Apotheken-Stärkungsgesetz

Gesundheitsexperten der Bundesländer wollen das Rx-Versandverbot

Berlin - 05.09.2019, 17:13 Uhr

Aus dem Protest wird eine Forderung: Die Gesundheitsexperten der Bundesländer empfehlen dem Bundesratsplenum, sich für das Rx-Versandverbot auszusprechen. (s / Foto: imago images / photothek)

Aus dem Protest wird eine Forderung: Die Gesundheitsexperten der Bundesländer empfehlen dem Bundesratsplenum, sich für das Rx-Versandverbot auszusprechen. (s / Foto: imago images / photothek)


Es hat sich bereits angedeutet: Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates protestiert nicht nur gegen die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Apothekenreform. Das Gremium empfiehlt dem Plenum des Bundesrates auch, das Rx-Versandverbot gegenüber der Bundesregierung einzufordern. In der Begründung eines entsprechenden Antrages wird Spahns Vorschlag, das Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht zu verankern, heftig kritisiert. Vielmehr sei das Rx-Versandverbot die einzige verfassungs- und europarechtlich konforme Lösung.

Der Bundesrat könnte sich am 20. September dieses Jahres zum zweiten Mal für ein Rx-Versandverbot aussprechen. Denn der Gesundheitsausschuss der Länderkammer hat bei seiner gestrigen Sitzung eine entsprechende Beschlussempfehlung zum Apotheken-Stärkungsgesetz mehrheitlich beschlossen. 

Die Beschlussempfehlung, die DAZ.online vorliegt, will dazu § 43 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes ändern. Dort sollte nach dem Willen des Ausschusses künftig stehen: „Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1, die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen außer in den Fällen des § 47 berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden.“ Heißt konkret: Rx-Medikamente gäbe es nur noch aus der Apotheke vor Ort.

Die Gesundheitsexperten der Länder haben dazu eine umfassende Begründung vorgelegt. Mit dieser Argumentation leiten die Gesundheitsexperten der Länder das Rx-Versandverbot her:

  • „Die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung ist gemäß Artikel 168 Absatz 7 AEUV Angelegenheit der Mitgliedstaaten.“
  • „Die Gewährleistung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung, insbesondere auch zu Not- und Nachtdienstzeiten, ist zudem eine auf (..) das (Sozialstaatsprinzip) zurückzuführende staatliche Schutzpflicht im Bereich der Daseinsversorgung und damit eine Kernaufgabe des Staates.“ Die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung habe der Gesetzgeber den Apotheken übertragen.
  • Die Finanzierung der Apotheken erfolgt durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis. „Diese Preisbindung ist damit für die Erhaltung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung von besonderer Bedeutung. Zudem ist die Arzneimittelpreisbindung eine tragende Säule des deutschen solidarischen Krankenversicherungssystems. Verschiedene sozialversicherungsrechtliche Steuerungsinstrumente fußen darauf.“

Zum Vorschlag von Jens Spahn, die Rx-Preisbindung ins Sozialgesetzbuch zu heben, schreiben die Ländervertreter: 

  • „Die Verschiebung der nach Ansicht des EuGH gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoßenden arzneimittelpreisrechtlichen Regelungen ins Sozialrecht beseitigen als Maßnahmen gleicher Wirkung deren Europarechtswidrigkeit nicht. Zudem würde eine Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Arzneimittelversendern sowie zwischen GKV-Versicherten einerseits und Privatversicherten sowie Selbstzahlern andererseits gesetzlich festgeschrieben. Eine solche Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund wäre verfassungswidrig.“
  • Hingegen könne mit einem Rx-Versandverbot die Rx-Preisbindung europa- und verfassungsrechtskonform „uneingeschränkt durchgesetzt“ werden. Da es sich bei der Preisbindung um einen „wichtigen Gemeinwohlbelang“ handele, stehe dem Verbot verfassungsrechtlich gesehen nichts im Wege. „Hierdurch ist auch weiterhin gewährleistet, dass das deutsche Gesundheitswesen strukturell intakt bleibt und Patientinnen und Patienten keinen gesundheitlichen Nachteilen durch einen unsachgemäßen Preiswettbewerb ausgesetzt werden“, heißt es weiter.
  • Was das Europarecht betrifft, verweisen die Gesundheitsministerien der Länder auf den EuGH, der 2003 entschieden hat, dass die Einschränkung des Versandhandels zulässig ist. „Der überwiegende Teil der Mitgliedstaaten macht davon Gebrauch und lässt den Versandhandel mit diesen Arzneimitteln nicht zu“, heißt es weiter. Das Argument der Versender, dass der Rx-Versand aber noch nie aktiv verboten wurde, lassen die Länder nicht zu. Denn durch das EuGH-Urteil von 2016 sei eine „Neubewertung des Sachverhalts“ geboten.
  • Aus Sicht der Länder gibt es auch keine „anderen Mittel“ für den Erhalt der „enorm“ bedeutsamen Gleichpreisigkeit. Denn Alternativen seien „nicht erkennbar“.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 06.09.2019 um 10:24 Uhr

...und nun? was machen wir jetzt?
ABDA verklagen!

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Armutszeugnis für die ABDA

von Dr. Alfred Stuhler am 06.09.2019 um 9:27 Uhr

Wie armselig ist das denn ?
Die Gesundheitsminister der Länder argumentieren so , wie es die ABDA schon längst hätte tun müssen.
Das ABDA-Argument : DIE Politik will kein RXVV ist damit ad absurdum geführt und zeigt nun ganz offensichtlich, dass die Apothekerschaft durch die eigene Standesvertretung verraten und verkauft wurde.
Natürlich ist die Honorierung pharmazeutischer Dienstleistung ein Weg der beschritten werden muss, aber das in einen Topf mit der Sicherung der Gleichpreisigkeit zu werfen ist dilettantisch. Die Abkoppelung von der wirtschaftlichen Entwicklung seit 2004 ist doch der Beweis dafür, wie unser Berufstand am Nasenring durch die Manege geührt wird.
Und dann wir im Ernst noch geglaubt, dass die pharm. Dienstleistungen in Zukunft unserer Qualifikation entsprechend bezahlt werden ? Auf welchem Planeten leben denn unsere Standesfürsten ?
Das Wimmern um Gnade beim DAT setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

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Bundesländer sind noch nah an der Bevölkerung - Berlin und Brüssel weit weg

von Robert Götz am 06.09.2019 um 9:03 Uhr

Es ist eine Schande, was die EU und Berlin mit uns Apothekerinnen und Apothekern veranstalten.
Und die ABDA Standesvertretung reiht sich da unrühmlich mit ein.
Die Landespolitiker sind noch näher an der Bevölkerung und haben exakt erkannt und formuliert, was passiert wenn das RX-Verbot nicht kommt. Nämlich die Zerstörung unseres Gesundheitswesens bei den Apotheken und füher und später auch bei den Ärzten.
Jens Spahn, CDU und SPD setzen auf die falschen Pferde.
Und die ABDA ebenso.

Dank an die Politiker, die noch die Interessen der Bevölkerung vertreten. Die überwältigtigende Petition für ein RX-VV von Herrn Bühler hat es gezeigt, was die Mehrheit der Patienten will. Eine funktionierende Gesundheitsversorgung mit Menschen vor Ort!

Robert Götz, Götz-Apotheke 85238 Petershausen, Oberbayern.

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ABDA-Spitze und das schale Gefühl

von Dr.Diefenbach am 05.09.2019 um 20:35 Uhr

Es ist wirklich kaum zu glauben:Wie blöd(!) steht eigentlich die Herrenriege in Berlin jetzt da.Wie weitblickend(!) das sage ich ganz deutlich hat unsere hessische Kammerpräsidentin Frau Funke schon früh die Delegierten aus fester Überzeugung heraus KOMPLETT überzeugt,an der FORDERUNG ZUM FESTHALTEN AM RX-VV NICHT zu rütteln.Liest man die Begründung des Gesundheitsausschusses,dann hätten diese Argumente AUS EINEM LEITANTRAG DER ABDA GF beim Apothekertag stammen MÜSSEN.Doch da gab es ja nur "strategische" und "politisch machbare" Wörtchen.Es zeigt sich also doch,dass Rückgrat manchmal Früchte trägt.Frau Funke hat sich ja wohl von einigen beleidigten Teilnehmern der ABDA GF manches äbsche Wort,wie man in Hessen sagt,anhören "dürfen".Nun ist es anders herum und Frau Funke Standing war genau richtig!!! Ach ,so ist es halt:Frauen sind eben sehr häufig die klügeren Männer!!-Egal wie das weitergeht;politische Arbeit lohnt sich und vielleicht animiert diese Entscheidung aus dem Ausschuss auch manche,sich aktiv einzubringen

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Filz und Sumpf

von J.M.L. am 05.09.2019 um 20:24 Uhr

...ein Filz und Sumpf der seinesgleichen sucht... ...DFB und FIFA grüßen... Sogar ein Mediziner (!) hat mich unlängst darauf angesprochen, warum wir Apotheker eine so schlechte Lobby haben. Peinlich hoch 3.

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Ein starkes Signal der Politik - ABDA zu Recht düpiert

von Dirk Krüger am 05.09.2019 um 19:08 Uhr

Es ist unglaublich. Die Wahrheit und Klarheit zum Thema Gleichpreisigkeit von Rx kommt von der Politik aus den Bundesländern. Besser hätte unsere Berufsvertretung die Begründung für ein RxVV nicht formulieren können. Hat sie aber nicht !!!

" Laut Beschluss der ABDA-Mitgliederversammlung will man Spahn mit seiner Idee, das Rx-Boni-Verbot im SGB V unterzukriegen, begleiten. Das Rx-Versandverbot ist demnach nur noch eine „Handlungsoption. "

Somit wird deutlich: die ABDA hat die Apothekerschaft nicht nur nicht vertreten, sondern an Spahn und DocMorris verraten und für 150 Mio für "Pharmazeutische Dienstleistungen" verkauft.
Die Stellungnahme des Bundesrates wörtlich übernehmen und als Forderung auf dem DAT beschließen ist das Gebot der Stunde. Allerdings : einmal ( ohne Not ! ) aufgegebenes Terrain wird man kaum zurück gewinnen.
Kolleginnen und Kollegen: wendet euch umgehend an eure MdB. Geht in deren Sprechstunden. Ihr braucht nur die wasserdichte Begründung des Bundesrates für ein RxVV wörtlich zu übernehmen.

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