Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

02.06.2019, 08:00 Uhr

Bricht bald unser gesamtes Preisgefüge zusammen? Gleichpreisigkeit für immer vorbei? (Foto: Andi Dalferth)

Bricht bald unser gesamtes Preisgefüge zusammen? Gleichpreisigkeit für immer vorbei? (Foto: Andi Dalferth)


29. Mai 2019

Das ist der Schlussstrich unter dem DocMorris-Arzneimittelautomaten in Hüffenhardt: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat bestätigt, dass der Versender mit dem Automaten gegen Wettbewerbsrecht verstößt. DocMorris hatte versucht, den Automaten als eine Art Versandhandel darzustellen. Nix, da, sagte das Gericht, bei diesem Konstrukt handelt es sich nicht um einen erlaubten „antizipierten“ Versandhandel, die Abgabe durch den Automaten sei kein Versand an den Endverbraucher von einer Apotheke“. Das Procedere der Automatenabgabe genüge außerdem nicht den Vorschriften der deutschen Apothekenbetriebsordnung. Nun denn, mein liebes Tagebuch, das sind klare Worte, denen nichts hinzuzufügen ist. Revision gegen dieses Urteil ist nicht zugelassen, DocMorris könnte allenfalls „Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof“ einlegen. 

Mit dem baden-württembergischen Gesundheitsminister Manne Lucha (Die Grünen) war der Automat ebenfalls nicht zu machen, er hatte sich schon früh dagegen ausgesprochen. Zum jüngsten Urteil ließ er wissen, dass mit dieser Entscheidung die Versorgung der Menschen durch Präsenzapotheken gestärkt wurde. Sein Ministerium unterstütze nun die Erprobung des elektronischen Rezepts in Baden-Württemberg im Modellprojekt Gerda. Mein liebes Tagebuch, genau, im Vergleich zum E-Rezept ist so ein Automat von gestern. Im Apotheken-Stärkungsgesetz will das Bundesgesundheitsministerium klarstellen, dass Arzneimittelabgaben über Automaten verboten sind. Hoffen wir, dass dieser Passus bald Gesetz wird. 


Noch eine Meldung zum Thema DocMorris, E-Rezept und zur Kooperation mit den Fachärzteverband: Ein „mit dem Vorgang vertrauter DocMorris-Mitarbeiter“ soll nun Details genannt haben, wie man sich das bei DocMorris so vorstellt: Das Projekt soll „für alle Apotheken, kanalunabhängig offen“ sein. Wie schön, mein liebes Tagebuch, DocMorris wolle gar nicht an den Vor-Ort-Apotheken vorbei eine exklusive Rezeptweiterleitung in die Niederlande vorbereiten, nein, ach wo, solche Gedanken seien „völlig unbegründet“. „Etliche Apotheken“ würden bei dem Pilotversuch sogar mitmachen, man sei schon in Gesprächen mit den Apothekern. Ach, mein liebes Tagebuch, wie beruhigend ist das denn! Also, wenn das stimmt – wie naiv sind denn da so etliche Apotheken, die glauben, dass sie mit einem Unternehmen, das dem shareholder value verpflichtet ist, fair zusammenarbeiten könnten. 


Gerüchten zufolge soll die ABDA auch mit dem Spitzenverband der Fachärzte über ein E-Rezept-Projekt gesprochen, aber aus mehreren Gründen abgelehnt haben. Die ABDA selbst dementiert solche Gespräche. Mein liebes Tagebuch, selbst wenn sie da mal drüber gesprochen hat, es ist richtig, solche Kooperationen nicht zu machen, es hätte zudem wenig Sinn gemacht. Denn die ABDA selbst tritt vollkommen zurecht für die freie Apothekenwahl der Patienten ein. Eine wie auch immer geartete Rezeptzuweisung von und Zusammenarbeit mit Fachärzten wäre da gar nicht möglich. 


Während die Union nur die Importförderklausel für Biopharmazeutika abschaffen möchte, kämpft Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg weiter dafür, die Importförderklausel komplett zu streichen. Er nennt den Unions-Vorschlag eine „halbgare“ Änderung und erinnert daran, dass sich „maßgebliche Experten des Gesundheitswesens“, dazu gehören auch die Apotheker, gegen die Importquote ausgesprochen hatten. Und er erinnert an die Arzneimittel-Skandale, in die Importe verwickelt waren. Mein liebes Tagebuch, man kann mit Hermann nicht immer einer Meinung sein, aber in diesem Fall: 100 Prozent Zustimmung. 


Das kann noch heiter werden. War das Urteil des EuGH im Jahr 2016 zur Rx-Preisbindung ein kleines Beben, so kann drei Jahre später daraus ein Riesen-Tsunami werden. Rechtsexperten hatten schon damals gewarnt: Wenn die Luxemburger Richter die Rx-Preisbindung auf Apothekenebene kippen, steht letztlich das gesamte Arzneimittelpreisgefüge auf dem Spiel. Sie könnten Recht behalten. Der Hintergrund: Aktuelle zivilrechtliche Entscheidungen aus Düsseldorf zeigen nämlich, dass durch dieses EuGH-Urteil auch die Großhandels- und Herstellerebene betroffen sind. Im Klartext: Die derzeit geltende Preisbindung auf Herstellerebene könnte obsolet sein. Und damit, mein liebes Tagebuch, könnten wir unsere gesamte Arzneimittelpreisverordnung in der Pfeife rauchen, unsere Arzneimittelpreisgefüge würde in sich zusammenstürzen wie ein Kartenhaus. Mannomann, schlimmer geht nimmer. Aufgrund eines Prozesses zwischen zwei Pharmafirmen muss das Oberlandesgericht Düsseldorf derzeit klären, ob Pharmaunternehmen von ihrem Listenpreis gegenüber einzelnen Abnehmern, z. B. Apotheken, abweichen dürfen. Nach geltendem Recht ist dies verboten. Für einen ausländischen Versender muss der gleiche Preis gelten wie für eine inländische Apotheke. Ein Hersteller will nun aber einem Versender einen günstigeren Preis einräumen, man sieht sich durch einen einheitlichen Herstellerabgabepreis in der Berufsausübungsfreiheit beschränkt. Für die Rechtsexperten Hilko Meyer und Morton Douglas kommt diese Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht überraschend. Sie prognostizierten schon 2016, dass auch „weitere Interessenten“ versuchen könnten, die geltenden Grenzen des Preissystems auszutesten. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist noch nicht veröffentlicht, mit Spannung werden die Urteilsgründe erwartet. Mein liebes Tagebuch, was da auf uns zukommen könnte, bedeutet: Eine Apotheke könnte dann ihre Einkaufspreise mit den pharmazeutischen Herstellern frei verhandeln. Unser gesamtes Preisgefüge bräche zusammen. Und tschüss, liebe gute Arzneimittelpreisverordnung. Das kann doch unsere Bundesregierung nicht wollen!  




Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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10 Kommentare

Impfen

von K. Stülcken am 03.06.2019 um 11:22 Uhr

Das Thema "Impfen" ist doch eine reine Stellvertreterdiskussion. Die Ärzte wollen es nicht und die Mehrzahl des Apothekenpersonals wohl auch nicht. Wir haben nun mal keine notfallmedizinische Ausbildung. Wir können auch nicht von Zusatzleistungen leben, die natürlich angeboten werden können, sondern von der normalen Basisarbeit, die anständig vergütet werden muss. Eine jährliche, dynamische Honoraranpassung wäre hilfreich. Außerdem muss an einem Vesandhandelsverbot für rezeptpflichtige Medikamente gearbeitet werden. Hier müssen die Kräfte gebündelt werden und zwar schnell.

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Fachärzte Kooperation

von Karl Friedrich Müller am 03.06.2019 um 6:54 Uhr

Einmal mehr wird die Arbeit von Apotheken auf die Logistik reduziert.
Stimmen die Bewertungen über DocMorris, ist schon deswegen Chaos zu erwarten. Die können nicht mal Logistik.
Nur ist es so, dass Apotheken sehr viel mit Arztpraxen telefonieren (müssen), um Unklarheiten zu beseitigen.
Macht DocMorris eher nicht.
Diese Kooperation ist ein schlechter Dienst am Patienten.
Wie kommt es? Da sitzt also ein ehemaliger Politiker an der Spitze des Facharzt Verbandes. Und getreu dem Motto: hält sich für alles befähigt, ist dabei nur zu allem fähig, wird in selbstherrlicher Ignoranz, Unwissen, persönlichen Gründen eine falsche Entscheidung getroffen. Ganz in Politiker Manier. Was macht so ein Mensch in so einer Position?
Muss das Postengeschiebe unfähiger Politiker nicht beendet werden? Wird man diese Leute nie los?
Die unheilige Allianz einer Nicht-Apotheke wie DocMorris und Politikern, Ärzten muss beendet werden. Zum Schutz der Kranken.
Ist den Ärzten klar, dass DocMorris keine Apotheke ist? Auch hier: dem Versender muss verboten werden, sich als Apotheke zu bezeichnen. Das ist eine Anmaßung!!
Wo lobbyhörige (auch ehemalige) Politiker in Entscheidungen eingebunden sind, wird dem Bürger geschadet. Echte Fachleute werden nicht gehört, wenn doch, nur aus formalen Gründen, weil das Ergebnis schon vorher fest steht.

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von Anita Peter am 03.06.2019 um 6:27 Uhr

Die deutsche Politik hat mit Preisbindung, Fremdbesitzverbot etc. doch abgeschlossen. Mit ein paar warmen Worten hält man uns noch ein wenig bei Laune, mehr ist das doch nicht mehr.

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Tagebuch

von Heiko Barz am 02.06.2019 um 17:50 Uhr

Liebes Tagebuch, was lese und erkenne ich aus deinen Tagesberichten?
27.5. die ABDA ( IT-Experte Sören Friedrich?)hat nicht erst jetzt angekündigt, ( erst recht nicht begonnen! ) sich um die Umsetzung des E-Rezeptes zu kümmern. Vor weit mehr als einem Jahr klang es großspurig aus dem Zentrum pharmazeutischer Macht: wir wollen einen schnellen und kompetenten Vorschlag zur Lösung finden. Vor ein paar Tagen lasen wir dann: (Ob Sören F. Das äußerte, weiss ich nicht) 2020 werden wir eine eigene App zum E-Rezept aufbieten.
Nun geht es hier leider nicht um Grimmsche Märchenstunden sondern darum dass „ANDERE“ längst fertige Konzepte vorstellen und diese sogar mit den wichtigsten der Verteiler, der SPIFA schon in Kontakt stehen. Dass die Konstellation „Saudi-zur Rose-DOMO“ sich ausgerechnet an die Fachärzte wendet, ist wirtschaftlich nachvollziehbar. Es geht ausschließlich um PROFIT! Mit den kleinen Hausarztrezepten ist da eben nicht viel „zu holen“.

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Warum nicht mal wieder wählen ...

von BasisApotheker am 02.06.2019 um 17:41 Uhr

In Westfalen-Lippe und in Nordrhein. Am besten gleich. Bevor der Grill angeworfen wird oder der Tatort startet. Und das Altpapier abgeholt wird (in WL geht‘s deshalb auch online...).
Fast 74 % halten sich noch damit zurück, dieses Mal das Kreuz an der „richtigen“ Stelle zu machen.
Und den etablierten Gruppierungen und Listen, die es über Jahre hinweg in der Hand gehabt hätten, endlich die Quittung zu geben.
Was hindert Euch? Jede Stimme zählt ....

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Na supi

von Karl Friedrich Müller am 02.06.2019 um 15:42 Uhr

- DocMorris beginnt schon, E Rezepte umzuleiten. Mit Hilfe der Fachärzte. Sollen doch mal die Hautärzte anfangen. Es geht doch immer mehr nach dem Motto: einfach und einträglich für DocMorris, kostenintensiv und aufwändig für die Apotheke vor Ort.
- das Preisgefüge fällt? Muss nicht negativ für uns sein, wenn es denn überhaupt Ware gibt. Müssen mal Apotheken schließen, weil sie keine Ware mehr bekommen? Was ist mit den KK und den vielen einträglichen Rabattsystemen? Fallen die auch? Nix mehr mit Milliarden Einsparungen?
- Alles easy mit Impfungen in der Apotheke? Eher nicht. Mal angefangen beim Aufwand: Beratung, Räumlichkeiten, Fobi, Notfallmanagement bleibt die ungeklärte Frage der Bezahlung, die, wie ich fürchte, weit unter dem Aufwand liegen dürfte. Deswegen Stress mit den Ärzten?
Na ja, die haben mit der Vereinbarung mit DocMorris uns empfindlich ans Schienbein getreten. Sollen und können wir uns in Zukunft weiter zurückhalten?
- Importförderung: wäre es nicht konsequent, Importe gänzlich zu verbieten? Ach halt, dann sind wir noch schlechter lieferfähig.
- Petition: die Politik lebt in einer gänzlich anderen Welt. Hat sie in Deutschland nicht schon genug zerstört? Müssen es nun auch noch die Apotheken sein und weitere Teile des Gesundheitswesens? Lernt man nichts aus Wahlen? Sie die anvisierten sicheren Anschlussposten so lukrativ oder ist man „nur“ ignorant?
- ABDA: genau das Gleiche! So entrückt, dass man weite Teile der Basis einfach über die Klinge springen lässt. Man nimmt überhaupt nicht zur Kenntnis, dass man für das Desaster weitgehend mit verantwortlich ist. Nichtstun, Schweigen, Verdrängen, Bürokratie, Sturheit, nebülöse Konzepte wie Dienstleistungen, die mit Sicherheit defizitär werden und vermutlich auch nicht alle werden anbieten können.
- hab ich was vergessen?
Uns bliebe nur noch mal ernsthaft auf die Barrikaden zu gehen. Da seh ich schwarz. So kann man dann Tag für Tag genießen, den man noch eine Apotheke hat, von der man (noch) leben kann.

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AW: Na supi

von Karl Friedrich Müller am 02.06.2019 um 15:45 Uhr

PS: unsere tolle Standeszertretung hat es nicht ein mal geschafft, sich hinter uns zu stellen, es sei denn, damit sie uns besser in den Allerwertesten treten können.
Unterschriften in den Keller, jede Petition ignoriert, dafür lächerliche Plakate.

Dienstleistungen

von Dr. Radman am 02.06.2019 um 12:25 Uhr

Zum Teufel mit den pharmazeutischen Dienstleistungen. Sie haben unserer Standesvertretung paralysiert.

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Chaotentruppe

von Conny am 02.06.2019 um 10:06 Uhr

Nahles tritt zurück ! Von solchen Menschen abhängig zu sein ist grausam. Dabei hat die Spd überhaupt kein Personal mehr. Man sollte Frau AKK mal fragen was RX heisst. Wir sind zum Spielball von Anfängern geworden. Schmidt übernehmen sie, ach der ist ja FDP, auch so ein Witz.

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Mit Zuversicht in die pharmazeutische Zukunft

von Ulrich Ströh am 02.06.2019 um 9:28 Uhr

-Die wackelnde Preisbindung auf Herstellerebene...

-Der Spitzenverband der Fachärzte kokettiert mit einem ausländischen Arzneimittelversender...

-Vorortapotheken kooperieren ( angeblich) zukünftig mit diesem Versender...

-Die Rezept-App des DAV kommt zu einem Zeitpunkt,an dem pharm.Großhandlungen den Markt schon lange abgegriffen
haben...

-Die Gesetze, die uns schützen sollen, wanken...

Verfügt die ABDA aktuell über eine Strategie ,die Zuversicht in die Zukunft von allen Offizinapotheken wachsen lässt ?

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