Gastkommentar

Warum sich die Probleme unseres Gesundheitssystems verschärfen

Erding - 18.06.2019, 15:00 Uhr

Dr. Franz Stadler, Apotheker aus dem bayerischen Erding, ist regelmäßiger Gastkommentator bei DAZ.online. Mit Blick auf Securpharm, das BGH-Urteil zu Werbegaben, den Versandhandelskonflikt und die Importquote sieht er keine gute Zukunft für das deutsche Gesundheitswesen. (r / Foto: privat)

Dr. Franz Stadler, Apotheker aus dem bayerischen Erding, ist regelmäßiger Gastkommentator bei DAZ.online. Mit Blick auf Securpharm, das BGH-Urteil zu Werbegaben, den Versandhandelskonflikt und die Importquote sieht er keine gute Zukunft für das deutsche Gesundheitswesen. (r / Foto: privat)


Das GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung) ist durch den Bundestag. Unsere Standesvertretung hofft, dass das VOASG-Gesetz (Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz) noch rechtzeitig vor dem Zusammenbruch der Regierungskoalition verabschiedet wird, wobei noch unklar ist, was drinstehen wird. Ausländische Versandapotheken und Importeure jubeln. Und ach ja, Securpharm und ein BGH-Urteil waren auch noch. Wurde irgendetwas besser? Gibt es mehr Arzneimittelsicherheit? Fragen, die sich Dr. Franz Stadler stellt. Sein ernüchterndes Fazit lautet: Geht es eigentlich noch?

Lassen Sie uns einfach anhand einer aktuellen Themenliste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, die Tatsachen, den Stand der Dinge beschreiben, Fragen stellen und diese am Schluss knackig bewerten:

Importquote

Nach einigem Hin- und Her wurde eine leicht modifizierte Importquote im GSAV belassen. Das GSAV folgte dabei den Formulierungen des neuen Rahmenvertrages zwischen GKV-Spitzenverband und DAV. Nur für die empfindlichen Biopharmazeutika wurde die Importquote gestrichen. Praktische Folgen: Außer neuen, noch komplexeren Berechnungsmethoden, keine. Ein Erfolg der Lobbyisten. Nach wie vor wird kräftig importiert und exportiert werden. Bei den Biopharmazeutika wird es sicher bald neue Rabatt- und Rückvergütungsmodelle geben, die auch weiterhin den Einsatz von Re- und Parallelimporten finanziell sinnvoll machen werden – egal, ob sie unter eine Importquote fallen oder nicht. Wen interessiert schon die Arzneimittelsicherheit und mögliche Wirkverluste, wenn Geld im Spiel ist? Wer hat schon moralische Bedenken, wenn doch Arbeitsplätze in bestimmten Bundesländern bedroht sein könnten?

Zudem werden sich auch bei uns die Lieferengpässe weiter verschärfen. Jedem Insider ist klar, dass Deutschland inzwischen Arzneimittelexportland geworden ist und dass ein erheblicher Anteil der nichtlieferfähigen Fertigarzneimittel durch Export (=Geschäftemacherei) verursacht wird. Ein kleines Land wie Belgien hat inzwischen reagiert und den Arzneimittelexport verboten – wir nicht.

BGH-Urteil

Der BGH hat aus den genau richtigen Gründen das Verbot von Zugaben, egal welchen Wertes, bei der Abgabe von Rx-Arzneimitteln im Inland bestätigt. Niemand, der verstanden hat, dass Arzneimittel ein besonderes Gut sind, will den Umsatz und damit die Zahl der abgegebenen Rx-Packungen durch Bonusmodelle oder Endkundenwerbung sinnloserweise steigern. Der BGH folgt mit seinem Urteil damit nur dem erklärten Willen des Gesetzgebers. Allerdings drängen sich bei dem Urteil einige Fragen auf:

Erstens, warum wurden Kundenzeitschriften (= überwiegend Werbung, die noch dazu sehr teuer verkauft wird) ausgenommen? (Leider) blieb der BGH auch hier konsequent: Kundenzeitschriften waren schon im Heilmittelwerbegesetz ausgenommen worden, aber: Ein weiterer Sieg der Lobbyisten.

Zweitens, warum setzt man sich dann als Gesetzgeber konsequenterweise nicht vorbehaltlos für ein Verbot des Rx-Versandes aus dem Ausland ein? Wer will dessen Bonusmodelle verhindern oder gegebenenfalls sanktionieren? Welche Lobby steckt denn da wieder dahinter?

Drittens, warum glaubt unsere Standesführung immer noch an gleichlange Spieße, Gleichpreisigkeit oder dergleichen und das alles ohne den eigentlichen Wert einer flächendeckenden Vor-Ort-Versorgung entsprechend zu betonen? Nach einem Lobbyistengesetz ist vor dem nächsten Lobbyistengesetz und der Einflussreichere/Geschicktere gewinnt.

Unabhängiges Prüfinstitut für Apotheken?

Securpharm

Es ist still geworden um Securpharm. Alle haben sich damit arrangiert. Es läuft. Keiner beschwert sich mehr über zusätzliche Kosten. Vielleicht wird sogar die Zahl der entdeckten Arzneimittelfälschungen zurückgehen – allerdings vermutlich aus anderen Gründen als erhofft. Denn Arzneimittelfälschungen werden einfach nicht mehr entdeckt. Ist eigentlich schon jemanden aufgefallen, dass die Fertigarzneimittelprüfung in Apotheken praktisch unmöglich geworden ist? Eine versiegelte und mit einem Securpharmcode versehene Packung kann nicht mehr so einfach geöffnet werden. Zumindest kann sie dann nur noch mit langen (und vielleicht erfolglosen) Erklärungen an den Endverbraucher abgegeben, aber nicht mehr an den Großhandel oder an den Hersteller retourniert werden. Schlimmstenfalls bleibt die Apotheke auf den Kosten ihrer Fertigarzneimittelprüfung sitzen. Verdächtig schnell haben gerade Re- und Parallelimporteure auf Securpharmpackungen umgestellt. Wenn gerade, wie vielfach behauptet, die Importeure das Einfallstor für Fälschungen sein sollten, ist Securpharm doch geradezu ein Glücksfall für die Branche. Sie packen um und versiegeln – alles gut, egal wie es um den Inhalt und dessen Zustand bestellt ist. Vielleicht schützt Securpharm so gerade Arzneimittelfälscher vor der Entdeckung?

Mehr Kontrollen (laut GSAV)

Das GSAV fordert mehr Kontrollen - nicht nur zur Vermeidung des nächsten Zytoskandals (Bottrop), sondern auch um künftig Arzneimittelverunreinigungen wie bei den Valsartanen früher zu entdecken. Der Gesetzgeber erhöht deshalb die Zuständigkeiten und Befugnisse der Behörden. Aber reichen dazu Kontrollen nach Aktenlage? Reichen Behörden? Müsste nicht mindestens ein unabhängiges Prüfinstitut installiert werden, dass stichprobenartig auch tatsächliche, analytische Untersuchungen der im Markt befindlichen Fertigarzneimittel vornimmt? Sollten nicht hier die Apotheker mit ihrem Zentrallaboratorium eine Vorreiterrolle übernehmen? Sollte nicht die Pharmazeutische Industrie schlicht gesetzlich verpflichtet werden, den europäischen Bedarf in Europa zu produzieren? Und zwar alle Bestandteile und nicht nur die Verpackung? Aber da haben bestimmt wieder einige pharmazeutische Unternehmer etwas dagegen, deren Standortsuche sich an den niedrigsten Steuersätzen orientiert - vielleicht aber auch die Krankenkassen, denen Einsparungen auch gelegentlich wichtiger sind als die Arzneimittelsicherheit. Lobbyisten eben.

Fazit

Arzneimittel sind ein besonderes Gut. Deshalb sollte man Arzneimittelsicherheit und die Versorgungssicherheit nicht nur wirtschaftlichen Überlegungen oder gar Karriereplanungen unterwerfen. Erforderlich ist ein Zusammenwirken möglichst unabhängiger Spezialisten und einer Politik, die endlich die Sonderstellung der Arzneimittelversorgung begreifen sollte. Vieles wäre möglich, wenn nur nicht so viele Dilettanten und Lobbyisten am Werk wären!



Dr. Franz Stadler
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Stadlers Mängelliste ... die auch Zukunft keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt ...

von Christian Timme am 19.06.2019 um 5:11 Uhr

Der Unterschied zwischen „lachen & weinen“ wird immer „kürzer & heftiger“ ... die Apotheke der Zukunft wird den Anspruch auf „Unvollständigkeit & Zuständigkeit“ gekonnt erweitern ... dank ABDA ....

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Und die Lobby der öffentl. Apotheke ?

von Veit Eck am 18.06.2019 um 17:16 Uhr

Grundsätzlich haben Sie recht. Es ist schon recht merkwürdig: der Bundesminister für Wirtschaft kommt aus dem Saarland, der Außenminister auch und natürlich auch AKK. Die Arbeitsplätze in diesem kleinem Bundesland, die durch die Arzneimittel-Importeure geschaffen werden sind eben wichtiger als Aspekte der Arzneimittelsicherheit, Versorgungsqualität etc.

So wird politisch gesehen ein Sozialversicherungssystem wie das SGB V eben passend gemacht.

Und die ABDA? Die Kammerpäsidentinnen und Kammerpräsidenten, die Verbandsvorsitzenden - alle Apothekerfunktionäre sind im Obligo. Der DAT beschließt jedes Jahr den Gesetzgeber aufzufordern die Arzneimittelimporte zu verbieten - erfolglos. Es immer die gleiche Melodie.

Das ist nur ein Beispiel einer wirklich traurigen Bilanz der politischen Erfolglosigkeit unserer Standespolitiker.

Neue Köpfe braucht das Land!

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warum

von Karl Friedrich Müller am 18.06.2019 um 16:24 Uhr

weil der staat nicht mehr versteht,, wofür das Gesundheitswesen erschaffen worden ist. Es ist nur noch Tummelplatz für Renditejäger, Abzocker, Scharlatane jeder Couleur. Unehrliche Leute, gewissenlos und für Eigennutz und Selbstbereicherung alles den Heuschrecken zum Fraß vorwerfen.
Unten, die dafür arbeiten müssen und die, die dafür bezahlen müssen und die, denen Leistung vorenthalten wird.
Politiker dürfen keine "Nebenjobs" haben.
Politiker dürfen keine Gefälligkeiten annehmen
Politiker dürfen ihre Events nicht sponsern lassen
Politiker müssen ihr Einkommen bis auf den letzten Cent offen legen
Politiker müssen sich verantworten müssen, auch vor Gericht und mit ihrem Vermögen.
So geht es nicht weiter.

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Zu drittens

von Conny am 18.06.2019 um 15:10 Uhr

Weil es Schwachmaten sind.

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