Empfehlungen zu digitalen Technologien

WHO: Telemedizin kann persönlichen Kontakt nicht ersetzen

Berlin - 14.05.2019, 11:00 Uhr

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO, hier die Zentrale in Genf) hat Empfehlungen zur Verwendung digitaler Technologien im Gesundheitswesen veröffentlicht. ( r / Foto: Imago images / imagebroker)

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO, hier die Zentrale in Genf) hat Empfehlungen zur Verwendung digitaler Technologien im Gesundheitswesen veröffentlicht. ( r / Foto: Imago images / imagebroker)


Die Weltgesundheitsorganisation hat erstmals umfangreiche Empfehlungen zur Nutzung digitaler Gesundheitstechnologien veröffentlicht. Damit will sie den Ländern helfen, Mobiltelefone, Tablets und Computer bei der Versorgung der Patienten effizient einzusetzen. Die Telemedizin begrüßt die WHO grundsätzlich, weist aber auch auf ihre Grenzen hin.

In den vergangenen zwei Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) systematisch Erkenntnisse zu digitalen Technologien gesammelt und Experten aus der ganzen Welt konsultiert, um zu eruieren, wie der größtmögliche Nutzen aus digitalen Lösungen für die Gesundheitssysteme gezogen werden kann. „Die Nutzung digitaler Technologien ist für eine umfassende Gesundheitsversorgung unabdingbar“, erklärt WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. „Sie sind letztlich kein Selbstzweck, sondern wichtige Instrumente zur Förderung der Gesundheit, zum Schutz der Welt und zum Schutz der Schwachen. “

Digitale Tools müssen langfristige Verbesserungen bringen

Die primäre Zielgruppe für die neue Richtlinie (hier können Sie sie einsehen) sind Entscheidungsträger aus Gesundheitsministerien, Angehörige der Gesundheitsberufe und andere Interessengruppen. Die Empfehlungen beschreiben nicht nur den Umfang der verfügbaren digitalen Lösungen. Sie durchleuchten auch die Evidenzbasis für die einzelnen Interventionen. Nicht alles was heute machbar, muss unbedingt sinnvoll sein. „Wenn digitale Technologien nachhaltig sein und in die Gesundheitssysteme integriert werden sollen, müssen sie langfristige Verbesserungen gegenüber den traditionellen Wegen der Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen nachweisen können“, sagt Soumya Swaminathan, Chefwissenschaftlerin der WHO.

Wobei digitale Lösungen helfen können

Die Richtlinie behandelt im ersten Schritt zehn Arten von Interventionen mit Hilfe mobiler Geräte. Das Spektrum soll fortlaufend ausgeweitet werden. Eine digitale Intervention, die sich laut WHO in einigen Bereichen bereits positiv auswirkt, ist das Senden von Erinnerungen von Schwangeren an die notwendigen Checks sowie Aufforderungen zur Impfung von Kindern. Darüber hinaus weist die Richtlinie auf das Potenzial zur Verbesserung der Lagerverwaltung hin. Dank digitaler Technologien könnte das Gesundheitspersonal effizienter über den Status von Warenbeständen und -lücken informiert werden. Die Benachrichtigung allein reiche jedoch nicht aus, um das Warenmanagement zu verbessern, mahnt die WHO. Die Gesundheitssysteme müssten auch rechtzeitig reagieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um die benötigten Rohstoffe aufzufüllen.

WHO: Telemedizin kann helfen, aber nicht immer

Weiterhin erstrecken sich die Empfehlungen auf digitale Instrumente zur Entscheidungsunterstützung, die das Gesundheitspersonal bei der Betreuung einsetzen kann. Daneben werden Tools beurteilt, mit denen Einzelpersonen und Gesundheitspersonal, die sich an verschiedenen Standorten befinden, in Gesundheitsfragen kommunizieren können, sowie die Ausbildung für Gesundheitsberufe via mobile Anwendungen (m-learning). Die Richtlinie gibt auch Empfehlungen zur Telemedizin ab, mit deren Hilfe Menschen an abgelegenen Orten Gesundheitsdienste über Mobiltelefone, Webportale oder andere digitale Tools in Anspruch nehmen können. Die WHO beurteilt diese zwar eine wertvolle Ergänzung, weil Menschen in abgelegenen Regionen so einen besseren Zugang zur Versorgung bekommen.

Die Organisation meint aber, dass die Telemedizin die persönliche Interaktion nicht vollständig ersetzen könne. Wichtig sei es, dass bei telemedizinischen Anwendungen unter anderem die Sicherheit und Privatsphäre der Patienten überwacht und eingehalten werden kann. Außerdem weist die WHO auch darauf hin, dass nicht alle Menschen auf der Welt gleichen Zugang zum Internet, noch nicht einmal zu Elektrizität haben. 

Lösungen müssen zur strukturellen Umgebung passen

„Digitale Interventionen hängen stark vom Kontext ab und ob sie angemessen ausgestaltet sind“, gibt Garrett Mehl, Wissenschaftler der WHO für digitale Innovationen und Forschung zu bedenken. „Dazu gehören die verfügbare Infrastruktur und mögliche strukturelle Probleme, die Gesundheitsbedürfnisse, die sie zu erfüllen versuchen, und die Benutzerfreundlichkeit der Technologie selbst." Außerdem müssten angemessene Rahmenbedingungen für Schulungen sowie Richtlinien zum Schutz der Privatsphäre von Einzelpersonen und zum Datenschutz beim Zugang zu Patientenakten bereitgestellt werden. Die WHO fordert die politischen Entscheidungsträger und Umsetzer dazu auf, diese Aspekte zu berücksichtigen, wenn sie mit digitalen Tools spürbare Änderungen vorantreiben möchten.  

Bis 2020 digitale Strategie zur digitalen Gesundheit

Im Jahr 2018 hatte die Weltgesundheitsversammlung einstimmig eine Resolution verabschiedet, in der die WHO aufgefordert wurde, eine globale Strategie für digitale Gesundheit zu entwickeln. Diese soll 2020 auf der Weltgesundheitsversammlung geprüft werden. Am 6. März 2019 kündigte WHO-Generaldirektor Tedros die Einrichtung einer Abteilung für digitale Gesundheit an, um die Rolle der WHO bei der Bewertung digitaler Technologien zu stärken. In den letzten Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation bereits eine Reihe von Ressourcen bereit gestellt, um die Ländern bei der Überwachung und Koordinierung digitaler Investitionen in ihrem Land zu unterstützen, darunter den Digital Health Atlas, ein globales Online-Repository, in dem Umsetzer ihre digitalen Gesundheitsaktivitäten registrieren können.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Telemedizin - pro und kontra

von Heiko Barz am 15.05.2019 um 11:24 Uhr

Ich bin mir sicher, dass viele der „Digitalverliebten“ - auch im politischen Bereich - nicht einmal wissen was Bits und Bytes tatsächsich sind. Auf einer Glasplatte digitale Programme hin und herzuschieben das können alle, aber welche Rechenoperationen erforderlich sind, und wie man das zu verstehen hat, können nur sehr wenige darstellen.
Auch wenn viele eine Internet-Medizin voraussagen, weil der „Digitalgott“ über allem zu schweben scheint, der muß bei seinem ersten notwendigen Arztbesuch feststellen, dass ärztliche Medizin und deren analogen Prozesse einzig den Erfolg der Heilung bedingt.
Zwar gibt es Operationsroboter, die natürlich mit digitalen Prozessoren arbeiten, aber der Operateur, wo auch immer er sitzt, muß verantwortliche Handgriffe immer noch selbst tätigen. Es gibt noch vieles, was ausschließlich analog bewältigt werden muß, Physiotherapie, Rehamaßnamen etc.
Was kann unser Beruf in dieser Weise Analoges unverwechselbar anbieten?

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Binsenweisheiten

von Karl Friedrich Müller am 14.05.2019 um 12:15 Uhr

die aber für unsere Politiker zu hoch sind. Digitalverliebt, ohne zu wissen, was sie reden.
ABDA + DAV machen alles mit. Alternativlos. Statt mal zu hinterfragen und zu kritisieren.
Siehe auch DocMorris Urteil Hüfenhardt.

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