Bayer will Zulassungserweiterung für Rivaroxaban

Xarelto für Kinder

Leverkusen / Stuttgart - 09.07.2019, 16:15 Uhr

Grund zur Freude: Bayer plant die Zulassung für Xarelto zur Behandlung von venösen Thromboembolien bei Kindern. Als kindgerechte Darreichungsform soll es Rivaroxaban dann als orale Suspension geben. ( r / Foto: Maksim Bukovski / stock.adobe.com)

Grund zur Freude: Bayer plant die Zulassung für Xarelto zur Behandlung von venösen Thromboembolien bei Kindern. Als kindgerechte Darreichungsform soll es Rivaroxaban dann als orale Suspension geben. ( r / Foto: Maksim Bukovski / stock.adobe.com)


Bayer will Rivaroxaban auch für Kinder mit venösen Thromboembolien zulassen. Xarelto wäre das erste NOAK mit pädiatrischer Indikation und soll sodann auch als orale Suspension auf den Markt kommen. Bislang kommen bei kindlichen Thrombosen Heparine und Vitamin-K-Antagonisten zum Einsatz – die jedoch injiziert werden müssen oder ein hohes Monitoring und Wechselwirkungspotenzial mit sich bringen. Warum wählte Bayer ein Open-Label-Studiendesign?

Kommt das erste NOAK (Neue orale Antikoagulanzien) in die Pädiatrie? Bayer plant eine Zulassungserweiterung von Rivaroxaban (Xarelto®), um es künftig auch bei Kindern mit akuten venösen Thromboembolien einsetzen zu können. In einer Phase-III-Studie (Einstein-Jr.) untersuchte Bayer Rivaroxaban an Kindern, vom Neugeborenenalter bis 17 Jahre im Vergleich zur Standardtherapie bei venösen Thromboembolien (Heparin allein oder in Verbindung mit einem Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin).

Als die beiden primären Endpunkte definierte Bayer:

  • Gesamtzahl aller symptomatisch rezidivierenden venösen Thromboembolien (Zeitraum zwölf Monate)
  • Gesamtzahl der offenen schweren Blutungen und der klinisch relevanten nicht schweren Blutungen (Zeitraum zwölf Monate)

Antikoagulation bei Kindern: häufig nur extrapolierte Daten

Venöse Thromboembolien im Kindesalter sind selten – etwa 100 Mal seltener als im Erwachsenenalter. Die Leitlinien zur Behandlung venöser Thromboembolien in der Pädiatrie basieren hauptsächlich auf Extrapolation von Studiendaten, die bei erwachsenen Thrombosepatienten erhoben wurden. 

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Aktuell gestaltet sich die Antikoagulation vor allem bei Kindern also schwierig – Heparine müssen injiziert werden, Vitamin-K-Antagonisten sind zwar oral verfügbar, jedoch nicht in flüssiger Darreichungsform, und sie wechselwirken mit einigen Nahrungsmitteln. Folglich ist die Verfügbarkeit einer oralen Antikoagulation für Kinder, die keine subkutanen oder intravenösen Injektionen erfordert und keine regelmäßigen Laborüberwachungen – wie sie heute bei Erwachsenen vielfach Standard ist – auch in die Pädiatrie wünschenswert. Das erklärten die Wissenschaftler hinter der Einstein-Jr-Studie „Rivaroxaban versus standard anticoagulation for acute venous thromboembolism in childhood“, veröffentlicht im Dezember 2018 im Thrombosis Journal.

Rivaroxaban bei Kinder so sicher wie bei jungen Erwachsenen

Laut dem Xarelto®-Hersteller belegen die Ergebnisse von Einstein-Jr. die Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban bei Kindern mit venösen Thromboembolien. Sie seien vergleichbar mit der Wirksamkeit und Sicherheit, die aus früheren Studien mit Erwachsenen bekannt seien. Einstein-Jr. war als multizentrische, randomisierte, jedoch Open-Label-Studie konzipiert. Warum verblindete Bayer die Studie nicht? DAZ.online hat beim Hersteller nachgefragt.

Verblindung mit Placebo-Injektionen sei unethisch

Was sind Gründe für das Open-Label-Studiendesign? Wollte man unnötige Placebo-Injektionen an Kindern vermeiden – die bei einer Verblindung aufgrund der unterschiedlichen Applikationswege von Xarelto® (oral) und Heparinen (parenteral) erforderlich gewesen wären? Bayer erklärt: „Kinder hätten bei einer Verblindung über einen längeren Zeitraum Placebo-Injektionen erhalten müssen; das ist ethisch nicht akzeptabel“, so Richard Breum, Sprecher des Konzerns. Dass die Europäische Arzneimittel-Agentur das Studiendesign bei Prüfung der Zulassungsunterlagen kritisieren könnte, fürchtet Bayer nicht: „Eine Verblindung war nicht möglich; wichtig auch für eine mögliche Zulassung ist, dass die Endpunkte der Studie klar definiert sind und unabhängig beurteilt werden; ohne Kenntnis der Behandlung.“

Xarelto auch als orale Suspension

Laut Clinical Trials gelang es, 499 Kinder für Einstein-Jr. zu rekrutieren. Kinder unter Rivaroxaban erhielten den Wirkstoff entweder als Tablette oder als neu entwickelte orale Suspension – bislang ist eine flüssige Darreichungsform von Xarelto® nicht verfügbar, dies wäre allerdings in der geplanten pädiatrischen Indikation äußerst vorteilhaft. Die Dosierung des Antikoagulans erfolgte adjustiert an Alter und Körpergewicht der Patienten.

Mehr Blutungen unter Xarelto – aber keine schweren

Laut Bayer erlitten vier von 335 (1,2 Prozent) der mit Rivaroxaban behandelten Kinder und fünf von 165 (3 Prozent ) der Kinder unter der Standardbehandlung eine erneut auftretende venöse Thromboembolie (primärer Endpunkt). Rivaroxaban ist der Standard-Antikoagulation in dieser Indikation nicht unterlegen, Bayer hierzu: „Die Studie zeigt bei Kindern, die mit Rivaroxaban behandelt werden, das gleiche niedrige Risiko für eine erneut auftretende venöse Thromboembolie (VTE) wie beim Therapiestandard, mit niedrigem Blutungsrisiko". Denn klinisch relevante Blutungen traten bei zwar bei mehr Kindern unter Rivaroxaban auf (zehn Kinder mit Blutungen, 3 Prozent), im Vergleich zur standardbehandelten Kindergruppe (drei Kinder mit Blutungen, 1,9 Prozent). Jedoch ist nach Aussagen Bayers unter Rivaroxaban „keine schwere Blutung" aufgetreten. Bei Kindern unter Standardbehandlung erlitten zwei eine schwere Blutung.

Apixaban auch an Kindern untersucht

Dass Bayer seinen Blockbuster in weitere Indikationen einbringen will, ist verständlich. Laut einem Bericht im Handelsblatt ist Xarelto® das mit Abstand umsatzstärkste Medikament von Bayer. Dieser setzte 2018 rund 3,6 Milliarden Euro mit dem NOAK um. Wann genau der Konzern die Zulassung bei der EMA beantragt, gibt Bayer derzeit nicht bekannt. Rivaroxaban wäre das erste NOAK mit pädiatrsicher Indikation, auch wenn laut Clinical Trials auch konkurrierende Hersteller von Faktor-X-Inhibitoren ihre Präparate – Apixaban oder Edoxaban – in pädiatrischen Indikationen untersuchen oder planen, dies zu tun.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Xa Aktivität

von Dr Schweikert-Wehner am 10.07.2019 um 9:59 Uhr

Bayer sollte erst mal ein Routinemessystem für Patienten auf Faktor Xa-Aktivität entwickeln bevor es solche Real-Live-Feldversuche startet.

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