DAZ.online-Wahlcheck zur Europawahl (Teil 2)

Was sagen die Parteien zum E-Rezept und zum Fälschungsschutz?

Berlin - 21.05.2019, 07:00 Uhr

Wenn am kommenden Sonntag die Europawahl ansteht, geht es auch für die Apotheker um wichtige Themen, wie etwa die länderübergreifende Nutzung von E-Rezepten und die Zukunft des EU-Fälschungsschutzsystems. (Foto: imago images / Westend 61)

Wenn am kommenden Sonntag die Europawahl ansteht, geht es auch für die Apotheker um wichtige Themen, wie etwa die länderübergreifende Nutzung von E-Rezepten und die Zukunft des EU-Fälschungsschutzsystems. (Foto: imago images / Westend 61)


Die Europawahl am kommenden Sonntag ist auch für Apotheker wichtig. Immer häufiger zeigt sich, dass sich Entscheidungen auf EU-Ebene auf die Apotheker hierzulande auswirken. Zwei weitere wichtige, europäische Themen sind die Digitalisierung und das kürzlich eingeführte europäische Fälschungsschutz-System. Was muss passieren, damit Deutschland beim Thema E-Rezept nicht den Anschluss verliert? Und welche Verbesserungen sollte es den Parteien zufolge noch beim Fälschungsschutz geben? Antworten darauf gibt es im zweiten Teil des DAZ.online-Wahlchecks.

Im ersten Teil des DAZ.online-Wahlchecks zur Europawahl haben wir die Parteien nach ihrer Meinung zu den Themen Subsidiarität und EU-Versandhandel befragt. Doch es gibt noch mehr Themen, bei denen Europa immer wichtiger wird für den Apothekenmarkt. Zum Beispiel die Digitalisierung. In vielen europäischen Ländern wird beispielsweise das E-Rezept problemlos umgesetzt, hierzulande stehen wir gerade einmal in den Startlöchern. Was können wir also von unseren europäischen Nachbarn in diesem Bereich lernen? Und: Wie sieht es mit der Interoperabilität aus? Sollen die E-Rezept-Systeme der Mitgliedstaaten miteinander kommunizieren können?

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Ein weiteres wichtiges Thema: der Fälschungsschutz. In diesem Jahr ging das EU-weite Fälschungsschutzsystem an den Start, hierzulande heißt es Securpharm. Trotz Startschwierigkeiten in vielen Ländern ermöglicht das System, dass gefälschte Arzneimittel in der Lieferkette europaweit detektiert werden können. Die Ausnahmen: Italien, Belgien und Griechenland, hier gab es schon vorher Fälschungsschutzsysteme, die beiden Länder haben also länger Zeit zur Umsetzung. Aber was muss sich noch bessern bei Securpharm? Was muss passieren, damit alle Länder problemlos angebunden sind? Diese Fragen haben wir den sechs größten Parteien aus Deutschland zur Europawahl gestellt. Hier lesen Sie die Antworten:

CDU/CSU

  • In anderen EU-Ländern gibt es das E-Rezept schon längst. Sollten die E-Rezepte aus Ihrer Sicht interoperabel mit anderen Staaten sein? Was muss aus Ihrer Sicht noch geschehen, damit neue, digitale Versorgungselemente wie etwa E-Rezepte oder E-Medikationspläne auch in anderen Ländern nutzbar und einsehbar sind?

Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung wird die Selbstverwaltung verpflichtet, innerhalb von sieben Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes die notwendigen Regelungen für die Verwendung des elektronischen Rezeptes zu schaffen und insbesondere die Regelungen anzupassen, die bislang die Verordnung von Arzneimitteln ausschließlich in Papierform vorsehen. Zudem wird die Gesellschaft für Telematik beauftragt, bis zum 30. Juni 2020 die technischen Voraussetzungen zur Einführung elektronischer Verordnungen für apothekenpflichtige Arzneimittel zu schaffen. Dies sind wichtige Schritte. Interoperabilität sollte immer mit gedacht wer- den; allerdings sollte man sich zunächst darauf konzentrieren, die Anwendungen in Deutschland zum Laufen zu bringen.

  • Seit einigen Monaten gibt es ein länderübergreifendes Fälschungsschutzsystem. Ist Ihre Partei mit dem System (hierzulande heißt es Securpharm) zufrieden? Oder gibt es noch Nachbesserungsbedarf?

Die Arzneimittelversorgung in Deutschland gehört zu den sichersten  der Welt: In den deutschen Apotheken sind in den vergangenen Jahren nur sehr selten Arzneimittelfälschungen aufgetreten. Die Apotheken tragen schon seit langem durch eine optische Prüfung erheblich dazu bei, dass gefälschte Arzneimittel nicht in die Hände von Patienten gelangen. Die Europäische Union hat mit der sogenannten Fälschungsschutzrichtlinie Grundsätze vorgegeben, um das Eindringen von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette zu verhindern. Nähere Bestimmungen legt die Delegierte Verordnung der EU-Kommission über Sicherheitsmerkmale fest. Sie gilt seit dem 9. Februar 2019. Ab diesem Stichtag muss das System zur Überprüfung der Echtheit von Arzneimitteln in der Europäischen Union funktionieren.

Mit einer nationalen Verordnung wurde im Juli 2018 die entsprechende Anpassung arzneimittelrechtlicher und apothekenrechtlicher Vorschriften an die Vorgaben der Delegierten Verordnung über Sicherheitsmerkmale vorgenommen. Im Entwurf des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sind technische Anpassungen des Arzneimittelgesetzes an die Delegierte Verordnung über Sicherheitsmerkmale vorgesehen. Das in Deutschland von securPharm e.V. errichtete Arzneimittelverifikationssystem ist technisch bereit und kann von den Akteuren genutzt werden.

SPD

  • In anderen EU-Ländern gibt es das E-Rezept schon längst. Sollten die E-Rezepte aus Ihrer Sicht interoperabel mit anderen Staaten sein? Was muss aus Ihrer Sicht noch geschehen, damit neue, digitale Versorgungselemente wie etwa E-Rezepte oder E-Medikationspläne auch in anderen Ländern nutzbar und einsehbar sind?

Im europäischen Vergleich bewegt sich Deutschland nur langsam voran. So sind die Krankenkassen erst ab 2021 verpflichtet ihre Versicherten mit einer elektronischen Gesundheitskarte auszustatten. Auch die Verwendung von eRezepten soll voraussichtlich erst im Frühjahr 2020 möglich sein. Der immer größere Einfluss von e-Health wird allerdings europaweit von grundlegender Bedeutung für die Art und Weise sein, wie wir in Zukunft eine hochwertige Gesundheitsversorgung erreichen. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit personenbezogenen Daten. Der Datenschutz darf nicht nur als Innovationshemmnis gesehen werden, sondern muss integraler Bestandteil der Entwicklung sein. Es muss zum Beispiel die sichere Übertragung von Gesundheitsdaten im Digitalen Binnenmarkt möglich sein, um auch im EU-Ausland eine angemessene Behandlung zu erhalten. Diese Themen können nur durch eine koordinierte, sorgfältige und wirksame EU-Regulierung gelöst werden. Wir wollen, dass alle Patientinnen und Patienten einerseits überall bestmöglich versorgt werden und Zugang zu qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Medikamenten haben und sich gleichzeitig sicher sein können, dass Ihre persönlichen Gesundheitsdaten sicher sind. Dies muss in Deutschland, aber auch grenzüberschreitend gewährleistet sein.

  • Seit einigen Monaten gibt es ein länderübergreifendes Fälschungsschutzsystem. Ist Ihre Partei mit dem System (hierzulande heißt es Securpharm) zufrieden? Oder gibt es noch Nachbesserungsbedarf?

Die Skandale um fehlerhafte Generika aus Indien oder der jüngste um verunreinigten Valsartan-Medikamente aus China zeigen, dass im Bereich der Arzneimittelsicherheit noch viel zu tun ist. Auf europäischer Ebene ist seit dem 9. Februar diesen Jahres die Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Verhinderung des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette in Kraft getreten. Dies war ein sehr wichtiger Schritt für mehr Sicherheit auf dem europäischen Markt. Dank der neuen einheitlichen Sicherheitsmerkmale wie Erstöffnungsschutz, Strichcodes auf den Verpackungen und einer eigenen Identifikationsnummer kann die Echtheit von verschreibungspflichtigen Arzneimittelpackungen vor der Abgabe noch einmal geprüft werden. Auf deutscher Ebene fließt die europäische Gesetzgebung in das GSAV mit ein. So schützen wir künftig Patientinnen und Patienten noch besser vor gefälschten Arzneimitteln. Nachbesserungen werden erst bei der Evaluierung  vorgenommen, wenn  mehr  Daten  vorhanden sind und  die Auswirkung  der Richtlinie besser bekannt ist.

Grüne

  • In anderen EU-Ländern gibt es das E-Rezept schon längst. Sollten die E-Rezepte aus Ihrer Sicht interoperabel mit anderen Staaten sein? Was muss aus Ihrer Sicht noch geschehen, damit neue, digitale Versorgungselemente wie etwa E-Rezepte oder E-Medikationspläne auch in anderen Ländern nutzbar und einsehbar sind?

Es ist aus Sicht der Patient*innen kein Grund erkennbar, warum elektronische Verordnungen innerhalb Europas nicht interoperabel sein sollten. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Europäische Union ein europäisches Austauschformat für eine Patient*innenkurzakte auf der Grundlage international gebräuchlicher semantischer Terminologien anstrebt. Elektronische Verordnungen sollten Teil dieser Akte werden. Die Patient*innenakte wird für Versorgung der Patient*innen nur dann einen echten Mehrwert bieten, wenn die Akte auf internationalen Standards beruht und dazu führt, dass die Leistungserbringer auf Wunsch der Patient*innen alle relevanten Informationen schnell und einfach einsehen können.

  • Seit einigen Monaten gibt es ein länderübergreifendes Fälschungsschutzsystem. Ist Ihre Partei mit dem System (hierzulande heißt es Securpharm) zufrieden? Oder gibt es noch Nachbesserungsbedarf?

Für die Sicherheit der Arzneimittelversorgung ist mit der Einführung von Securpharm ein wichtiger Schritt getan. Anstatt jedoch im System nur den Start und Zielpunkt einer Arzneimittelpackung zu vermerken, wäre es aus Sicht der Sicherheit in der Versorgung sinnvoller, die gesamte Lieferkette zu protokollieren. Wir halten es auch für notwendig, dass Italien und Griechenland schon vor 2025 in das System integriert werden. Das System sieht vor, dass Arzneimittelimporteure selbstständig ausländische Arzneimittelpackungen aus dem System ausbuchen und unter deutscher Identifikation neu in das System einbuchen. Hier muss zukünftig genau geprüft werden, ob diese Vorgehensweise kein Einfallstor für Fälschungen darstellt.

Linke

  • In anderen EU-Ländern gibt es das E-Rezept schon längst. Sollten die E-Rezepte aus Ihrer Sicht interoperabel mit anderen Staaten sein? Was muss aus Ihrer Sicht noch geschehen, damit neue, digitale Versorgungselemente wie etwa E-Rezepte oder E-Medikationspläne auch in anderen Ländern nutzbar und einsehbar sind?

Das elektronische (e-)Rezept kann die Versorgung der Patientinnen und Patienten erheblich verbessern. Interoperabilität ist entscheidend, damit die Vorteile des e-Rezepts unabhängig vom Wohn- oder momentanen Aufenthaltsort greifen können. Es existieren bereits diverse Vereinbarungen, damit die unterschiedlichen eHealth-Anwendungen in den Mitgliedsstaaten untereinander kommunizieren können. Hier bedarf es weiterer Standards und internationaler Vereinbarungen. Selbstverständlich müssen jeweils die Staaten mit den höchsten Datensicherheitsvorgaben die Messlatte für den gegenseitigen Zugriff auf Patientendaten legen.

  • Seit einigen Monaten gibt es ein länderübergreifendes Fälschungsschutzsystem. Ist Ihre Partei mit dem System (hierzulande heißt es Securpharm) zufrieden? Oder gibt es noch Nachbesserungsbedarf?

Das Securpharm-System hat einen gewissen Fortschritt bei der Fälschungssicherheit gebracht. Insgesamt ist es aber unzureichend, um Fälschungen zuverlässig aus der legalen Lieferkette zu verbannen oder vorhandene zu erkennen. Es müsste zumindest auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel umfassen und illegalen Handel wie bei Lunapharm unterbinden können. Wenn jedoch die pharmazeutischen Unternehmen, die unerlaubt Handel treiben oder gefälschte Arzneimittel in den Verkehr bringen, selbst Seriennummern einspeisen können, ist das System mehr als löchrig. Wichtiger ist es, die Lieferkette zu vereinfachen, um die Eintrittspforten für illegale Produkte zu reduzieren. Die dreiteilige Kette Hersteller-Großhandel-Apotheke bietet nach wie vor einen guten Schutz und muss der Regelfall sein.

AfD

  • In anderen EU-Ländern gibt es das E-Rezept schon längst. Sollten die E-Rezepte aus Ihrer Sicht interoperabel mit anderen Staaten sein? Was muss aus Ihrer Sicht noch geschehen, damit neue, digitale Versorgungselemente wie etwa E-Rezepte oder E-Medikationspläne auch in anderen Ländern nutzbar und einsehbar sind?

Die technischen Einzelheiten zum E-Rezept und die Realisierung in Deutschland sollten durch die zuständige Selbstverwaltung erfolgen. Oberste Priorität hat für uns in dieser Digitalisierungs-Thematik der Datenschutz! Die nachhaltige Datensicherheit der Patientendaten muss gewährleistet sein. Das Recht des Patienten auf die freie Apothekenwahl darf durch E-Rezepte keinesfalls eingeschränkt werden. Die E-Rezepte und E-Medikationspläne sollten aus Sicht der AfD auch in anderen Staaten nutzbar und einsehbar sein.

  • Seit einigen Monaten gibt es ein länderübergreifendes Fälschungsschutzsystem. Ist Ihre Partei mit dem System (hierzulande heißt es Securpharm) zufrieden? Oder gibt es noch Nachbesserungsbedarf?

Die AfD begrüßt die Einführung von „Securpharm“. Der Schutz des Patienten vor gefälschten Arzneimitteln und illegalen Importen hat für uns höchste Priorität. Die Einführung des Systems in den deutschen Apotheken am 09. Februar lief weitestgehend störungsfrei. Da aber Griechenland und Italien „Securpharm“ noch nicht umgesetzt haben, gibt es immer noch Schlupflöcher. Auch deshalb fordern wir eine generelle Abschaffung der Importquote.

FDP

  • In anderen EU-Ländern gibt es das E-Rezept schon längst. Sollten die E-Rezepte aus Ihrer Sicht interoperabel mit anderen Staaten sein? Was muss aus Ihrer Sicht noch geschehen, damit neue, digitale Versorgungselemente wie etwa E-Rezepte oder E-Medikationspläne auch in anderen Ländern nutzbar und einsehbar sind?

Selbstverständlich setzen wir uns beim E-Rezept für Interoperabilität ein. 

  • Seit einigen Monaten gibt es ein länderübergreifendes Fälschungsschutzsystem. Ist Ihre Partei mit dem System (hierzulande heißt es Securpharm) zufrieden? Oder gibt es noch Nachbesserungsbedarf?

Bisher haben wir keine ernstzunehmenden Kritikpunkte an Securpharm gehört, die nicht hätten behoben werden konnten. Wir sind uns aber bewusst, dass Securpharm nicht alle Probleme mit Arzneimittelfälschungen beheben kann.

Anmerkung der Redaktion: Die Antworten der FDP sind anscheinend verloren gegangen und haben uns nicht erreicht. Die Partei hat sie nun nachgeliefert. Wir bitten dies zu entschuldigen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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