Bericht von Europol/EUIPO

Handel mit gefälschten Arzneimitteln nimmt zu

Remagen - 13.06.2019, 10:15 Uhr

Viagra gilt als eines meistgefälschten Arzneimittel. ( r / Foto: imago images / photothek)

Viagra gilt als eines meistgefälschten Arzneimittel. ( r / Foto: imago images / photothek)


Professionalisierte Netzwerke der organisierten Kriminalität infiltrieren der Fälschungssektor in Europa. Das betrifft auch Arzneimittelfälschungen, sagt ein neuer Bericht zur Bedrohung des geistigen Eigentums in der EU. Die europäische Fälschungsrichtlinie sorge zwar für mehr Sicherheit in der legalen Lieferkette für Arzneimittel, aber der illegale Handel bleibe davon unberührt. Auch der Parallelhandel wird heftig kritisiert.

Europol und das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) haben im Rahmen des Internationalen Forums für die Durchsetzung des geistigen Eigentums in Paris eine neue EU-weite Bewertung der Bedrohungen durch Straftaten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt. Der Intellectual Property Crime Threat Assessment 2019 beinhaltet eine vorausschauende strategische Analyse, die auf zwei früheren gemeinsamen Lageberichten aus den Jahren 2015 und 2017 aufbaut.

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Jedes Jahr 10 Milliarden Euro Verlust, Apotheken nicht eingerechnet

Trotz strenger Vorschriften in den EU-Mitgliedstaaten wird nach dem Bericht in den letzten Jahren eine erhebliche Zunahme des Handels mit gefälschten Arzneimitteln beobachtet. Jedes Jahr verliere der EU-Pharmasektor rund 10,2 Milliarden Euro wegen gefälschter Arzneimittel im EU-Marketplace, schreiben Europol und EUIPO. Diese Schätzung beziehe sich nur auf die Herstellung. Die Verluste bei Einzelhändlern wie den Apotheken seien dabei nicht eingerechnet.

Die Zahl der Sicherstellungen gefälschter Medikamente und anderer Güter durch die Zollbehörden der EU stieg zwischen 2015 und 2017 von 1.554 auf 1.835, während die Anzahl der beschlagnahmten Artikel sich von 895.324 in 2015 auf 568.122 im Jahr 2017 verringerte. Dies wird als ein Zeichen dafür gewertet, dass gefälschte Arzneimittel vermehrt mit Paket- und Post-Services unter die Leute gebracht werden, was es den Strafverfolgungsbehörden erschwert, diese aufzuspüren.

Zahlreiche Todesfälle durch gefälschtes Xanax

Organisierte kriminelle Gruppen finden immer mehr kreativere Möglichkeiten, um gefälschte Arzneimittel möglicherweise als Reaktion auf die wachsende Sensibilisierung der Zoll- und Strafverfolgungsbehörden zu schmuggeln. Während der Operation Pangea XI fanden polnische Behörden gefälschte empfängnisverhütende Pillen in DVD-Boxen versteckt, während die irischen Behörden gefälschte Schlaftabletten in einem ausgehöhlten Buch entdeckten. 

Europol / EUIPO verweist in dem aktuellen Report auf einen Jahresbericht des Pharmaceutical Security Institute (PSI), wonach es zwischen 2016 und 2017 außerdem eine erhöhte Anzahl von Vorfällen in der legalen Lieferkette gegeben haben soll. Dabei wird auch Deutschland beispielhaft angeführt. Die möglichen gravierende Auswirkungen von Arzneimittelfälschungen auf die Gesundheit der Verbraucher wird am Beispiel von Xanax (Alprazolam) festgemacht, das zur Behandlung von Angst- und Panikattacken eingesetzt wird. In Großbritannien soll die verstärkte Verwendung gefälschter Versionen von Xanax in den letzten Jahren zu zahlreichen Todesfällen geführt haben. Durch eine Verknappung des Medikaments hatten Kriminelle selbst eigene „Pillen“ mit einem Pulver hergestellt, das aus China importiert worden war, 

Gefälschte Steroide aus Bulgarien 

Als häufigste Herkunftsländer für Arzneimittelfälschungen werden China und Indien genannt, während Singapur zunehmend als wichtiger Durchgangsort von Gruppierungen der organisierten Kriminalität für den Versand von gefälschten Arzneimitteln dienen soll. Darüber hinaus hätten russische und ukrainische kriminelle Gruppen vor allem westeuropäische Zielländer mit einer Reihe verschiedener gefälschter Medikamente ins Visier genommen. Innerhalb der EU soll Bulgarien ein führendes Herkunfts- und Transitland für gefälschte Steroide und hormonelle Produkte sein, die oft in das System des gesetzlichen Parallelhandels mit einer bulgarischen Verpackung in andere Länder gelangen. 

Illegale Online-Apotheken nutzen Nachfrage nach billigen Medikamenten 

Ein weiterer Trend im Bereich Arzneimittelfälschungen ist die illegale Einfuhr von Rohstoffen für die lokale Eigenproduktion. So sollen in den letzten Jahren regelmäßig Tablettenpressen, Mischer, Blistermaschinen, Flaschen und Etiketten beschlagnahmt worden sein. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, Medikamente aus der legalen Lieferkette herauszuziehen und in gefälschte Präparate umzuwandeln. Einige kriminelle Gruppen, die sich darauf spezialisiert haben, sollen auch an der Herstellung und dem Handel mit synthetischen Drogen wie LSD, Ecstasy und Ketamin beteiligt sein.

Darüber hinaus stellt der Bericht fest, dass illegale und unregulierte Online-Apotheken zunehmen. Diese nutzten die steigende Tendenz zur Selbstmedikation und die Nachfrage der Verbraucher nach billigen Medikamenten. Einige dieser Online-Shops werben mit Slogans wie „Original-Zubereitungen zu niedrigen Preisen". 

Parallelhandel als wesentliches Einfallstor für kriminelle Gruppen

Zwei Trends stellen Europol und EUIPO als besonders besorgniserregend heraus. Der eine ist das vermehrte Auftreten gefälschter Arzneimittel für die Behandlung schwerer Krankheiten, wie etwa Krebserkrankungen. Zweitens tangiert eine wachsende Zahl von Fälschungsfällen die legale Lieferkette, wobei der Parallelhandel als wesentliches Einfallstor für kriminelle Gruppen angesehen wird. Außerdem scheinen Patentverletzungen auf dem Vormarsch zu sein. Da die Fälscher offenbar heutzutage besser ausgebildete Personen beschäftigen, die dazu in der Lage sind, ihre eigenen Produktionslinien einzurichten, könnten solche Verletzungen in Zukunft noch zunehmen, so die Befürchtung.  



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Unübersehbare AM-Fälschungen im Weltmarkt!

von Heiko Barz am 13.06.2019 um 21:41 Uhr

Sind denn dem Herrn Spahn diese besorgniserregenden Umstände der kriminellen Arzneimittelpanscher und vor allem Fälscher nicht bekannt? Wer kann denn überprüfen, was Versender wie DOMO an Ware bestellen und vor allem von wem? Da können wir Securpharm herauf und runter deklinieren, beim Patienten, der sich dieser AM- Belieferungskette über die Auslandsversender anvertraut, müßte wesentlich mehr über diese Machenschaften bekannt sein. Aber diese Patienten haben ausschließlich das $ -Zeichen im Auge und verfahren am Liebsten nach dem Media-Markt „Geiz ist geil“ Prinzip. Normalerweise ist doch aber „nur das Beste für mich“ deren Grundeinstellung.
Alles hat mit den Rabattverträgen begonnen. Eine Billigpreisspirale nach unten und damit verbunden ein unübersehbarer Qualitätsverlust bei AM ist eine rein wirtschaftspolitische Folge. Da uns das mittlerweile allen bekannt ist, außer möglicherweise einem gutgläubigen Spahn, wäre die einzige und notwendige Folge, dass ausschließlich Deutsche Qualitätsfirmen die Herstellung der Rabattarzneimittel vornehmen müßten. Leider müssen diese AM dann aber sicher teurer werden, da das Deutsche Lohnniveau wesentlich höher liegt als das indonesische. Die Situation der Import AM spreche ich hier noch gar nicht an, da wird dann das Saarland „kopfstehen“ - Wetten Das -!!

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Contra,... Reh,....Bock-shorn

von Bernd Jas am 13.06.2019 um 10:23 Uhr

Wie gut dass wir für Milliardenbeträge Securpharm eingerichtet haben, da kann uns ja nichts mehr passieren?

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