Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

02.06.2019, 08:00 Uhr

Bricht bald unser gesamtes Preisgefüge zusammen? Gleichpreisigkeit für immer vorbei? (Foto: Andi Dalferth)

Bricht bald unser gesamtes Preisgefüge zusammen? Gleichpreisigkeit für immer vorbei? (Foto: Andi Dalferth)


Mit seinem E-Rezept-Projekt macht DocMorris Druck. Das Versandhaus will mit Fachärzten und sogar Vor-Ort-Apotheken zusammenarbeiten, wie nett! Wie das gehen soll, bleibt ein Geheimnis. Was soll’s, wir haben doch die pharmazeutischen Dienstleistungen als Rettungsanker. Wie die konkret aussehen und honoriert werden? Ein Geheimnis. Doch das alles ist nichts gegen den Riesen-Tsunami, der auf uns zuzurollen droht: Die Preisbindung auf Herstellerebene könnte durch eine Entscheidung des OLG Düsseldorf in sich zusammenfallen. Im Klartext: Gleichpreisigkeit ade? Und Tschüss, liebe gute alte Arzneimittelpreisverordnung? 

27. Mai 2019

Das war zu erwarten: DocMorris kann es nicht erwarten! Das Versandhaus will sich einen großen Teil vom E-Rezeptkuchen sichern. DocMorris hat ein eigenes E-Rezept-Projekt aufgesetzt und dazu die Fachärzte mit ins Boot geholt, so ließ eine Pressemitteilung wissen. Details wurden nicht genannt. Dennoch, ein starkes Stück, mein liebes Tagebuch! Wo wird das hinführen? Das ist noch offen, aber wahnsinnig brisant. Noch vor kurzem sagte der ABDA-IT-Chef Sören Friedrich auf dem DAV-Wirtschaftsforum: „Am schlimmsten wäre es, wenn DocMorris mit einer eigenen E-Rezept-App auftaucht.“ Tja, die haben wir nun und es kommt noch schlimmer: Der Versender arbeitet bei der Umsetzung seines E-Rezept-Projekts mit dem Spitzenverband der Fachärzte (SpiFa) zusammen. Es ist der größte Fachärzteverband in Deutschland. Das Projekt soll im kommenden  Jahr starten. Seitens der Ärzte wird es über die Sanakey-Gruppe gesteuert, eine Unternehmensgruppe des SpiFA, die vom ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordneten Lars Friedrich Lindemann geleitet wird. Mein liebes Tagebuch, mal grundsätzlich gefragt: Dürfen die das denn? Gute Frage. Wir haben in Deutschland die freie Apothekenwahl für Patienten, Ärzte dürfen ihre Patienten nicht beeinflussen, in welcher Apotheke sie ihre Rezepte einlösen. Mit dem kommenden Apotheken-Stärkungsgesetz soll das „Makeln“ mit Rezepten ausdrücklich verboten werden. Ebenso soll untersagt werden, dass Ärzte und Krankenkassen die Patienten bei ihrer Apothekenwahl beeinflussen. Das Bundesgesundheitsministerium will es den EU-Versendern außerdem verbieten, Absprachen mit Ärzten zur Weiterleitung von Rezepten zu vereinbaren. Mein liebes Tagebuch, das Gesundheitsministerium hat die Gefahren erkannt und will gegensteuern. Immerhin hat sich unsere ABDA, hier der Deutsche Apothekerverband, dieses Mal zu Wort gemeldet und den Verbraucherschutz beim E-Rezept eingefordert: „Patienten müssen volle Wahlfreiheit bei Arzt und Apotheke behalten.“ Ob das gelingen wird? In seiner Pressemitteilung lässt der Apothekerverband noch wissen, dass man derweil „mit Hochdruck“ an einer eigenen E-Rezept-Web-App arbeite. Mein liebes Tagebuch, da können wir unserem Verband nur alles Gute wünschen. Und wir fragen uns trotzdem, warum an dieser E-Rezept-App erst jetzt mit Hochdruck gearbeitet wird. Dass das E-Rezept kommt, weiß man nicht erst seit gestern.


Na ja, mein liebes Tagebuch, falls es dann doch mit der DAV-E-Rezept-App ein wenig länger dauern sollte und die DocMorris-Fachärzte derweil ihre Rezepte zum Versender in die Niederlande schicken, dann greifen wir zu unserem Kieferschen Rettungsanker, den pharmazeutischen Dienstleistungen, denn die können die Versender nicht. Mein liebes Tagebuch, wie hat der BAK-Präsident Kiefer das mit dem Rettungsanker wohl gemeint? Der Anker liegt tief im Wasser – heißt das, dass wir dann schon abgesoffen sind, wenn wir nach ihm greifen? Also, mal im Ernst: Die pharmazeutischen Dienstleistungen in allen Ehren, wie auch immer sie im Detail aussehen mögen (wir wissen es noch nicht)! Aber ob sie für die deutschen Apotheken ein Rettungsanker sein können, wagen wir mal zu bezweifeln, mein liebes Tagebuch. Um solche Dienstleistungen erbringen zu können, müssen wir uns vermutlich erst noch weiterbilden. Dann sind sie zeit- und kostenintensiv, das werden bei weitem nicht alle Apotheken stemmen können. Und am Ende wissen wird noch überhaupt nicht, was dabei finanziell überkommt – die Honorare müssten mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelt werden. Wie so etwas ausgehen kann, wissen wir. Und wenn wir an die Honorierung unserer Rezepturen denken, wissen wir, dass wir da mächtig drauflegen.


„Freiheit vor staatlicher Reglementierung“, das gelte auch für den Apothekenmarkt, meint der Verfassungsrichter Prof. Dr. Peter M. Huber im Gespräch mit dem politisch aktiven Pharmaziestudenten Benedikt Bühler auf dem Karlsruher Verfassungsfest. Aber dass sich EU-Versandapotheken an die Rx-Preisbindung halten müssten, sei eine zulässige Einschränkung der Berufsfreiheit, weil man kein Apothekensterben will. Mein liebes Tagebuch, wer sich jetzt schon freut, freut sich zu früh. Denn der Verfassungsrichter sagte auch, dass dies nur eine Ausnahme von der Regel sei  und eine solche Einschränkung der Berufsfreiheit gut begründet werden müsse. Genau, da liegt der Hase im Pfeffer. Man müsste da wohl erst plausibel nachweisen, dass die Menschen in ländlichen Regionen nicht mehr versorgt werden können. Dann könnte es unter europarechtlichen Gesichtspunkten ein Grund sein, die Warenverkehrsfreiheit zu beschränken, meint der Verfassungsrechtler. Freilich, die Arzneimittelversorgung fällt unter das Gesundheitswesen und das liegt eigentlich in der Entscheidungshoheit eines jeden EU-Staats. Aber die Binnenmarktfreiheiten und die Warenverkehrsfreiheit sind „Querschnittsmaterie“, sagte der Verfassungsrechtler, und fügt hinzu: „Dass Arzneimittel Waren sind, hat der EuGH wiederholt entschieden. Eine vollständige Abgrenzung gibt es da nicht.“ Und damit haben wir den Salat, mein liebes Tagebuch.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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10 Kommentare

Impfen

von K. Stülcken am 03.06.2019 um 11:22 Uhr

Das Thema "Impfen" ist doch eine reine Stellvertreterdiskussion. Die Ärzte wollen es nicht und die Mehrzahl des Apothekenpersonals wohl auch nicht. Wir haben nun mal keine notfallmedizinische Ausbildung. Wir können auch nicht von Zusatzleistungen leben, die natürlich angeboten werden können, sondern von der normalen Basisarbeit, die anständig vergütet werden muss. Eine jährliche, dynamische Honoraranpassung wäre hilfreich. Außerdem muss an einem Vesandhandelsverbot für rezeptpflichtige Medikamente gearbeitet werden. Hier müssen die Kräfte gebündelt werden und zwar schnell.

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Fachärzte Kooperation

von Karl Friedrich Müller am 03.06.2019 um 6:54 Uhr

Einmal mehr wird die Arbeit von Apotheken auf die Logistik reduziert.
Stimmen die Bewertungen über DocMorris, ist schon deswegen Chaos zu erwarten. Die können nicht mal Logistik.
Nur ist es so, dass Apotheken sehr viel mit Arztpraxen telefonieren (müssen), um Unklarheiten zu beseitigen.
Macht DocMorris eher nicht.
Diese Kooperation ist ein schlechter Dienst am Patienten.
Wie kommt es? Da sitzt also ein ehemaliger Politiker an der Spitze des Facharzt Verbandes. Und getreu dem Motto: hält sich für alles befähigt, ist dabei nur zu allem fähig, wird in selbstherrlicher Ignoranz, Unwissen, persönlichen Gründen eine falsche Entscheidung getroffen. Ganz in Politiker Manier. Was macht so ein Mensch in so einer Position?
Muss das Postengeschiebe unfähiger Politiker nicht beendet werden? Wird man diese Leute nie los?
Die unheilige Allianz einer Nicht-Apotheke wie DocMorris und Politikern, Ärzten muss beendet werden. Zum Schutz der Kranken.
Ist den Ärzten klar, dass DocMorris keine Apotheke ist? Auch hier: dem Versender muss verboten werden, sich als Apotheke zu bezeichnen. Das ist eine Anmaßung!!
Wo lobbyhörige (auch ehemalige) Politiker in Entscheidungen eingebunden sind, wird dem Bürger geschadet. Echte Fachleute werden nicht gehört, wenn doch, nur aus formalen Gründen, weil das Ergebnis schon vorher fest steht.

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von Anita Peter am 03.06.2019 um 6:27 Uhr

Die deutsche Politik hat mit Preisbindung, Fremdbesitzverbot etc. doch abgeschlossen. Mit ein paar warmen Worten hält man uns noch ein wenig bei Laune, mehr ist das doch nicht mehr.

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Tagebuch

von Heiko Barz am 02.06.2019 um 17:50 Uhr

Liebes Tagebuch, was lese und erkenne ich aus deinen Tagesberichten?
27.5. die ABDA ( IT-Experte Sören Friedrich?)hat nicht erst jetzt angekündigt, ( erst recht nicht begonnen! ) sich um die Umsetzung des E-Rezeptes zu kümmern. Vor weit mehr als einem Jahr klang es großspurig aus dem Zentrum pharmazeutischer Macht: wir wollen einen schnellen und kompetenten Vorschlag zur Lösung finden. Vor ein paar Tagen lasen wir dann: (Ob Sören F. Das äußerte, weiss ich nicht) 2020 werden wir eine eigene App zum E-Rezept aufbieten.
Nun geht es hier leider nicht um Grimmsche Märchenstunden sondern darum dass „ANDERE“ längst fertige Konzepte vorstellen und diese sogar mit den wichtigsten der Verteiler, der SPIFA schon in Kontakt stehen. Dass die Konstellation „Saudi-zur Rose-DOMO“ sich ausgerechnet an die Fachärzte wendet, ist wirtschaftlich nachvollziehbar. Es geht ausschließlich um PROFIT! Mit den kleinen Hausarztrezepten ist da eben nicht viel „zu holen“.

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Warum nicht mal wieder wählen ...

von BasisApotheker am 02.06.2019 um 17:41 Uhr

In Westfalen-Lippe und in Nordrhein. Am besten gleich. Bevor der Grill angeworfen wird oder der Tatort startet. Und das Altpapier abgeholt wird (in WL geht‘s deshalb auch online...).
Fast 74 % halten sich noch damit zurück, dieses Mal das Kreuz an der „richtigen“ Stelle zu machen.
Und den etablierten Gruppierungen und Listen, die es über Jahre hinweg in der Hand gehabt hätten, endlich die Quittung zu geben.
Was hindert Euch? Jede Stimme zählt ....

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Na supi

von Karl Friedrich Müller am 02.06.2019 um 15:42 Uhr

- DocMorris beginnt schon, E Rezepte umzuleiten. Mit Hilfe der Fachärzte. Sollen doch mal die Hautärzte anfangen. Es geht doch immer mehr nach dem Motto: einfach und einträglich für DocMorris, kostenintensiv und aufwändig für die Apotheke vor Ort.
- das Preisgefüge fällt? Muss nicht negativ für uns sein, wenn es denn überhaupt Ware gibt. Müssen mal Apotheken schließen, weil sie keine Ware mehr bekommen? Was ist mit den KK und den vielen einträglichen Rabattsystemen? Fallen die auch? Nix mehr mit Milliarden Einsparungen?
- Alles easy mit Impfungen in der Apotheke? Eher nicht. Mal angefangen beim Aufwand: Beratung, Räumlichkeiten, Fobi, Notfallmanagement bleibt die ungeklärte Frage der Bezahlung, die, wie ich fürchte, weit unter dem Aufwand liegen dürfte. Deswegen Stress mit den Ärzten?
Na ja, die haben mit der Vereinbarung mit DocMorris uns empfindlich ans Schienbein getreten. Sollen und können wir uns in Zukunft weiter zurückhalten?
- Importförderung: wäre es nicht konsequent, Importe gänzlich zu verbieten? Ach halt, dann sind wir noch schlechter lieferfähig.
- Petition: die Politik lebt in einer gänzlich anderen Welt. Hat sie in Deutschland nicht schon genug zerstört? Müssen es nun auch noch die Apotheken sein und weitere Teile des Gesundheitswesens? Lernt man nichts aus Wahlen? Sie die anvisierten sicheren Anschlussposten so lukrativ oder ist man „nur“ ignorant?
- ABDA: genau das Gleiche! So entrückt, dass man weite Teile der Basis einfach über die Klinge springen lässt. Man nimmt überhaupt nicht zur Kenntnis, dass man für das Desaster weitgehend mit verantwortlich ist. Nichtstun, Schweigen, Verdrängen, Bürokratie, Sturheit, nebülöse Konzepte wie Dienstleistungen, die mit Sicherheit defizitär werden und vermutlich auch nicht alle werden anbieten können.
- hab ich was vergessen?
Uns bliebe nur noch mal ernsthaft auf die Barrikaden zu gehen. Da seh ich schwarz. So kann man dann Tag für Tag genießen, den man noch eine Apotheke hat, von der man (noch) leben kann.

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AW: Na supi

von Karl Friedrich Müller am 02.06.2019 um 15:45 Uhr

PS: unsere tolle Standeszertretung hat es nicht ein mal geschafft, sich hinter uns zu stellen, es sei denn, damit sie uns besser in den Allerwertesten treten können.
Unterschriften in den Keller, jede Petition ignoriert, dafür lächerliche Plakate.

Dienstleistungen

von Dr. Radman am 02.06.2019 um 12:25 Uhr

Zum Teufel mit den pharmazeutischen Dienstleistungen. Sie haben unserer Standesvertretung paralysiert.

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Chaotentruppe

von Conny am 02.06.2019 um 10:06 Uhr

Nahles tritt zurück ! Von solchen Menschen abhängig zu sein ist grausam. Dabei hat die Spd überhaupt kein Personal mehr. Man sollte Frau AKK mal fragen was RX heisst. Wir sind zum Spielball von Anfängern geworden. Schmidt übernehmen sie, ach der ist ja FDP, auch so ein Witz.

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Mit Zuversicht in die pharmazeutische Zukunft

von Ulrich Ströh am 02.06.2019 um 9:28 Uhr

-Die wackelnde Preisbindung auf Herstellerebene...

-Der Spitzenverband der Fachärzte kokettiert mit einem ausländischen Arzneimittelversender...

-Vorortapotheken kooperieren ( angeblich) zukünftig mit diesem Versender...

-Die Rezept-App des DAV kommt zu einem Zeitpunkt,an dem pharm.Großhandlungen den Markt schon lange abgegriffen
haben...

-Die Gesetze, die uns schützen sollen, wanken...

Verfügt die ABDA aktuell über eine Strategie ,die Zuversicht in die Zukunft von allen Offizinapotheken wachsen lässt ?

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