Lieferengpässe bei Arzneimitteln

Ärzte-Präsident fordert Arzneimittelreserve

Stuttgart - 15.07.2019, 15:45 Uhr

Apotheker sind gesetzlich zur Vorratshaltung von Arzneimitteln verpflichtet, Großhändler auch. Pharmazeutische Hersteller hingegen müssen keine Arzneimittelreserve anlegen. Der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt fordert nun eine nationale Arzneimittelreserve angesichts der Lieferengpässe. ( r / Foto: imago stock / Galuschka)

Apotheker sind gesetzlich zur Vorratshaltung von Arzneimitteln verpflichtet, Großhändler auch. Pharmazeutische Hersteller hingegen müssen keine Arzneimittelreserve anlegen. Der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt fordert nun eine nationale Arzneimittelreserve angesichts der Lieferengpässe. ( r / Foto: imago stock / Galuschka)


Staatlicher Arzneimittelvorrat umsetzbar?

„Die Arzneimittelknappheit nimmt stark zu. Jeder Apotheker hat täglich weit über 100 Fehlpositionen. Wir müssen jede Woche zusätzlich sechs Arbeitsstunden dafür aufwenden, die fehlenden Medikamente irgendwo zu besorgen. Es fehlen Ibuprofen, Antibiotika, Beta-Blocker, Impfstoffe – das geht durch die gesamte Medikamenten-Palette“, sagte auch der Chef des Apothekerverbandes in Nordrhein-Westfalen, Thomas Preis.

Apotheken und Großhändler sichern für vier Wochen

Auch die Großhandlungen sind zur Vorratshaltung gesetzlich verpflichtet.  Apotheken und Großhändler tragen nach Ansicht von Preis heute schon erheblich dazu bei, dass Arzneimittel in ausreichender Menge vorhanden sind. Ihnen sei es zu verdanken, dass „dadurch bereits ein vierwöchiger Vorrat geschaffen“ wird. Preis bedauert, dass es eine vergleichbare Verpflichtung bei den Arzneimittelherstellern nicht gibt: „Hier wäre bei versorgungsrelevanten Medikamenten zumindest im ersten Schritt mehr Transparenz über Produktionskapazitäten und Lieferengpässe nötig. Hersteller müssten auch verpflichtet werden, ihre Produktionsstandorte von Asien zurück nach Europa zu verlegen“, sagte Preis der Rheinischen Post.

Hersteller: lediglich Informationspflicht

Auch der Bundesverband der Krankenhausapotheker (ADKA) setzt sich seit Jahren vehement für eine Lagerverpflichtung der Hersteller ein, bislang erfolglos. Erfolge bei Lieferengpässen konnte die ADKA dennoch verbuchen: Wenigstens ist eine unverzügliche Informationspflicht seitens der Hersteller mit dem AMVSG (Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz) 2017 in Kraft getreten – auch wenn bedauerlicherweise wohl bislang nicht alle Pharmaunternehmen dieser Pflicht nachkommen.

Auch eine staatliche Arzneimittelreserve gibt es nicht. Der Chef des Apothekerverbandes Nordrhein hält diese für kaum umsetzbar, da es immer wieder zu Engpässen bei verschiedenen Medikamenten komme. Eine staatliche Arzneimittelreserve wurde erstmals im Grippewinter 2009/2010 angelegt. Damals gab es für 20 Prozent er Bevölkerung Impfstoffe gegen die Schweinegrippe. Die Pandemie 2009 war zumindest Anlass, dass damals eine EU-Rahmenvereinbarung zur gemeinsamen Bereitstellung von Influenza-Impfstoffen im Pandemiefall initiiert wurde. Jüngst hat Seqirus, Hersteller des einzigen in Deutschland verfügbaren tetravalenten Grippeimpfstoffes aus Zellkulturen (Flucelvax), mit der Europäischen Kommission die ersten europäischen Rahmenverträge geschlossen. Seqirus wird im Pandemiefall Influenzavakzine liefern.

Doch auch der gemeinsame Beschaffungsmechanismus der EU ist rein freiwillig, und nicht alle Mitgliedstaaten haben sich angeschlossen.

Landen die Engpässe im Bundestag?

Karin Maag, die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, äußerte sich ebenfalls in der Rheinischen Post zu den Lieferengpässen und verwies auf neue gesetzliche Regelungen, wodurch das BfArM schneller handeln könne. Doch auch Eskalationsstufen plant Maag ein: „Sollten diese Regelungen nicht ausreichen, um Arzneimittelengpässe zu verhindern, werden wir im Deutschen Bundestag weitere Lösungen diskutieren“, so die CDU-Politikerin.

Erst kürzlich ist eine Arzneimittelreform (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung, GSAV) in Kraft getreten, in der die Engpässe zumindest eine kleine Rolle spielen. Demnach soll in Rabattverträgen die Klausel aufgenommen werden, dass eine „unterbrechungsfreie und bedarfsgerechte“ Lieferfähigkeit zu berücksichtigen ist. Die Kassen sollen so in „Mitverantwortung“ genommen werden, um Lieferengpässe zu vermeiden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Wie wär´s mit Ursachenanalyse und -beseitigung?

von Dirk Krüger am 16.07.2019 um 15:01 Uhr

Auch in diesem Artikel werden mal wieder nur die Soll-Situation und die Ist-Situation beschrieben und wie man sie verwaltet. Was sind denn die Ursachen? Darüber habe ich noch nichts gelesen.
Meine Vermutung: Warenlager in Industrie und Großhandel befinden sich zur Profitsteigerung "auf der Straße", wie in anderen Wirtschaftszweigen schon seit Jahren. Und der Brexit: die Insulaner kaufen jetzt noch alles zollfrei ein, was geht - sie haben ja jetzt schon ein sieches Gesundheitswesen. Wahrscheinlich zahlen sie zur Zeit höhere Preise an die Hersteller als alle anderen EU-Länder. Nach dem Chaos-Brexit wird dadurch dem britischen Gesundheitswesen eine Gnadenfrist verschafft - bis es dann ganz zusammenbricht. Fazit: Brexit so schnell wie möglich - danach kommen die Arzneimittel auch wieder bei uns an.

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Zum Fremdschämen

von A. Fischer am 15.07.2019 um 17:12 Uhr

Ich schäme mich für meinen Beruf, als ich diese Nachricht im Radio gehört hatte. Warum wird dies von Klaus Reinhardt gefordert und nicht von Friedmann Schmidt? In jedem anderen Land wird eine Pressemeldung/Forderung gestellt, wenn man Mängel in seinem Aufgabenbereich des Gesundheitswesen feststellt. Wenn der Apotheker nicht für Medikamente verantwortlich sein will und der Arzt sich mehr Sorgen macht, wie tief ist dann unser Berufsbild in Deutschland gesunken?

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Sehr lustig

von Carsten am 15.07.2019 um 16:39 Uhr

Vielleicht sollte die Politik erstmal schauen, dass wir die 500+ nichtlieferbaren Standard-Medikamente, die aktuell permanent in der deutschen Versorgung fehlen wieder lieferbar kriegen.

Danach kann Herr Spahn gerne mit der herstellenden Industrie noch klären, warum wir viele Medikamente nur kontingentiert bekommen. Im Übrigen eine Randerscheinung des eruopäischen Importmarktes, den Frau Kramp-Karrenbauer ja so tapfer weiter pflegt.

DANACH können wir gerne über unsere - durch ständig wechselnde Rabattverträge künstlich aufgeblähten - Warenlager reden.

Da verwechselt wirklich gerade mal wieder jemand Ursache und Wirkung.

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