Windpocken / Gürtelrose

Varicella zoster – ein Virus, zwei Gesichter

Stuttgart - 28.06.2019, 13:15 Uhr

Das Varicella-zoster-Virus (VZV) kann zwei verschiedene Krankheitsbilder verursachen: Varizellen nach Erstinfektion (links) und nach einer endogenen Reaktivierung Herpes zoster (rechts). (Fotos:Dan Race/ irontrybex /stock.adobe.com)                                                                                             

Das Varicella-zoster-Virus (VZV) kann zwei verschiedene Krankheitsbilder verursachen: Varizellen nach Erstinfektion (links) und nach einer endogenen Reaktivierung Herpes zoster (rechts). (Fotos:Dan Race/ irontrybex /stock.adobe.com)                                                                                             


Das Varicella-zoster-Virus (VZV) kann zwei verschiedene klinische Krankheitsbilder verursachen: Varizellen (Windpocken) bei exogener Erstinfektion und Herpes zoster (Gürtelrose) nach einer endogenen Reaktivierung.  Über die beiden Gesichter ein und desselben Virus. 

Das Varicella-zoster-Virus (VZV) gehört zur  Familie der Herpesviridae. Das VZV ist membranumhüllt, enthält doppelsträngige DNA (dsDNA) und ein ikosaedrisches Kapsid mit 162 Kapsomeren; das Virion ist 150 bis 200 nm im Durchmesser groß. Neben den Herpes-simplex-Viren Typ 1 und 2, mit denen es eng verwandt ist, da es mit diesen einen großen Teil seines Genoms teilt, ist es das dritte humanpathogene Alpha-Herpesvirus.  Daher wird es auch als Humanes Alphaherpesvirus 3 (HHV3) bezeichnet.  Wie alle Herpesviren ist auch das VZV sehr gut an den Menschen als seinen einzigen natürlichen Wirt angepasst.  Außerhalb des Körpers kann es in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen, insbesondere im feuchten Milieu, für einige Tage seine Infektiosität bewahren.

Die Übertragung kann auf mehreren Wegen erfolgen:

  • durch virushaltige Tröpfchen, die beim Atmen oder Husten ausgeschieden werden
  • durch virushaltigen Bläscheninhalt als Schmierinfektion
  • Konjunktivalflüssigkeit

Erstinfektion ruft Varizellen hervor

Die Erstinfektion ruft das Krankheitsbild der Varizellen (Windpocken) hervor. Varizellen sind extrem kontagiös. Nach Kontakt  erkranken über 90 von 100 empfänglichen Personen an Windpocken. Bevor es die allgemeine Impfempfehlung in Deutschland gab, waren durchschnittlich etwa 750.000 Erkrankungen pro Jahr zu erwarten. Vor allem Kleinkinder waren betroffen. Im Schulalter waren die meisten Kinder seropositiv. Antikörper gegen VZV findet man bei über 95 Prozent aller Erwachsenen.  Nach der allgemeinen Impfempfehlung  konnte  bereits in den ersten 8 Jahren ein Rückgang der Erkrankungshäufigkeit um insgesamt etwa 85 Prozent verzeichnet  werden.

Nach einer Inkubationszeit von in der Regel  etwa zwei Wochen (sie kann aber auch 8 bis 21 Tage, nach passiver Immunisierung bis zu 28 Tage betragen) bricht  die Erkrankung aus. Die Vorboten sind uncharakteristisch: Unwohlsein, Kopf- und Gliederschmerzen.  Ein bis zwei Tage vor dem eigentlichen Krankheitsbeginn beginnt die Erkrankung mit einem juckenden Exanthem und Fieber. Beides hält etwa drei  bis fünf Tage an. Die Ansteckungsfähigkeit der Varizellen beginnt übrigens ein bis zwei Tage vor Auftreten des Exanthems und endet mit dem vollständigen Verkrusten aller bläschenförmigen Effloreszenzen, in der Regel  fünf bis sieben Tage nach Exanthembeginn.

Windpocken: eine harmlose Kinderkrankheit?

Hauptmerkmal  der Varizellen sind Hautläsionen in Form von Papeln, Bläschen und Schorf in verschiedenen Entwicklungsstadien. Sie treten zuerst am Stamm und im Gesicht auf. Schnell können sie dann auch andere Körperteile befallen – unter Einbeziehung der Schleimhäute und der behaarten Kopfhaut. Bei ansonsten gesunden Kindern ist der Verlauf in der Regel gutartig, aber es werden auch schwere Verläufe beobachtet.  Bei Erwachsenen verlaufen Varizellen schwerer. Außerdem gibt es häufiger Komplikationen  als bei Kindern. Bei Neugeborenen, Personen mit geschwächter Immunabwehr und Patienten unter einer immunsuppressiven Therapie entwickeln sich zum Teil schwere Krankheitsverläufe – nicht selten mit letalem Ausgang. 

Mögliche Komplikationen

Die potenziellen Komplikationen verdeutlichen, dass Windpocken nicht die harmlose Kinderkrankheit sind, als die sie oft abgetan werden.

  • bakterielle Superinfektion der Hautläsionen: die häufigste infektiöse Komplikation, meist verursacht durch Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus aureus
  • Varizellenpneumonie: eine sehr schwerwiegende Komplikation. Bei Erwachsenen sind 20 Prozent aller Erkrankten betroffen, schwangere Frauen sind besonders gefährdet.
  • ZNS-Manifestationen: etwa 0,1 Prozent  der Erkrankungen. Sie äußern sich im besten Fall mit meningealer Reizung und akuter zerebellärer Ataxie. Hier ist die Prognose günstig, im schlechteren Fall kann eine aseptische Meningitis, Enzephalitis, Myelitis transversa, ein Guillain-Barré-Syndrom oder ein Reye-Syndrom auftreten.
  • Schwer verlaufende neonatale Windpocken: Sie treten bei einer  Infektion der Mutter innerhalb von fünf Tagen vor der Geburt oder bis zu 48 Stunden danach auf.  Das Neugeborene hat in diesem Fall keinen Nestschutz und ein unreifes Immunsystem. Schwere Verläufe sind deswegen die Regel. Die Letalität liegt bei 30 Prozent.

Wie behandelt man?

Die Behandlung erfolgt bei unkomplizierten Erkrankungen rein symptomatisch, mit Antihistaminika und topischen Zubereitungen wie Zinkoxidschüttelmixtur oder Anaesthesulf Lotio. Das lindert nicht nur Beschwerden, sondern kann auch Komplikationen verhindern. Vor allem bakterielle Superinfektionen der Haut können durch sorgfältige Hautpflege  und Gabe von juckreizlindernden Medikamenten vermieden werden. Bei immundefizienten Erkrankten kann auch  antiviral behandelt werden, z. B. mit Aciclovir, um zum Beispiel die Erkrankungsdauer zu reduzieren.

Herpes zoster – das endogene Rezidiv

Bei Herpes zoster (Gürtelrose) handelt es sich um ein endogenes Rezidiv einer VZV-Infektion. Es kann bei Personen auftreten, die eine Infektion durchgemacht haben oder mit einem Lebendimpfstoff gegen Varizellen geimpft wurden. Allerdings erkranken geimpfte Kinder drei- bis zwölfmal seltener an Herpes zoster als die, die an Windpocken erkrankt sind. Auch sind die Verläufe bei den Geimpften oft milder.

Wie kommt es zu dem Rezidiv? Der Erreger persistiert nach der Infektion in den Spinal- bzw. Hirnnervenganglien des Organismus. Wird er reaktiviert, kommt es zu einem Herpes zoster. Betroffen sind vor allem  Ältere sowie Immungeschwächte. Aber auch bei Immunkompetenten und jüngeren Erwachsenen sowie bei Kindern und Jugendlichen kommt es spontan zu Ausbrüchen. 

Charakteristische Manifestation

Charakteristisch sind einseitige Bläschen innerhalb eines Dermatoms, also einem Hautbereich, der von den sensiblen Fasern einer Spinalnervenwurzel autonom versorgt wird. Herpes zoster kann mit starken Schmerzen einhergehen.  Tritt er bei Kindern auf, verläuft die Erkrankung meist gutartig. Bei Erwachsenen sorgt eine akute Neuritis oft für starke Schmerzen. Bei Immundefizienz kann der Zoster generalisieren und lebensbedrohlich  sein. Zudem sind auch ZNS-Manifestationen möglich. Ansteckungsfähig sind Patienten vom Auftreten des Exanthems bis zur vollständigen Verkrustung der Bläschen. Das ist  in der Regel  fünf bis sieben Tage nach deren Auftreten der Fall.

Bei Immunkompetenten mit Gürtelrose ist eine orale antivirale Therapie, z. B. mit Aciclovir, indiziert. Bei Immungeschwächten muss Aciclovir parenteral verabreicht werden – das gilt übrigens auch für Windpocken.  Immunsupprimierte erwachsene Patienten mit Herpes zoster können zudem mit oralem Famciclovir behandelt werden.

Mehr zur Therapie



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.