Volkswirtschaftliche Kostenersparnis

Grippeimpfende Apotheker könnten 800 Millionen Euro sparen

Stuttgart - 24.04.2019, 14:45 Uhr

Bereits im Juni erklärte Gesundheitsökonom Prof. Uwe May, die volkswirtschafltichen Vorteile, wenn Apotheker gegen Grippe impfen dürften. (m / Foto: Andreas Domma / BAH)

Bereits im Juni erklärte Gesundheitsökonom Prof. Uwe May, die volkswirtschafltichen Vorteile, wenn Apotheker gegen Grippe impfen dürften. (m / Foto: Andreas Domma / BAH)


Impfende Apotheker könnten 900.000 Grippeerkrankungen, 4.700 influenzabedingte Krankenhaus- und 41 Todesfälle pro Jahr verhindern, schätzt Professor Uwe May. Diese Daten hatte der Gesundheitsökonom bereits 2018 für den Pharmaverband BAH erhoben – erneuter Auftrieb für die aktuelle Veröffentlichung im großen Stil, könnten Spahns Pläne zu impfenden Apothekern sein. 

Professor Uwe May, Gesundheitsökonom und Studiendekan der Hochschule Fresenius, befürwortet die Grippeimpfung durch Apotheker. Seine Pro-Einstellung des niederschwelligen Zugangs für Bürger zum saisonalen Influenzaschutz ist seit langem bekannt. Bereits im Juni des vergangenen Jahres kam er bei der BAH-Switch-Konferenz aus ökonomischer Sicht zu dem Fazit: „Eine Steigerung der Impfquote reduziert erheblich die volkswirtschaftlichen Kosten durch Grippeerkrankungen.“ Dass May diesen niederschwelligen Zugang in Apotheken sieht, ist kein Geheimnis.

In konkreten Zahlen bedeutet das: Volkswirtschaftliche Einsparungen in Höhe von etwa 800 Millionen Euro (Kos­teneinsparungen von rund einer Milliarde Euro abzüglich der Mehraufwandskosten der Kosten­trä­ger mit etwa 340 Millionen Euro), 900.000 weniger grippebedingte Krankheitsfälle, 2,9 Millionen weniger AU-Tage und 41 weniger Tote.

May erhob die Daten bereits 2018 für den BAH

Die Daten hatte May im Auftrag des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bereits für 2018 erhoben. DAZ.online war bei der BAH-Switch-Konferenz im letzten Jahr vor Ort und berichtete darüber: Würde ein OTC-Switch der Grippeimpfung die Impfquote verbessern?

Die volkswirtschaftliche Analyse präsentierte May nun, vielleicht anlässlich der durch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn propagierten Grippeimpfung durch Apotheker, in größerem Stil der Öffentlichkeit. Seiner Berechnung nach könnten grippeimpfende Apotheker die Impfrate in Deutschland um 12 Prozent steigern.

Wo klappt die Influenzaimpfung in Apotheken?

Belege für den Nutzen eines Impfangebots durch Apotheken liefern laut May Länder, in denen das apothekerliche Impfsystem bereits etabliert ist. So dürfen in England seit 2015 Apotheker impfen: Mittlerweile machen 77 Prozent der englischen Apotheken von dieser Kompetenz Gebrauch – und impften in der Grippesaison 2017/18 über 1,3 Millionen Patienten zusätzlich. Auch andere Apotheken-Impf-Länder verzeichnen Erfolge: In Irland stieg seit Einführung der Influenzaimpfung durch Apotheker (2011) die Zahl Geimpfter von 9.000 auf 78.000 (2017). Kanada berichtet von einer 8,4 Prozent höheren Impfrate und in der Schweiz geben 15 Prozent der Patienten an, dass sie sich ohne die Option der Grippeimpfung in der Apotheke gar nicht hätten impfen lassen. Warum also sollte sich dieser Trend nicht auch in der Bundesrepublik zeigen? Diese Frage bewegte May bereits bei der BAH-Switch-Konferenz 2018.

Niederschwellig muss es sein

May sieht bei Impfapotheken den wesentlichen Vorteil im niederschwelligen Zugang für die Patienten: „Wenn wir den Apothekern das Recht zur Grippeimpfung geben, würden viele Menschen das Angebot wahrnehmen. Aktuell sind lange Wartezeiten beim Arzt noch eine große Hürde“, so May. Auch dieser Aspekt steht nach Ansicht Mays immer hinter dem Thema. Neben medizinischen Risiken – häufig angeführt Impfreaktionen nach einer Grippeimpfung – gelte es auch die Versorgungsrisiken zu berücksichtigen, wenn bestimmte Therapiemöglichkeiten nicht niederschwellig zur Verfügung stünden.

Ressentiments gegen Impfapotheker

Nicht jeder steht Impfapothekern derart offen gegenüber wie May. Ressentiments hegen insbesondere Ärzte. Sie lassen Mays Argumente bezüglich Impfquote und Ärzteentlastung nicht gelten. Der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery hatte es als „kontrapro­duk­tiv“ bezeichnet, das hohe Qualitätsniveau von Impfleistungen in Deutsch­land zu sen­ken und das Impfrecht neben Ärzten auch auf andere Professionen aus dem Gesundheits­wesen zu übertragen.

Beim 5. Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie (Oktober 2018 in Berlin) erklärte der BÄK-Präsident, dass Impfen eine Grundaufgabe der ärztlichen Tätigkeit sei und dadurch dass Apotheker impften, Ärzte noch lange nicht hinsichtlich ihres Arbeitspensums entlastet würden. Auch das häufig angeführte Argument einer Verbesserung der Impfquote durch impfende Apotheker lässt Montgomery nicht gelten: „Die Impfquote wird nicht durch Apotheker gesteigert, sondern durch Vernunft und Aufklärung“, so der Ärztepräsident. Sein Fazit: „Schuster bleib bei deinen Leisten, und das Impfen bleibt in der Hand des Arztes“.

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Montgomery über impfende apotheker

„Schuster, bleib bei deinen Leisten“

Auch der Verband der ZahnÄrztinnen (VdZÄ) hatte sich in der letzten Woche dazu skeptisch geäußert, dass Apotheker die urärztliche Profession des Impfens ausüben könnten. Vorher gehöre die Influenzaimpfung in die Hand der Zahnärzte, finden sie. Hier scheint jedoch vergessen worden zu sein, dass ein Zahnarztbesuch nun meist nicht das Paradebeispiel für „niederschwellig" sein dürfte.

Verhindern Animositäten das Beste für den Patienten?

Das Thema schafft Emotionen bei Apothekern, Ärzten und der Politik. May erklärte bereits beim BAH, dass die Ziele hinter Impf-Apothekern weder primär eine Kompetenzerweiterung der Apotheker, noch eine Beschneidung derer bei den Ärzten oder massive Kostenersparnisse für das Gesundheitssystem seien. Sondern das Ziel sei ganz schlicht, „das Sinnvollste zu tun und die Versorgung zu verbessern“.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Nachgehakt

von Wolfgang Müller am 25.04.2019 um 14:37 Uhr

Ich bin ja stur. In einem Ärzte-Medium wäre es undenkbar, über so etwas Interessantes zu berichten, ohne dass Eckzahlen vorliegen, wenn es um ÄRZTE ginge. In diesem Fall stand diese Meldung über Apothekers aber genau so ohne Fundament auch in der Ärztepresse, auch meiner Frau war das aufgefallen, wie dünne das bei uns ist.

Vor Allem eben würden Ärzte wissen wollen: Wieviele Impfungen pro Jahr werden dem zugrunde gelegt, um diese Effekte wie z. B. "900.000 Erkrankte weniger" zu erzielen? Und eben, welche Kosten pro Patient werden angenommen/wie setzen die sich zusammen?

Ist diese Nachfrage jetzt wieder zu sehr eine Flucht ins Konkrete, habe ich deshalb keine Antwort zu erwarten? Oder KENNT wirklich kein/e Apotheker/in hier die Antwort? Nur Prof. Mand selber, soll ich ihn anrufen?

Oder soll ich erstmal spekulieren? Dann fangen wir doch mal an, ich lasse mich dann gerne korrigieren, ich kann bei der dürren Berichtslage ja nur versuchen, etwas zu ERAHNEN:

"340 Mio. jhrl. Aufwand bei den Kostenträgern" bedeutet ja vielleicht - der Einfachheit halber mal so gerechnet - 10.000.000 zusätzliche Grippe-Impfungen in Apotheken. Also 34 Euro pro Impfung. 10 - 15 Euro für den Impfstoff angesetzt, wären das 15 - 20 Euro Honorar pro Impfung als Honorar. Wenn man mal davon ausgeht, dass 4 Euro irgendwo im Apparat untergehen.

Das wäre in Euro ähnlich dem, was in der Schweiz in Franken passiert.

Ich finde das mindestens INTERESSANT, als Einstieg in eine halbwegs ernst zu nehmende Diskussion intern, und später mit den GKVen. Alle anderen nicht?

So, und jetzt erzählt mir gerne, dass das natürlich inkompetenter Quatsch und in Wirklichkeit Alles ganz anders ist, aber ERZÄHLT die ganze Geschichte!

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Where's The Beef?

von Wolfgang Müller am 24.04.2019 um 18:40 Uhr

Ich scrolle hoch, ich scrolle runter ... dreimal hin, dreimal her.

Bin ich zu blöd, kann mir einer helfen, wo finde ich das Honorar pro Impfung, das Prof. May seinen Berechnungen zugrunde gelegt hat? Oder hat er das "entfallen" lassen? Weil wir ja schon am Impfstoff verdienen? Kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Ökonomie-Professor so vorgeht.

Oder hat die DAZ sich dafür nicht interessiert, weil es für uns sowieso nur um die "Ehre" gehen sollte? Göttinger Telefonbuch, sage ich nur?

Oder um einen weiteren entscheidenden Schritt zur Entlarvung und Befreiung von 30 Prozent Schwachleistern? Die am Ende sowas Tolles nur machen wollen, wenn es auch ein zusätzliches Einkommen (NICHT: nur Umsatz) ergibt?

Kann jemand helfen?

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Impfen in Apotheken.

von Roland Mückschel am 24.04.2019 um 15:19 Uhr

Fühle mich sehr geschmeichelt so wichtig zu sein.
Aber vielleicht sollten wir es dabei belassen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Impfen in Apotheken ... pieksen gegen Retax ...

von Ch. Timme am 24.04.2019 um 16:46 Uhr

... mit Honorar?

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