die Leber häufig mit Cannabinoiden oder Alkohol zu tun bekommt, steigert sie ihre Entgiftungsfunktion", schlussfolgert Geldner.
Die Frage nach einem kausalen Zusammenhang, etwa in Form einer Enzyminduktion wie bei Tabak, beantwortet die Studie allerdings nicht. Da Cannabis zu Konsumzwecken auch häufig mit Tabak gemischt geraucht wird, ist es nicht auszuschließen, dass die tabakbedingte Enzyminduktion zu den gefundenen Effekten beigetragen hat. Im medizinischen Bereich dagegen wird Cannabis tabakfrei angewendet.
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