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CHMP-Empfehlung
Schwangere MS-Patientinnen dürfen Interferon beta erhalten
Interferon beta könnte bald eine Behandlungsoption für schwangere Patientinnen mir Multipler Sklerose sein. Der Humanarzneimittelausschuss CHMP der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA empfiehlt, die Zulassung für Interferon beta (unter anderem Avonex und Rebif) zur Behandlung von schwangeren Patientinnen mit schubförmiger MS zu erweitern. Damit entfällt die bisherige Kontraindikation für einen Therapiebeginn mit Interferon beta während der Schwangerschaft. Auch für die Stillzeit gibt es mehr Sicherheit für MS-Patientinnen unter Interferonbehandlung.
„Bisher liegen nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Rebif® bei Schwangeren vor. Die verfügbaren Daten weisen darauf hin, dass möglicherweise ein erhöhtes Risiko von Spontanaborten bestehen könnte. Daher ist ein Therapiebeginn während der Schwangerschaft kontraindiziert“, erklärt Merck in der aktuellen Fachinformation seines Interferon-beta-haltigen MS-Arzneimittels Rebif®. Auch für die Stillzeit gibt es keine uneingeschränkte Empfehlung bislang, vielmehr muss aktuell noch entschieden werden, „ob das Stillen oder die Behandlung mit Rebif® zu unterbrechen ist“, da die Möglichkeit schwerwiegender Nebenwirkungen beim Kind nicht ausgeschlossen werden könnten.
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Diese ungewisse Situation um Interferon beta in Schwangerschaft und Stillzeit könnte sich in absehbarer Zeit entspannen: Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) befürwortet die Zulassungserweiterung von Interferon beta, dass das Arzneimittel als Behandlungsoption bei schubförmiger MS (Multiple Sklerose) auch während der Schwangerschaft – sofern klinisch erforderlich – und in der Stillzeit eingesetzt werden kann.
Interferon beta: MS mit niedriger Aktivität
Die Empfehlung betrifft alle Interferon-beta-Präparate (Interferon beta-1a und Interferon beta-1b), die bei MS zum Einsatz kommen, darunter Rebif® (Interferon beta-1a) zur subcutanen Injektion (Merck) und Avonex® (Interferon beta-1a) von Biogen, das intramuskulär appliziert wird.
Interferon-beta-1a-haltige Arzneimittel erhalten Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (Zulassung 1998 in Europa, 2002 in den USA) und niedriger Krankheitsaktivität. Zudem hat Interferon beta-1a eine Zulassung zur Behandlung von „Patienten mit einem einzelnen demyelinisierenden Ereignis mit aktivem Entzündungsprozess, wenn alternative Diagnosen ausgeschlossen wurden und wenn ein hohes Risiko besteht, dass sich eine klinisch manifeste Multiple Sklerose entwickelt“ (Zulassungserweiterung 2012 durch die Europäische Kommission).
Manche Interferon-beta-Präparate sind hingegen auch bei sekundär progredienter MS mit klinischen Schüben zugelassen, wie Betaferon® (Interferon beta-1b).
Die offizielle Erweiterung des Einsatzgebietes von Interferon beta für Patientinnen mit Multipler Sklerose während der Schwangerschaft ist durchaus von praktischer Relevanz. Weltweit leiden etwa 2,5 Millionen Menschen an MS, Frauen trifft die neurodegenerative Erkrankung (zumindest die schubförmige Variante, und nur für die hat Interferon beta die Zulassung) zwei- bis dreimal häufiger als Männer, der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 20 und 40 Jahren – also im gebärfähigen Alter der Frauen und der Zeit der Familienplanung.
Was sagt Embryotox zu Interferon in der Schwangerschaft?
Laut Embryotox, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin, ist der Erfahrungsumfang für Interferon beta-1a und 1b in der Schwangerschaft „hoch“. Aufgrund der hohen molaren Masse ist ein nennenswerter diaplazentarer Übergang unwahrscheinlich. Bei mehr als 1.000 exponierten Schwangeren ließ sich bislang keine Teratogenität erkennen. Insgesamt gibt es nach Auskunft von Embryotox mehr Daten zur Anwendung von Interferon beta im ersten Trimenon als für das zweite und dritte Schwangerschaftsdrittel, da nach Feststellen einer Schwangerschaft die Interferon-beta-Therapie häufig beendet wurde. Es gebe doch bislang keinen Anhalt für fetotoxische oder entwicklungstoxische Effekt, es werde diskutiert, ob Interferon zu einem geringeren Geburtsgewicht des Säuglings führen könne. Hier müsse jedoch die mütterliche Erkrankung als Einflussfaktor mitberücksichtigt werden, heißt es auf der Seite von Embryotox. Die Experten an der Berliner Charité kommen zu dem Schluss, dass das kindliche Geburtsgewicht im „normalen Rahmen“ ist.
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„Interferon beta-1a/1b darf in der Schwangerschaft angewendet werden“. Da die Krankheitsaktivität meistens im Laufe der Schwangerschaft, insbesondere im dritten Trimenon, abnimmt, sei es in der Regel zu vertreten, mit der Behandlung zu pausieren. Sollte eine durchgängige Therapie erforderlich sein, sei diese während der gesamten Schwangerschaft akzeptabel.
Stillen unter Interferon
Auch für die Stillzeit gibt Embryotox Entwarnung: Die orale Bioverfügbarkeit stufen die Experten als „minimal“ ein, klinische Symptome seien bei gestillten Kindern bisher nicht aufgetreten und aufgrund der Pharmakokinetik auch nicht zu erwarten. Embryotox sieht daher keine Einschränkung fürs Stillen unter Interferon beta: „Unter Interferon beta-1a/1b kann uneingeschränkt gestillt werden“, lautet die Empfehlung auf der Homepage.
Zu dieser Einschätzung kommt wohl auch der CHMP, denn die nun aktualisierte Zulassungsempfehlung sieht auch die fortgesetzte Anwendung von Rebif® während der Stillzeit vor. Gemäß des neuen Zulassungswortlauts sind die in die Muttermilch abgegebenen Interferon-beta-Konzentrationen zu vernachlässigen, sodass keine gesundheitsschädlichen Wirkungen auf den gestillten Säugling erwartet würden. Interferon beta kann daher in der Stillzeit genutzt werden.
Was sagt die aktuelle MS-Leitlinie zur Schwangerschaft unter IFN?
Die aktuelle ECTRIMS/EAN-Leitlinie zur pharmakologischen Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose, aktualisiert 2018, spricht bereits Empfehlungen zur Behandlung von MS-Patientinnen mit Kinderwunsch und während der Schwangerschaft aus. Für MS-Patientinnen mit Kinderwunsch, bei denen das Risiko einer Krankheitsreaktivierung besteht, kann eine Interferon- oder Glatirameracetat-Behandlung in Betracht gezogen werden, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Schwangerschaft bestätigt wird. Bei manchen Frauen, bei denen die MS aktiv ist, kann auch die Weiterführung dieser Behandlung in Betracht gezogen werden.
Zulassungserweiterung durch Registerdaten
Dass Interferon nun auch bei Schwangeren eingesetzt werden darf, ist durch die Auswertung von über 4.000 Schwangerschaftsausgängen, die in verschiedenen Registern beziehungsweise als Erkenntnisse aus nicht-interventionellen Studien erfasst wurden, möglich. Diese geben nach Einschätzung des CHMP wohl keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für maßgebliche angeborene Fehlbildungen infolge einer Behandlung mit Interferon beta vor der Empfängnis oder während des ersten Schwangerschaftsdrittels. Merck, der Zulassungsinhaber von Rebif®, weist in einer Mitteilung darauf hin, dass die Dauer der Exposition während des ersten Trimenons ungewiss ist, weil die Daten in einem Zeitraum erfasst wurden, in dem die Verwendung von IFN-ß in der Schwangerschaft noch kontraindiziert war und die Behandlung sehr wahrscheinlich ab Bekanntwerden der Schwangerschaft unterbrochen wurde. Somit seien Erkenntnisse zur Exposition während des zweiten und dritten Trimenons „nur sehr begrenzt“, was sich mit den Aussagen von Embryotox deckt. Sofern klinisch erforderlich, kann eine Behandlung bei Bestätigung einer Schwangerschaft gemäß Anweisung des behandelnden Arztes erwogen werden.
Mit der positiven Bewertung des CHMP entfällt die bisherige Kontraindikation gegen den Behandlungsbeginn während der Schwangerschaft.
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