Neurowissenschaftler im Handelsblatt-Interview

„Einsatz von Genschere Crispr/Cas9 zweifelhaft und noch nicht ausgereift“

Remagen - 29.07.2019, 11:35 Uhr

Der Neurowissenschaftler und Crispr-Pionier Feng Zhang warnt im Handelsblatt davor, die revolutionäre Technik der Genschere zur DNA-Veränderung von Embryonen zu missbrauchen. (m / Foto: imago images / Science Photo Library)

Der Neurowissenschaftler und Crispr-Pionier Feng Zhang warnt im Handelsblatt davor, die revolutionäre Technik der Genschere zur DNA-Veränderung von Embryonen zu missbrauchen. (m / Foto: imago images / Science Photo Library)


Zhang: „Das hätte nicht passieren dürfen“

Die Genschere ist nicht nur bei Bakterien und in Pflanzen, sondern universal bei allen lebenden Zellen einsatzfähig. Es war Feng Zhang, der die Methode zum ersten Mal bei Maus- und menschlichen Zellen angewandt hat. „Wir müssen die Oberhand behalten und darüber nachdenken, wie wir die Technologie regulieren können“, sagt Zhang jetzt im Handelsblatt-Interview. Dass chinesische Forscher seine Grundlagenforschung dazu nutzen, einen menschlichen Embryo zu verändern, hätte seiner Meinung nach nicht passieren dürfen. Damit sei eine ethische Grenze überschritten worden, die nicht überschritten werden dürfe.

Gemeinsam mit 17 anderen Genforschern fordert Zhang ein globales Moratorium für menschliche Genmanipulation. Die ganze Gesellschaft sollte darüber entscheiden, so seine Auffassung. Er hofft aber auf eine weltweite Übereinkunft, dass menschliche genetische Züge nicht manipuliert werden sollten.

Verfahren funktioniert noch nicht verlässlich

Die Genschere kann aber auch nutzbringend in der Entwicklung neuer Arzneimitteltherapien eingesetzt werden. Zhang spricht im Handelsblatt-Interview von einer „sehr mächtigen Technologie mit vielen Anwendungsmöglichkeiten“. Doch müsse noch mehr dafür getan werden, dass das Verfahren verlässlich genug funktioniere. „Technologie und Wissenschaft sind noch nicht so weit, jede Änderung sicher und effektiv durchführen zu können“, stellt der Genforscher fest. 

Bessere Liefersysteme entwickeln

Zhang verweist auf klinische Studien an Menschen, die den Einsatz der Genschere bereits für verschiedene Blutkrebs-Formen testen. Um die Methode effektiv nutzen zu können, müsse das Instrument die richtigen Zellen im Körper ansteuern. Dazu würden aber noch genauere Liefersysteme gebraucht. „Bislang können wir nur auf Blutzellen zielen und einige sehr spezifische Organe wie das Auge“, sagt der Genforscher. „Es wird wichtig sein, andere Liefertechnologien zu entwickeln, um so viele Gewebeformen im Körper wie möglich behandeln zu können. Nieren, das Herz oder alle Muskelzellen im Körper zu behandeln, sei sehr schwer, fügt er an.

Neben diesen Problemen birgt die Genschere aber möglicherweise noch ein anderes Sicherheitsrisiko: Wissenschaftler von der Berliner Charité haben aufgedeckt, dass das menschliche Immunsystem auf das Eiweißmolekül Cas9 reagieren könnte, das aus Streptokokken stammt, einem Bakterium, mit dem sich Menschen häufig infizieren. An rund fünfzig Probanden konnten sie zeigen, dass fast alle körpereigene T-Zellen besaßen, die auf Cas-Eiweißmoleküle reagierten. Und nicht nur Cas9 aus Streptokokken bewirkte Immunreaktionen, sondern auch Cas-Moleküle aus anderen Bakterienstämmen wie Staphylokokken. Sie befürchten deshalb, dass es bei der Gentherapie mit Hilfe von Crispr/Cas9 zu unerwünschten Immunreaktionen kommen könnte. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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