NARZ-Mitgliederversammlung

Graue setzt weiter auf das Rx-Versandverbot

Süsel - 24.06.2019, 15:30 Uhr

Dr. Jörn Graue, Chef des Hamburger Apothekervereins und des NARZ, findet, dass die Apotheker zu ihrer ursprünglichen Forderung nach einem Rx-Versandverbot zurückkehren sollten. ( r / Foto: tmb)

Dr. Jörn Graue, Chef des Hamburger Apothekervereins und des NARZ, findet, dass die Apotheker zu ihrer ursprünglichen Forderung nach einem Rx-Versandverbot zurückkehren sollten. ( r / Foto: tmb)


Auch der jüngste Entwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz könne die europarechtlichen Probleme nicht lösen, deshalb müssten die Apotheker jetzt umso deutlicher das Rx-Versandverbot fordern – dies erklärte Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins und Vorstandsvorsitzender des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ). Als weiteres Problem für die Apotheker berichtete Graue bei der NARZ-Mitgliederversammlung, dass die Konnektoren für die Apotheken mehr kosten werden, als die Apotheken über die Refinanzierung erhalten.

Traditionell bietet Graue bei der NARZ-Mitgliederversammlung einen Überblick über die aktuelle berufspolitische Situation, so auch am Samstag in Hamburg. Sein Resümee zum jüngsten Entwurf für eine Kabinettsvorlage zum Apotheken-Stärkungsgesetz ist: „Gegen institutionelle Grausamkeit ist man machtlos.“ Die geplante Regelung „facht auf dem privaten Preissektor einen unseligen Preiskampf in beide Richtungen an, sowohl nach oben, wie nach unten“, erklärte Graue. 

Zudem beklagte Graue, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) und sein Generalanwalt Ideen des freien Warenverkehrs verfolgen würden, „die der europäischen Idee wiederum mehr schaden als nützen“. Die europäischen Verträge würden ins Gegenteil verkehrt. Dennoch tue die Bundesregierung nichts, um die Eigenmächtigkeit des EuGH zu bremsen.

Ziel der Gleichpreisigkeit verfehlt

Das von Minister Spahn angestrebte Gesetz könne das Ziel der Gleichpreisigkeit nicht erreichen und vermeide auch nicht das befürchtete Vertragsverletzungsverfahren oder ein weiteres Verfahren vor dem EuGH, erklärte Graue. Die Apothekenrechtler Elmar Mand und Hilko Meyer hätten gewarnt, § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG zu streichen und Rx-Boni-Verbote in das SGB V zu implementieren. Denn der EuGH werde eine von ihm beanstandete Regelung nicht als europarechtskonform anzuerkennen, weil sie nunmehr im Sozialrecht verankert sei. Außerdem wären Selbstzahler überhaupt nicht von der Regelung betroffen. Die ABDA-Spitze habe dies zunächst als „marginal“ bezeichnet, aber im Hinblick auf jährlich etwa 80 Millionen betroffene Packungen seien daran Zweifel zu hegen, meinte Graue. Zudem hätten bekanntlich das Justiz- und das Wirtschaftsministerium aus unterschiedlichen Gründen Bedenken angemeldet.

Dagegen halte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gedeckelte Rx-Boni europarechtlich für zulässig. So kämen wir „vom Rx-Versandverbot zur Gleichpreisigkeit und von der Gleichpreisigkeit zu gedeckelten Rx-Boni“. Graue forderte daher, die Apotheker sollten, nachdem die Gleichpreisigkeit auf anderen Wegen nicht erreicht werden könne, den ABDA-Beschluss vom Januar dieses Jahres umsetzen und das strikte Rx-Versandverbot auf allen Ebenen offensiv fordern. Denn dies sei nach Auffassung vieler namhafter Juristen unionsrechtlich nicht angreifbar und die Landespolitiker würden den Apothekern dabei Mut machen.

Da der Bundesgesundheitsminister offensichtlich nicht zu den klärenden Antworten auf die Fragen des OLG München zur Begründung für die Preisbindung bereit sei, mahnte Graue an, ein unabhängiges Gutachten in das Verfahren einzuführen. Dies sehe er als letzte Möglichkeit für einen erneuten Gang zum EuGH, um ein anderes Urteil zum Rx-Versandhandel zu erzielen.

Unsichere Zukunftsaussichten

Graue betonte den Ernst der Lage. Der Höhenflug eines ganzen Standes werde abrupt beendet. Die Folgen des politischen Tuns seien nicht sicher, erklärte Graue und mahnte: „Einige von uns verwirren sich schon, wie einstens Don Quijote, in virtuellen Welten und lassen sich von vorgetäuschten Wahrheiten blenden.“ Ähnliche Entwicklungen bestünden auch in anderen Bereichen der lokalen Versorgung, beispielsweise bei Bäckereien und Fleischereien. Die Apotheken müssten daher zunehmend ihren gesellschaftlichen Nutzen verdeutlichen. Letztlich bestehe sogar die Gefahr, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot „sturmreif geschossen“ werde.

Volles Engagement für das E-Rezept

Die Pläne zum E-Rezept hätten ausländische Versender „in Goldgräberstimmung versetzt“. Darum sei es umso wichtiger, dass der Deutsche Apothekerverband die Federführung bei der Entwicklung erhalten habe. Daran seien auch Vertreter des NARZ beteiligt. Graue versicherte, das NARZ werde „gerade bei der Digitalisierungsdebatte einen entscheidenden Beitrag leisten können und dies mit ganzem Einsatz und vollem Engagement“. Das NARZ sei für das E-Rezept und eine lange parallele Handhabung des Papierrezepts gerüstet.

Refinanzierung für Apotheken reicht nicht aus

Doch die Digitalisierung werde alle Beteiligten Geld kosten, die einzelnen Apotheker und auch das NARZ. Leider werde die vereinbarte Refinanzierung der Kosten für die Telematik-Infrastruktur in den Apotheken nicht kostendeckend sein. Ein Konnektor mit zwei Kartenlesegeräten werde etwa 2.800 Euro kosten, die Apotheke erhalte nach dem vom Deutschen Apothekerverband ausgehandelten Vertrag aber nur 1.800 Euro.

Einstimmige Wiederwahl

Außerdem verwies Graue auf das „sehr gute Ergebnis“, das das NARZ wiederum erzielt habe. Geschäftsführer Hanno Helmker berichtete, dass die Eigenkapitalquote des NARZ weiterhin über 95 Prozent betrage. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Jörn Graue sowie die Beisitzer Andreas Haese und Birger Peters wurden bei der turnusgemäßen Wahl für eine weitere Amtszeit von drei Jahren einstimmig wiedergewählt. Neu wurde Dr. Ulf Siuts, Vorstandsmitglied des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, in den NARZ-Vorstand gewählt. Die bisherige Vertreterin Niedersachsens im NARZ-Vorstand, Dr. Margit Götzlaff, war kürzlich überraschend verstorben.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

RXXV

von Roland Mückschel am 25.06.2019 um 16:36 Uhr

Mein lieber Landapotheker!
Sie schlagen überhaupt nichts aus.
Das sind alles Luftnummern.Nichts wird sich
zum Positiven ändern. Sie bewundern
Potemkinsche Dörfer.
Und natürlich Herr Kollege, natürlich ist
es nie günstig etwas mit Druck zu fordern.
Funktioniert so schon seit Jahrzehnten.
Denken Sie an Strauss" everybody's darling is
everybody's Dackel.
Platz nehmen und mit der Zunge hecheln bringt
vielleicht für Hunde etwas, aber nicht für Apotheker.

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RXVV

von Roland Mückschel am 25.06.2019 um 12:20 Uhr

Lieber Kollege vom Lande. Dann ziehen Sie halt
geschlagen nach Hause und füttern Sie dort Ihr
todkrankes Pferd.
Wenn Sie aber glauben dass man Sie jetzt dort
in Ruhe lassen wird dann irren Sie sich.
Wie hiess es im Ostsandmännchen? "Ein Hase kann
nicht friedlich leben wenn andere die Gewehre heben...
Stärker als jetzt werden Sie nie mehr sein.
Viel lieber ist mir der Versuch das RXXV durchzusetzen, auch mit unpopulären Mitteln wie Streik etc.
Jetzt gilt es.

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AW: RXVV

von Landapotheker am 25.06.2019 um 13:14 Uhr

Lieber Kollege,

wer soll das RxVV im Bundestag und Kabinett beschließen ?
Mehr ehrlich. Jetzt ist bald Sommerpause, danach hat die SPD im Herbst 3 Landtagswahlen mit 5-12% . Was meinen sie warum da gerade keiner die Mütze aufhaben will.
Dann stehen die Chancen auf Neuwahlen so schlecht nicht ...Wahlkampf ....grün-schwarz + ggf. gelb. Vor 2021 ggf 2022 tut sich da nichts, Außer das das E-Rezept von DocMorris kommt und gemakelt wird.
In welcher Phase wollen Sie denn da Druck aufbauen und auf wen ? Im Wahlkampf ? In der Phase 6 Monate Regierungsbildung ? In der Sommerpause ?
Sorry aber wenn wir diese Chance ausschlagen, können wir nur hoffen das DocMorris am Lachkrampf stirbt.
Dann kommt der Grüne Plan mit Gutachten und Boni .

.

von Anita Peter am 24.06.2019 um 18:05 Uhr

Nur das RXVV sichert die bestehenden Strukturen. Ohne RXVV keine PB.
OTC wandert wegen Rabattschlachten weiter in den Versand. Mit dem erezept und der dann startenden Marketingkampagne wandern auch die Rezepte in den Versand. Bei gleichbleibender Packungsanzahl kann sich jeder ausmalen was das bedeutet.
Die Honorarerhöhung wandert ins BMWi und wird so nie kommen. Was die pharmazeutischen Dienstleistungen sein sollen weiss doch kein Mensch, und wenn sie kommen, dann wird daran nichts verdient sein.
Und wenn es nur noch 15.000 Apos sind, dann wird es auch wieder den unteren 5000 miserabel gehen. Das Spielchen machen wir devoten Apothekers aber weiterhin mit. Der ein andere Bürgermeister wird rumheulen, aber das interessiert doch Spahn und Co. nicht. Im nächsten Schritt wird das FBV fallen, und Jens & Max sind am Ziel ihrer feuchten Träume.
Sie glauben es nicht? Lassen sie uns in 5 Jahren nochmal darüber sprechen...

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RXXV

von Roland Mückschel am 24.06.2019 um 17:15 Uhr

Danke sehr Herr Graue!
Standhaftigkeit ist ein seltenes Gut.
Die Fahnenwender haben Hochkonjunktur.
Die Jauche mit der sie uns von allen Seiten
überschütten wollen brauchen wir nicht.
Wir bestellen und pflegen unser Feld allein.
Dazu brauchen wir keine Klugscheisser und
Besserwisser.

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AW: RXXV

von Landapotheker am 24.06.2019 um 17:38 Uhr

Standhaft und heldenhaft in den Untergang. Oder gerupft aber lebendig die Truppen nachhause geführt ...welchem General folgt man da lieber ;-).
Es ärgert alle Kollegen das das RxVV politisch tot ist. Da nützen auch keine Gutachten etwas, die Gegenseite hat welche die sagen das Gegenteil ....das ist Jura live. Man sollte aufhören dem toten Pferd Wasser und Futter zu bringen. Lieber alle Energie in das politisch Machbare stecken, als Lagerkämpfe zwischen Realisten und Standhaften. Doc Morris lacht sich schlapp, wenn wir uns weiter an Windmühlen abarbeiten.

Das RxVV ist tot und der Satz im AMG durch das EUGH gestorben.

Auch wenn das viele denken, aber die Politik muss nicht mit uns reden. Die können auch ein Gesetz basteln , und zur Anhörung einladen und dann das Ding unverändert beschließen. Machen die nicht ? Dann schauen Sie mal in ein paar Jahren / Monaten wie grün/schwarz/ gelb das macht.
Dann können wir immer noch standhaft bleiben ....mit Boni, ohne Regelung des DocMorris E-Rezeptes ......immer noch RxVV standhaft fordern.

Sorry es ist SCHEISSE aber es ist leider so.Also Zähne zusammenbeissen, Arsch hoch und zusammen GKV-Gleichpreisigkeit und E-Rezept-Regeln und ...... durchboxen. Denn auch die vernünftigen Politiker können uns nur so zur Seite stehen. Danke

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