Urteilsgründe des OLG Düsseldorf

Einheitlicher Herstellerabgabepreis ist für EU-Versender obsolet

Berlin - 03.07.2019, 17:45 Uhr

Das Oberlandesgericht Düsseldorf geht den Weg des EuGH aus seiner Sicht konsequent weiter. (c / Foto: imago images / Rech)

Das Oberlandesgericht Düsseldorf geht den Weg des EuGH aus seiner Sicht konsequent weiter. (c / Foto: imago images / Rech)


Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist sich gewiss: Ein inländisches Pharmaunternehmen ist bei der Belieferung ausländischer Versandapotheken mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht an den einheitlichen Herstellerabgabepreis gebunden – und zwar auch dann, wenn die Arzneimittel letztlich für den deutschen Markt bestimmt sind. Das geht aus den jetzt veröffentlichten Gründen eines im Mai bekannt gewordenen Urteils in einem Rechtsstreit zwischen zwei Botox-Herstellern hervor.

Schon Ende Mai sorgte ein neuerliches Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf für Aufregung: Der Senat, der seinerzeit den Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Vereinigung vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebracht und damit dessen Urteil vom 19. Oktober 2016 ermöglicht hat, hatte sich nach den fixen Apothekenpreisen nun auch mit dem einheitlichen Herstellerabgabepreis (HAP) zu befassen: Müssen deutsche pharmazeutische Unternehmer diesen einhalten, wenn sie an EU-ausländische Versandapotheken verkaufen? Die Entscheidung fiel in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Das Oberlandesgericht musste darüber befinden, ob das Landgericht Düsseldorf eine von der Firma Galderma beantragte einstweilige Verfügung gegen seinen Konkurrenten Merz zu Recht zurückgewiesen hatte.

Mehr zum Thema

Oberlandesgericht Düsseldorf

Das gesamte Arzneimittelpreisrecht wankt

Das Unternehmen hielt es für wettbewerbsrechtlich unzulässig, dass Merz gegenüber ausländischen Versandapotheken Preisnachlässe auf den Herstellerabgabepreis seines Botox-Arzneimittels Bocouture® anbietet und gewährt. Zudem wollte Galderma, dass Merz gegenüber Ärzten nicht für einen Bestell- und Beschaffungsvorgang über ausländische Versandapotheken wirbt, bei dem die Ware unterhalb des Herstellerabgabepreises bezogen werden kann. Die mit seinen Anträgen begehrte Unterlassung konnte das Unternehmen jedoch nicht erreichen – das Landgericht Düsseldorf hielt sich schon für örtlich nicht zuständig, weil Merz seinen Sitz in Frankfurt am Main habe.

Das Landgericht zeigte sich überdies überzeugt, dass der Anspruch auch bei örtlicher Zuständigkeit nicht bestanden hätte. Die Regelungen zum einheitlichen Herstellerabgabepreis (§ 78 Absatz 3 S. 1 AMG) fänden bei Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts nämlich keine Anwendung. Denn dies würde gegen die im primären Unionsrecht verankerte Warenverkehrsfreiheit verstoßen, erklärte es mit Verweis auf die bereits genannte EuGH-Entscheidung. Zu rechtfertigen sei dieser Verstoß nicht – schon gar nicht sei eine solche neuerliche Prüfung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren möglich. Das Landgericht erklärte dem Sinne nach weiterhin, dass EU-Versender nur im Wettbewerb überleben könnten, wenn sie ihre Einkaufspreise niedriger halten als den einheitlichen Herstellerabgabepreis. Woher soll sonst der Spielraum für Rabatte kommen?

Einheitlicher HAP knüpft unmittelbar an Rx-Preisbindung für Apotheken an

Galderma ging in Berufung und erklärte, das genannte EuGH-Urteil sei nicht einschlägig, weil es den Apothekenabgabepreis betreffe, nicht aber den Herstellerabgabepreis. Es ergebe sich auch dann ein ausreichender Spielraum für die ausländische Versandapotheke, wenn sie gezwungen wäre, die Arzneimittel zum festgelegten Abgabepreis zu beziehen.

In seinem kurzen Urteil schließt sich der OLG-Zivilsenat nun dem landgerichtlichen Urteil an: Galderma sei nicht nur vor das falsche Gericht gezogen, auch die Anträge seien unbegründet. Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass die Belieferung ausländischer Versandapotheken mit für den deutschen Markt bestimmten, verschreibungspflichtigen Medikamenten zu Preisen unterhalb des einheitlichen Herstellerabgabepreises – und damit auch der werbende Hinweis auf diese Bezugsmöglichkeit – nicht unlauter ist.

Die Bestimmung des § 78 Absatz 3 Satz 1 AMG finde auf die Lieferung an EU- Versandapotheken keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift haben die pharmazeutischen Unternehmer für Arzneimittel, für die ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten ist, einen einheitlichen Abgabepreis festzusetzen. Sie dürfen also insbesondere keine Rabatte gewähren.

OLG: Wortlaut ist klar
 

Im Urteil heißt es: „Unter diese Vorschrift fällt das hier beanstandete Verhalten, nämlich die Belieferung einer ausländischen Versandapotheke, schon deshalb nicht, weil die ausländische Versandapotheke nicht an den einheitlichen Apothekenabgabepreis gebunden ist“. Doch die Pflicht zur Beachtung eines einheitlichen Herstellerabgabepreises knüpfe unmittelbar an das Bestehen einer Preisbindung hinsichtlich des Apothekenabgabepreises an. Dies folgt nach Ansicht des Senats schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Aber auch der Sinn eines einheitlichen Herstellerabgabepreises sei allein die Sicherstellung des einheitlichen Apothekenabgabepreises. Besteht ein solcher nicht, bestehe auch keine Veranlassung für die Beachtung eines einheitlichen Herstellerabgabepreises.

Und dass EU-ausländische Versender nicht an den einheitlichen Abgabepreis gebunden sind, sieht das Oberlandesgericht durch den EuGH hinreichend bestätigt. Ausdrücklich halten die Düsseldorfer Richter zudem fest, dass Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Preisvorschriften weder vorgetragen noch ersichtlich seien.

Ob Galderma weiter für den einheitlichen Herstellerabgabepreis kämpfen will, ist bislang nicht klar. Das Unternehmen könnte den Streit in einem Hauptsacheverfahren fortsetzen. DocMorris und Co. dürften sich vorerst jedenfalls freuen, dass ihnen günstige Einkaufskonditionen zugestanden werden. Auch der deutsche Großhandel könnte ihnen, der Logik dieses Urteils zufolge, weitaus großzügigere Preisnachlässe anbieten als den deutschen Apotheken.

Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Mai 2019, Az.: I-20 U 126/18



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Inländerdiskriminierung

von Alf Stuhler am 04.07.2019 um 9:06 Uhr

Die Diskriminierung der inländischen Apotheken geht weiter.
An Perversion ist diese Schmierenkomödie nicht mehr zu überbieten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Von „Ich bin doch nicht blöd“ bis zu „UMSONST“ ...

von Christian Timme am 04.07.2019 um 7:21 Uhr

Interessant werden die weiteren Zwischenstufen bis zur endgültigen Einstellung aller Zahlungen an und von den KK ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.